JudikaturJustiz13Os57/00

13Os57/00 – OGH Entscheidung

Entscheidung
31. Januar 2001

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 31. Jänner 2001 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal, Dr. Schmucker, Dr. Habl und Dr. Ratz als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Schmidt als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Franz W***** und eine andere Angeklagte wegen des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 und Abs 2 lit a FinStrG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Franz W***** sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Schöffengericht vom 4. November 1999, GZ 21 Vr 2280/96-36, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben und das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch des Franz W***** zu Punkt A I. 3. sowie in dem diesen Angeklagten betreffenden Strafausspruch aufgehoben, und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit ihren Berufungen werden der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf die kassatorische Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, wurde unter anderem Franz W***** (auch) des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG, teilweise als Beteiligter nach § 11 FinStrG (Faktengruppe A I.), schuldig erkannt.

Danach hat er

zu A I. im Zuständigkeitsbereich des Finanzamtes Linz vorsätzlich unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht eine Verkürzung von nachstehenden Abgaben bewirkt, und zwar ...

3. als Gesellschafter-Geschäftsführer nachgenannter Gesellschaften bzw Mitunternehmerschaften dazu beigetragen, dass die an diesen Gesellschaften beteiligten atypisch stillen Gesellschafter unter Verletzung ihrer abgabenrechtlichen Offenlegungs- und Wahrheitspflicht für nachgenannte Jahre durch Abgabe unrichtiger Einkommensteuererklärungen Einkommensteuerverkürzungen bewirkten bzw zu bewirken versuchten, indem er den stillen Gesellschaftern entgegen den Vereinbarungen in den Beteiligungserklärungen - Verluste über den Betrag ihrer Nominalbeteiligung hinaus zuwies, und zwar:

a) namens der Firma C***** Leasing GmbH und Mitgesellschafter Verlustzuweisungen für die Jahre 1991 bis 1993, wodurch eine Einkommensteuerverkürzung in Höhe von 7,984.346,-- S bewirkt wurde und es im Ausmaß von 5.815,-- S (im Jahr 1991) und 169.564,-- S (im Jahr 1993) beim Versuch blieb;

b) namens der Fa C***** Consult Finanz***** und WirtschaftsberatungsGmbH und Mitgesellschafter Verlustzuweisungen für die Jahre 1992 und 1993, wodurch Einkommensteuerverkürzung in Höhe von 455.828,-- S bewirkt wurde und es im Ausmaß von 38.958,-- S (im Jahr 1993) beim Versuch blieb;

c) namens der Firma C***** *****GmbH und Mitgesellschafter durch Verlustzuweisung (an den atypisch stillen Gesellschafter Johann K*****) für die Jahre 1992 und 1993, wodurch Einkommensteuer in Höhe von 592.610,-- S verkürzt wurde.

Ausschließlich gegen diesen Schuldspruch (zu den Fakten A I. 3. a bis c) richtet sich eine auf die Z 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten (s. S 435, 438/II Bd. = ON 42, S 9 u 12).

Rechtliche Beurteilung

Die Rechtsrüge ist berechtigt.

Vorweg ist festzuhalten, dass das Erstgericht zu den (unter Punkt A I.) 3.) des Schuldspruches in Rede stehenden Beteiligungen das Bestehen atypischer stiller Gesellschaftsverhältnisse, wodurch in steuerlicher Hinsicht Mitunternehmerschaft im Sinn des § 23 Z 2 EStG begründet wird (Doralt, EStG Komm II4 § 23 Tz 215, 235; Kohler, Die Einkommensteuerbesteuerung der natürlichen Personen, EStG 1988 S 238

f) angenommen hat (US 15). Eine atypische stille Gesellschaft liegt vor, wenn ein stiller (sohin nach außen nicht in Erscheinung tretender - vgl Straube, Komm zum HGB2 § 178 RN 9) Gesellschafter gesellschaftsvertraglich so gestaltet ist, als wäre er Kommanditist. Es muss also - wie hier (vgl Punkt II. der Beteiligungserklärungen, erliegend in den Körperschaftssteuerakten des Finanzamtes Linz) - im Innenverhältnis insbesondere vereinbart sein, dass er einen - obligatorischen - Anspruch auf Teilnahme an den stillen Reserven und am Firmenwert hat (Quantschigg/Schuch, Einkommensteuerhandbuch, EStG 1988 § 23 Tz 26).

Ertragssteuerrechtlich kommt es bei atypisch stillen Gesellschaftern (wie bei Kommanditisten) auch insoweit zu einer Verlustzuweisung, als diese zu einem negativen Kapitalkonto führt und die Gesellschafter dafür nicht einzustehen haben. Dies ergibt sich aus § 24 Abs 2 EStG 1988, wonach ein negatives Kapitalkonto im Zeitpunkt des Ausscheidens eines Gesellschafters aus der Gesellschaft, soweit keine Auffüllungsverpflichtung besteht, zu einem Veräußerungsgewinn führt. Da diese Bestimmung für alle Mitunternehmer Geltung hat (also auch für beschränkt haftende Kommanditisten und atypische stille Gesellschafter), muss bei allen ein negatives Kapitalkonto möglich sein; dies setzt aber wiederum voraus, dass den beschränkt Haftenden - den Negativstand des Kapitalkontos bewirkende - Verluste zugerechnet werden (Quantschigg/Schuch aaO § 23 Tz 47 § 24 Tz 95 bis 95.8; Jabornegg, Komm zum HGB § 167 RN 15; Doralt aaO § 24 Tz 196; Doralt/Ruppe, Grundriss des österr. Steuerrechtes I7 S 210; in diesem Sinn auch Entscheidungen des VwGH vom 21.2.1996, AZ 94/14/0160 und vom 27.5.1998, AZ 94/13/0084; anders noch die auf dem EStG 1972 beruhende Entscheidung vom 10.5.1995, VwGHSlg 7002, vgl zur früheren Rechtslage: Hofstätter, Die Einkommensteuer, Komm III B § 23 a EStG 1972 RN 1 und 3), auch wenn er handelsrechtlich nur beschränkt haftet.

