JudikaturJustiz13Os87/05a

13Os87/05a – OGH Entscheidung

Entscheidung
23. November 2005

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 23. November 2005 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal, Hon. Prof. Dr. Ratz, Dr. Philipp und Hon. Prof. Dr. Kirchbacher als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Besenböck als Schriftführer in der Vollzugssache des Untergebrachten Karl P***** über die vom Generalprokurator gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien vom 25. Mai 2005, AZ 17 Bs 101/05k (GZ 15 BE 173/04-21 des Landesgerichtes St. Pölten), erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Fabrizy, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Text

Gründe:

Mit Beschluss vom 4. Februar 2005, GZ 15 BE 173/04w-12, stellte das Landesgericht St. Pölten als Vollzugsgericht fest, dass die weitere Unterbringung des Karl P***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher notwendig ist, und wies den Antrag des Untergebrachten auf bedingte Entlassung ab.

Der dagegen erhobenen Beschwerde der Sachwalterin des Betroffenen gab das Oberlandesgericht Wien mit Beschluss vom 25. Mai 2005, AZ 17 Bs 101/05k (ON 21), Folge, hob den angefochtenen Beschluss auf und verfügte - unter Bestimmung einer Probezeit von fünf Jahren - die bedingte Entlassung unter Erteilung der Weisungen, Karl P***** habe

(1.) seinen weiteren Aufenthalt im NÖ Landespflege- und Pensionistenheim in Mauer bei Amstetten zu nehmen, (2.) sich des Alkohols zu enthalten und (3.) die notwendige und fachärztlich verordnete psychiatrische Medikation einschließlich der notwendigen Depotinjektion weiterhin einzunehmen. Weiters sprach das Oberlandesgericht Wien aus, dass gemäß § 179a Abs 2 StVG der Bund die Kosten für die Unterbringung des Karl P***** im oben genannten Heim bis zu dem Ausmaß zu übernehmen hat, in dem die Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter für die Kosten aufkommen könnte, wenn der Entlassene in der Krankenversicherung öffentlich Bediensteter versichert wäre, wobei ein Behandlungsbeitrag vom Entlassenen nicht zu erbringen ist.

Der Ausspruch einer Kostentragung durch den Bund steht nach Auffassung des Generalprokurators aus folgenden Erwägungen mit dem Gesetz nicht im Einklang:

„Ist einem bedingt Entlassenen die Weisung erteilt worden, sich einer Entwöhnungsbehandlung, einer psychotherapeutischen oder einer anderen medizinischen Behandlung zu unterziehen, hat der Verurteilte keinen Anspruch auf entsprechende Leistung aus einer Krankenversicherung und würde durch die Verpflichtung zur Zahlung der Behandlungskosten sein Fortkommen erschwert, so hat der Bund gemäß § 179a Abs 2 erster Satz erster Halbsatz StVG die Kosten der Behandlung ganz oder teilweise zu übernehmen, jedoch nur bis zu dem Ausmaß, in dem die Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter für die Kosten aufkommen könnte, wenn der Entlassene in der Krankenversicherung öffentlich Bediensteter versichert wäre.

Die Einschränkung der Kostentragung bis zum Ausmaß der Leistungspflicht der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter bedeutet, dass die Kostenübernahme auch dem Grunde nach auf solche Leistungen beschränkt ist, welche die Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter ihren Versicherten erbringt. § 179a Abs 2 StVG bietet daher keine Grundlage für die Übernahme der Kosten durch den Bund für solche Leistungen, welche die Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter nach dem Beamten- Kranken- und Unfallversicherungsgesetz (B-KUVG) den in der Krankenversicherung öffentlich Bediensteter Versicherten nicht gewähren kann.

§ 52 Z 2 B-KUVG sieht die Anstaltspflege als eine der aus dem Versicherungsfall der Krankheit zu gewährenden Leistungen vor. § 66 Abs 4 leg cit nimmt von der Anstaltspflege die Unterbringung in einem Heim für Genesende, die ärztlicher Behandlung und besonderer Pflege bedürfen (§ 2 Abs 1 Z 3 des Krankenanstaltengesetzes), und in einer Pflegeanstalt für chronisch Kranke, die ärztlicher Betreuung und besonderer Pflege bedürfen (§ 2 Abs 1 Z 4 des Krankenanstaltengesetzes), ausdrücklich aus. Diese Ausnahmen entsprechen denjenigen des § 144 Abs 4 ASVG und des - im Übrigen verfassungskonformen (Erkenntnis des VfGH G 66-69/81 vom 28. November 1983, Slg 9.870) - § 95 Abs 2 GSVG, die darüber hinaus auch die Unterbringung in einer Sonderkrankenanstalt, die vorwiegend der Rehabilitation von Versicherten dient, von der Anstaltspflege ausnehmen.

