JudikaturJustiz13Os55/19s

13Os55/19s – OGH Entscheidung

Entscheidung
09. Oktober 2019

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 9. Oktober 2019 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer, Mag. Michel, Dr. Oberressl und Dr. Brenner in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Jukic in der Strafsache gegen Lina M***** und einen Angeklagten wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Lina M***** und Christian S***** gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 11. März 2019, GZ 29 Hv 12/19v 51, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerden wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch der Lina M***** wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 12 dritter Fall StGB, § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 3 SMG (B/1), demgemäß auch im diese Angeklagte betreffenden Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung und des sie betreffenden Konfiskationsausspruchs) aufgehoben und es wird die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Innsbruck verwiesen.

Mit ihrer Nichtigkeitsbeschwerde, soweit diese den Schuldspruch B/1 bekämpft, und ihrer Berufung wird die Angeklagte Lina M***** auf diese Entscheidung verwiesen.

Ihre Nichtigkeitsbeschwerde im Übrigen und jene des Angeklagten Christian S***** (zur Gänze) werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung des Angeklagten Christian S***** werden die Akten vorerst dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Den Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Lina M***** der Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 12 dritter Fall StGB, § 28a Abs 1 fünfter Fall und Abs 2 Z 3 SMG (B/1) und der Geldwäscherei nach § 165 Abs 2 und 4 StGB (B/2), Christian S***** der Verbrechen des Suchgifthandels nach § 12 zweiter Fall StGB, § 28a Abs 1 zweiter Fall und Abs 4 Z 3 SMG (A/1) und nach § 28a Abs 1 fünfter Fall und Abs 4 Z 3 SMG (A/2) sowie der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 zweiter Fall und Abs 2 SMG (A/3) schuldig erkannt.

Danach haben in I***** und an anderen Orten

(A) S***** von Anfang 2013 bis zum 31. Oktober 2018 vorschriftswidrig Suchtgift

1) in einer das 25 Fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge eingeführt, indem er andere dazu bestimmte, 8,5 kg Kokain (5.950 Gramm Cocain Reinsubstanz) nach Österreich zu bringen,

2) in einer das 25 Fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge anderen überlassen, indem er ihnen 8 kg Kokain (5.600 Gramm Cocain Reinsubstanz) gewinnbringend verkaufte und

3) in einer das 15 Fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge, nämlich 593,2 Gramm Kokain (415,24 Gramm Cocain Reinsubstanz), mit dem Vorsatz besessen, dass es in Verkehr gesetzt werde sowie

(B) M***** von Anfang 2016 bis zum 31. Oktober 2018

1) zur Ausführung der zu A/2 beschriebenen strafbaren Handlungen in Bezug auf eine das 15 Fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigende Menge Suchtgift, nämlich 456 Gramm Kokain (319,2 Gramm Cocain Reinsubstanz), dadurch beigetragen, dass sie (wie zuvor vereinbart [US 12]) Erlöse aus den Suchtgiftverkäufen des S***** für diesen entgegennahm und teilweise an diesen weiterleitete und

2) wissentlich Vermögensbestandteile, die aus einer mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedrohten Handlung eines anderen herrührten, nämlich insgesamt 103.050,60 Euro Bargeld aus dem Erlös des Suchtgifthandels des S***** (A/2), durch Einzahlung auf ihr Girokonto an sich gebracht und durch „Auslandsüberweisungen mittels diverser Payment Service Provider“ (gemeint offenbar: Bargeldtransfer [vgl US 28]) Dritten übertragen.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richten sich die von beiden Angeklagten aus den Gründen der Z 5 und 5a des § 281 Abs 1 StPO ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerden.

Zur amtswegigen Maßnahme:

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerden überzeugte sich der Oberste Gerichtshof, dass der Schuldspruch B/1 einen von der Angeklagten M***** nicht geltend gemachten Subsumtionsfehler (Z 10) zu deren Nachteil aufweist, der von Amts wegen wahrzunehmen war (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO):

Strafbarkeit des Beitragstäters (§ 12 dritter Fall StGB) setzt voraus, dass auch dieser sämtliche Vorsatzerfordernisse erfüllt. Ihr Vorhandensein allein beim unmittelbaren Täter (§ 12 erster Fall StGB) reicht nicht aus (RIS Justiz RS0089884).