Entgegen der Rechtsansicht des Erstgerichtes waren daher Verlustzuweisungen an atypische stille Gesellschafter unter steuerrechtlichen Aspekten über den Betrag ihrer Einlage hinaus grundsätzlich zulässig, sofern diese nicht vertraglich ausgeschlossen (vgl Doralt Komm4 EStG § 23 Rz 295) oder nicht im Verhältnis der Einlagen der Gesellschafter erfolgt sind.

Allerdings ist eine sofortige Entscheidung des Obersten Gerichtshofes wegen auf diesem Rechtsirrtum beruhender Feststellungsmängel nicht möglich. Abgesehen davon, dass das Erstgericht auf Grund der vertretenen Fehlmeinung, dass die (steuerlich zu behandelnde) Verlustzuweisung nur bis zum Nominell der Einlage möglich sei und daher nicht überprüft hat, ob die Beteiligungserklärungen die Beschränkung der Verlustzuweisung auch auf steuerliche Belange ausdehnt, erfolgt die Verteilung von Verlusten nach den gleichen Grundsätzen wie die Gewinnverteilung. Verlust- (wie Gewinn-)anteile müssen demnach dem Anteil des Gesellschafters am Betriebsvermögen entsprechen, Abweichungen davon können dann gerechtfertigt bzw geboten sein, wenn besondere Haftungsrisiken übernommen werden oder der Arbeitseinsatz eines Gesellschafters entlohnt wird. So ist auch ein Gewinnanteil, der mit vorhergehender Zustimmung der übrigen Gesellschafter tatsächlich nur einem Gesellschafter zugeflossen ist, dann auch diesem Gesellschafter steuerlich ausschließlich zuzurechnen (Doralt aaO § 23 Tz 290, 293, 295).

Bei der C***** Consult ***** GmbH und Mitgesellschafter (= Punkt A. I.) 3.) c) des Schuldspruches) erfolgte die Verlustzuweisung an deren atypische Gesellschafter (C***** Leasing GmbH und Hans K*****) nicht im Verhältnis ihrer Anteile am Betriebsvermögen. Vielmehr wurde etwa im Jahr 1992 Hans K***** das negative Betriebsergebnis in einem Ausmaß von 1,546.428,-- S zugewiesen, während eine Verlustzuweisung an die C***** Leasing GmbH nicht erfolgt ist (US 17). Dementsprechend wurden Hans K***** diese Verlustzuweisungen bei der Einkommensteuer insoweit unrichtig als gewinnmindernd verrechnet, als sie den seinem Verhältnis am Betriebsvermögen entsprechenden Anteil an den Verlusten überstiegen haben, sofern diese Verlustanteile von ihm nicht tatsächlich getragen wurden oder ein Einverständnis der Gesellschafter vorlag. Ob die Verlustzuweisungen an die atypischen Gesellschafter der C***** Leasing GmbH und Mitgesellschafter und der C***** Consult Finanz und ***** GmbH (Punkt A. I) 3.) a) und b) des Schuldspruches) rechtsrichtig im Verhältnis ihrer Anteile am Betriebsvermögen erfolgt sind und ob eine allfällige Abweichung von diesem Verhältnis nur aus den oben dargelegten Umständen vorgenommen wurde, und nicht entgegen weiterer vertraglicher Vereinbarungen vorgenommen wurde, getragen haben, wurde vom Erstgericht infolge seiner irrigen Rechtsansicht nicht festgestellt. Somit kann derzeit nicht abschließend beurteilt werden, ob überproportionale oder vertragswidrige Verlustzuweisungen an Hans K***** und/oder andere atypisch stille Gesellschafter zu Einkommensteuerverkürzungen geführt haben.

Da dieser im Sinne der Z 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO bestehende Mangel durch den Obersten Gerichtshof nicht behoben werden kann, ist eine neue Verhandlung in erster Instanz unumgänglich. Das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt zu bleiben hatte, war daher - in Übereinstimmung mit der Generalprokuratur - in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde in nichtöffentlicher Sitzung (auf das weitere Vorbringen der Rechtsrüge und die Mängelrüge (Z 5) braucht nicht eingegangen zu werden) im angefochtenen Punkt A I. 3.) sowie im Strafausspruch betreffend Franz W***** aufzuheben (was zufolge gesonderter Feststellung der strafbestimmenden Wertbeträge im Spruch und den Gründen möglich ist - der Gesamtbetrag von 16,017.960 S beruht auf einem Rechenfehler, richtig: 15.917.960 S) und die Sache insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen (§ 285e StPO).

Mit ihren Berufungen waren der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung zu verweisen.