Die Unterbringung im NÖ Landespflege- und Pensionistenheim in Mauer bei Amstetten ist daher nach § 66 Abs 4 B-KUVG keine von der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter zu erbringende Leistung (vgl 10 ObS 432/97 hinsichtlich des Hauses der Barmherzigkeit in Wien und 10 ObS 97/98g hinsichtlich des Bezirksaltersheimes Lienz). In diesem Sinne hat die Niederösterreichische Gebietskrankenkasse die Übernahme der Aufenthaltskosten des bei ihr krankenversicherten Karl P***** im genannten Heim abgelehnt (S 77)."

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof hat hiezu erwogen:

Gemäß § 179a Abs 2 StVG hat der Bund die Kosten der im Zusammenhang mit einer bedingten Entlassung erteilten Weisung (§ 51 Abs 3 StGB) ganz oder teilweise zu übernehmen, wenn der zu Entlassende nicht Anspruch auf entsprechende Leistungen aus einer Krankenversicherung hat und durch die Verpflichtung zur Zahlung der Kosten sein Fortkommen erschwert würde.

Der Bund trägt die Kosten jedoch nur bis zu jenem Ausmaß, in dem die Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter für die Kosten aufkäme, wenn der Rechtsbrecher in der Krankenversicherung öffentlich Bediensteter versichert wäre.

Diese Bestimmung wurde mit dem StRÄG 1987 in Anlehnung an die damals bereits bestehenden - weitgehend inhaltsgleichen - Regelungen des § 45 JGG 1961 und § 21 SGG 1951 geschaffen; vgl JA StRÄG 1987, 359 BlgNR XVII. GP, 64. Diese Kostenregelung wurde im § 46 JGG 1988 (vgl EBRV JGG 1988, 486 BlgNR XVII. GP, 40) und im § 41 SMG (vgl EBRV SMG, 110 BlgNR XX. GP, 55 f) in annähernd gleicher Weise fortgeschrieben. Die Kostentragungspflicht des Bundes dem Grunde nach setzt zunächst voraus, dass im Zusammenhang mit der bedingten Entlassung aus der Freiheitsstrafe oder vorbeugenden Maßnahme eine Weisung erteilt wurde, sich einer (ambulanten oder stationären) Entwöhnungsbehandlung oder einer psychotherapeutischen bzw sonstigen medizinischen Behandlung zu unterziehen. Hat der Entlassene darüber hinaus keinen Anspruch auf entsprechende, diese Therapien abdeckende Leistungen aus einer Krankenversicherung und würde durch die Verpflichtung zur Zahlung der Behandlungskosten sein Fortkommen erschwert, so hat diese Kosten der Bund ganz oder (im Hinblick auf finanzielle Ressourcen des Entlassen) teilweise zu übernehmen.

Das Gesetz stellt im Einleitungssatz des § 179a Abs 2 StVG nach seinem insoweit klaren Wortlaut im grundsätzlichen Bereich der Kostenübernahme ohne weitere Determination ausschließlich auf die Notwendigkeit der im Einzelfall zu ergreifenden Maßnahmen ärztlicher Behandlung und auf das Fehlen anderweitiger Kostendeckung ab (vgl 15 Os 96/89, SSt 60/57; 14 Os 24/89, SSt 60/24; 14 Os 101/89 jeweils zur vergleichbaren Regelung des § 21 SGG).

Lediglich zur Begrenzung des Ausmaßes der vom Bund zu ersetzenden Kosten verweist § 179a Abs 2 StVG im Folgenden auf die Gebührenansätze für Behandlungen, für welche die BVA aufkäme, wenn der Entlassene in der Krankenversicherung öffentlich Bediensteter versichert wäre. Dieses Limit bezieht sich nur auf die ziffernmäßige Höhe der Gebührensätze der BVA für jene Leistungen der Krankenbehandlung oder Anstaltspflege aus dem Versicherungsfall der Krankheit (§ 52 Z 2 B-KUVG), welche der als für die bedingte Entlassung als notwendig erkannten Behandlung entsprechen oder mit ihr zumindest vergleichbar sind. Dass als Voraussetzung der Kostentragung durch den Bund für die vom Gericht als notwendig erachteten Behandlungen entsprechende Kostenansätze in den Bestimmungen des B-KUVG bestehen müssen, lässt sich aus dieser Einschränkung allerdings nicht ableiten, zumal die im Einleitungssatz des § 179a Abs 2 StVG genannten Behandlungen nicht krankheitsbedingt notwendig sein müssen (vgl die weitgehend ähnlichen Regelungen in § 46 Abs 1 JGG und § 41 Abs 1 und 2 SMG und die zu § 21 SGG ergangenen Entscheidungen 15 Os 96/89, SSt 60/57; 14 Os 24/89, SSt 60/24; 14 Os 101/89; siehe auch Jesionek JGG3 § 46 Anm 7; Foregger/Litzka/Matzka SMG § 41 Anm V; Kodek/Fabrizy SMG § 41 Anm 3.1).