Mehrere für sich allein die Grenzmenge (§ 28b SMG) nicht übersteigende Suchtgiftquanten sind nur insoweit (zu einer die Grenzmenge übersteigenden Menge) zusammenzurechnen, als der Vorsatz des Täters von vornherein die kontinuierliche Begehung und den daran geknüpften Additionseffekt mitumfasst. Auf diese Weise kann das Verbrechen nach § 28a Abs 1 fünfter Fall SMG auch als tatbestandliche Handlungseinheit im Sinn einer fortlaufenden Tatbestandsverwirklichung begangen werden (RIS Justiz RS0112225). § 28a Abs 2 Z 3 SMG wiederum stellt eine besondere Art von Zusammenrechnungsgrundsatz dar. Zu einer Subsumtionseinheit sind bloß (gleichartig begangene) jeweils für sich § 28a Abs 1 SMG zu subsumierende Taten zusammenzufassen (arg: „die Straftat nach Abs 1“; RIS Justiz RS0123912, RS0117464 [zu § 28a Abs 4 Z 3 SMG]). Die Begründung mehrerer nach § 28a Abs 1 SMG strafbarer Handlungen durch sukzessive Begehung in Form tatbestandsmäßiger Manipulation (hier: Überlassen) je für sich die Grenzmenge nicht übersteigender Suchtgiftquanten kommt seit der Entscheidung eines verstärkten Senats zu AZ 12 Os 21/17f (EvBl 2018/13, 83; vgl auch RIS Justiz RS0131856) nur mehr ausnahmsweise, nämlich dann in Betracht wenn – insbesondere zufolge Fehlens insgesamt einheitlicher Tatsituation und gleicher Motivationslage (vgl RIS Justiz RS0122006) – nicht eine, sondern mehrere tatbestandliche Handlungseinheiten vorliegen. Von diesem (Ausnahme )Fall abgesehen kann die Qualifikation nach § 28a Abs 2 Z 3 SMG bei dieser Art der Delinquenz – wie hier – nur durch eine Tat (in Form einer tatbestandlichen Handlungseinheit) verwirklicht werden. Dafür muss der Vorsatz von vornherein auf die kontinuierliche Begehung und den Additionseffekt in Bezug auf eine in Summe das 15 Fache der Grenzmenge übersteigende Suchtgiftmenge gerichtet sein.

Die Entscheidungsgründe enthalten zwar Feststellungen zu einem auf das Überschreiten der in § 28a Abs 2 Z 3 SMG normierten Menge gerichteten Vorsatz der Angeklagten M***** (US 12). Ob sie anlässlich der Beitragshandlungen, die in der (vorweg vereinbarten) Entgegennahme von Erlösen aus zahlreichen Suchtgiftverkäufen (vorwiegend jeweils die Grenzmenge nicht übersteigender Quanten) bestanden, von vornherein mit einer auf Addition der Suchtgiftmengen im zuvor beschriebenen Sinn gerichteten Willensausrichtung handelte, blieb hingegen ungeklärt.

Dieser Subsumtionsfehler erfordert die Aufhebung des gesamten (vgl RIS Justiz RS0115884) Schuldspruchs B/1, demgemäß auch des diese Angeklagte betreffenden Strafausspruchs bei der nichtöffentlichen Beratung samt Rückverweisung der Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht (§§ 285e, 290 Abs 1 zweiter Satz StPO). Desgleichen war mit dem – ersichtlich auf diesem Schuldspruch beruhenden – Konfiskationserkenntnis zu verfahren, soweit es im Eigentum der Angeklagten M***** stehende Gegenstände betrifft (US 4 und 43).

Mit dem auf diesen Schuldspruch bezogenen Vorbringen ihrer Nichtigkeitsbeschwerde und ihrer Berufung war diese Angeklagte auf die Aufhebung zu verweisen.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten M***** im Übrigen:

Entgegen dem zum Schuldspruch B/2 erhobenen Einwand der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) hat das Erstgericht die Verantwortung der beiden Angeklagten zur Herkunft des tatverfangenen Geldes erörtert, jedoch mit mängelfreier Begründung als nicht glaubhaft verworfen (US 20 f, 26 ff und 38). Mit Blick auf das Gebot zu gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe war es nicht verhalten, sich im Urteil mit sämtlichen Details dieser Aussagen auseinanderzusetzen (RIS Justiz RS0106642; vgl auch RS0098642 [T1]).

Soweit die Tatsachenrüge (Z 5a) einleitend auf das Vorbringen der Mängelrüge verweist, verkennt sie den wesensmäßigen Unterschied der Nichtigkeitsgründe, welcher deren gesonderte Ausführung im Rechtsmittel erfordert (RIS Justiz RS0115902).

Aus der – von den Tatrichtern übrigens ohnehin erörterten (US 32) – Aussage des Zeugen Robert Sp***** ergeben sich keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen, insbesondere die Feststellungen zum Wissen der Beschwerdeführerin über die Herkunft des tatverfangenen Geldes aus Suchtgiftverkäufen des Mitangeklagten.