Auch die Gesetzesverfasser des SMG gingen anlässlich der Fortschreibung der Kostentragungspflicht des Bundes bei Weisungen im Zusammenhang mit einer Suchtmitteldelinquenz von der nach damaliger Judikatur zum (weitgehend gleich formulierten) § 21 SGG gefestigten Auffassung aus, dass mit der (mit § 179a Abs 2 StVG vergleichbaren) Textierung des § 41 Abs 2 SMG nur die Höhe der Kostenersatzpflicht mit den von der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter vorgesehenen Kostenansätzen begrenzt wird, während die Kostenübernahme dem Grunde nach allein im § 41 Abs 1 SMG geregelt ist (vgl EBRV SMG, 110 BlgNR XX. GP, 56).

Schließlich verdeutlichen auch die Gesetzesmaterialien zur Einführung des § 179a Abs 3 StVG durch das StRÄG 2002, dass der Bund gerade mit jenen gemeinnützigen Therapieeinrichtungen Vereinbarungen zur Kostenübernahme abschließen und dazu Pauschalierungen vorsehen können soll, die Leistungen erbringen, für welche die Krankenversicherung iSd §§ 66 ff B-KUVG keine Leistungsübernahme vorsieht (vgl EBRV StRÄG 2002, 1166 BlgNR XXI. GP, 55). Dies unterstreicht geradezu, dass die grundsätzliche Kostentragungspflicht des Bundes nicht davon abhängt, ob für die durchzuführende Behandlung entsprechende Leistungsansätze der BVA existieren.

Für die vom Generalprokurator vorgenommene Auslegung dieser Gesetzesbestimmung dahin, dass eine solche subsidiäre Kostentragungspflicht nur für jene Leistungen bestehe, welche die Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter ihren Versicherungsnehmern nach den Bestimmungen des B-KUVG zu erbringen hat, bleibt daher schon bei wörtlicher und historischer Auslegung kein Raum (vgl wiederum 15 Os 96/89, SSt 60/57; 14 Os 24/89, SSt 60/24; 14 Os 101/89 zu § 21 SGG).

Eine solche Interpretation würde vielmehr die Gesetzesintentionen einer Entlassung - insbesondere aus dem Maßnahmenvollzug - bei adäquater Behandlungsmöglichkeit außerhalb einer Vollzugsanstalt (ebenso wie jene der Entwöhnungsbehandlung in Freiheit im Anwendungsbereich des § 41 Abs 1 SMG) unterlaufen. Denn für derartige medizinische oder therapeutische Behandlungen in den dafür in Frage kommenden Krankenanstalten, wie etwa in Heimen für Genesende, die ärztlicher Behandlung und besonderer Pflege bedürfen (§ 2 Abs 1 Z 3 KAKuG), oder in Pflegeanstalten für chronisch Kranke, die ärztlicher Betreuung und besonderer Pflege bedürfen (§ 2 Abs 1 Z 4 KAKuG), käme aufgrund der Ausschlussklausel des § 66 Abs 4 B-KUVG (ebenso wie bei den im Fall einer entsprechenden Versicherung zu erbringenden Leistungen anderer Sozialversicherungsträger; vgl § 144 Abs 4 ASVG, § 95 Abs 2 GSVG) eine Kostentragung durch die Krankenversicherung nicht in Frage.

Infolge dessen kommt dem Umstand, dass die Niederösterreichische Gebietskrankenkasse auf der Basis des dem § 66 Abs 4 B-KUVG vergleichbaren § 144 Abs 4 ASVG im vorliegenden Fall eine Leistungsverpflichtung für die (stationäre) Behandlung des bei ihr versicherten Karl P***** zufolge ihres Standpunktes ablehnte, dass insoweit ein Leistungsfall des gesetzlichen Krankenversicherungsträgers nicht eingetreten sei, für die Übernahme der Kosten einer notwendigen Behandlung durch den Bund keine Bedeutung zu.

Der Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien vom 25. Mai 2005 entspricht somit dem Gesetz.

Die Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes war daher zu verwerfen.