Im gegen den Schuldspruch B/2 gerichteten Umfang war die Nichtigkeitsbeschwerde daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten S*****:

Soweit die Mängelrüge die Urteilsaussage, der Beschwerdeführer habe im Tatzeitraum (großzügig geschätzt) – neben dem Suchtgifthandel – 250.000 Euro unversteuert aus verschiedenen Tätigkeiten eingenommen (US 30), als unvollständig, offenbar unzureichend und aktenwidrig kritisiert (Z 5 zweiter, vierter und fünfter Fall), wendet sie sich gegen die sachverhaltsmäßige Bejahung eines von mehreren erheblichen Umständen, der bloß in Zusammenschau mit anderen (und nicht für sich) die Grundlage für die Feststellung entscheidender Tatsachen (zur von ihm überlassenen Suchtgiftmenge) bildet und solcherart einer Anfechtung mit Mängelrüge entzogen ist (RIS Justiz RS0116737). Im Übrigen verwarfen die Tatrichter die Verantwortung des Beschwerdeführers als nicht glaubhaft und waren daher nicht verhalten, sich mit seinen Angaben zur Höhe von ihm (legal) erzielter Einnahmen näher auseinanderzusetzen (erneut RIS Justiz RS0098642 [T1]).

Die Kritik, das Erstgericht habe die Feststellung, bei den vorgefundenen Barmitteln habe es sich um Erlöse aus Suchtgiftverkauf des Beschwerdeführers gehandelt, offenbar unzureichend begründet (Z 5 vierter Fall), übergeht die entsprechenden tatrichterlichen Erwägungen (US 30 f und 35 ff; RIS Justiz RS0119370).

Dass die Begründung der Konstatierung zur vom Beschwerdeführer veranlassten Einfuhr des Kokains aus Südamerika (US 6 f iVm 37 f zum Schuldspruch A/1) gegen Denkgesetze oder grundlegende Erfahrungssätze verstoße (RIS Justiz RS0118317), vermag die Rüge nicht darzulegen.

Der Einwand (nominell Z 5a, der Sache nach Z 5), es fehle eine Begründung für die Feststellungen zu einem Überlassen von Suchtgift in einer über die vom Beschwerdeführer zugestandenen 1,5 kg Kokain hinausgehenden Menge, spricht keine (für die Schuld- oder die Subsumtionsfrage) entscheidende Tatsache an (RIS Justiz RS0117499), weil schon dieses Suchtgiftquantum – beim ebenfalls konstatierten Reinheitsgehalt von 70 % – dem 70 fachen der Grenzmenge entspricht.

Soweit auch diese Tatsachenrüge (Z 5a) einleitend auf das Vorbringen der Mängelrüge verweist, kann auf die Ausführungen zur Nichtigkeitsbeschwerde der Mitangeklagten verwiesen werden.

Das weitere zu diesem Nichtigkeitsgrund erstattete Vorbringen erschöpft sich darin, unzulässig ohne direkten Bezug zu aktenkundigem Beweismaterial Bedenken bloß aus den Erwägungen der Tatrichter abzuleiten (RIS Justiz RS0117961).

Diese Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Bleibt zum Schuldspruch B/2 anzumerken, dass das Erstgericht hinsichtlich eines Betrags von 45.675 Euro zu Unrecht von Geldwäscherei nach § 165 Abs 2 StGB ausgegangen ist, weil M***** insoweit selbst an der Vortat des Suchtgifthandels (als Beitragstäterin nach § 12 dritter Fall StGB) beteiligt war (US 12 f) und daher nur (Eigen-)Geldwäscherei nach § 165 Abs 1 StGB in Betracht käme. Die festgestellten (nicht individualisierten)

Überweisungen „über mehrere verschiedene Payment Service Provider nach Kolumbien und Ecuador“ wären – als Vorgänge des gewöhnlichen Wirtschaftslebens ohne Hinzutreten (nicht festgestellter) besonderer Begleitumstände – nicht als „Verbergen“ tatbildlich (RIS Justiz RS0129616 [T1]). Ein Vorgehen nach § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO war dennoch nicht erforderlich, weil das konstatierte Verhalten in Bezug auf den restlichen Betrag von 57.375,60 Euro (hinsichtlich dessen M***** nicht selbst an der Vortat beteiligt war) die Subsumtion nach § 165 Abs 2 und 4 StGB trägt.

Über die Berufung des Angeklagten S***** hat das Oberlandesgericht zu entscheiden (§ 285i StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.