JudikaturJustiz13Os54/23z

13Os54/23z – OGH Entscheidung

Entscheidung
15. November 2023

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 15. November 2023 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner und Dr. Setz Hummel LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin Richteramtsanwärterin Mag. De Rijk in der Strafsache gegen * A* wegen des Verbrechens der Schlepperei nach § 114 Abs 1, Abs 3 Z 1 und 2, Abs 4 erster Fall FPG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 1. März 2023, GZ 37 Hv 4/23g-68, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * A* mehrerer Verbrechen der Schlepperei nach § 114 Abs 1, Abs 3 Z 1, Abs 4 (erster Fall) FPG und (zu 2) eines Verbrechens der Schlepperei nach § 114 Abs 1, Abs 3 Z 1 und 2, Abs 4 (erster Fall) FPG schuldig erkannt.

[2] Danach hat er in I* und andernorts im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit jeweils einem Mittäter (§ 12 erster Fall StGB), die rechtswidrige Einreise und Durchreise von Fremden in oder durch einen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder Nachbarstaat Österreichs mit dem Vorsatz gefördert, sich durch ein dafür geleistetes Entgelt unrechtmäßig zu bereichern, wobei er die Taten (unter Erfüllung der Kriterien teils der Z 2, teils der Z 3 erster Fall des § 70 Abs 1 StGB) gewerbsmäßig und zum Teil in Bezug auf mindestens drei Fremde sowie jeweils als Mitglied einer kriminellen Vereinigung in wechselnder Beteiligung beging, und zwar

1) am 6. September 2021, indem sie zumindest zwei Fremde im Erstaufnahmezentrum St. G* mit einem PKW abholten und über Tirol nach Italien brachten,

2) zwischen dem 5. und dem 10. Oktober 2021, indem sie zumindest fünf Fremde in T* abholten und mit einem PKW nach Mailand brachten,

3) am 10. Oktober 2021, indem sie einen ägyptischen Staatsangehörigen mit einem PKW von I* nach Frankreich brachten,

4) am 24. Jänner 2022, indem sie zumindest einen Fremden mit dem Zug nach L* und danach nach Italien brachten,

5) am 31. Jänner 2022, indem sie zumindest zwei Fremde mit dem Zug nach Tirol und sodann mit einem PKW nach Mailand brachten, und

6) am 6. März 2022, indem sie zumindest zwei Fremde mit dem Zug nach Tirol und sodann mit einem PKW nach Mailand brachten.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen wendet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4, 5, 9 lit a und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

[4] Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider wurde der Antrag auf Vernehmung des * H* als Zeugen zum Beweis dafür, dass es sich bei der angegebenen Person * „nicht um den Helfer * gehandelt haben soll, da es ja mehrere Personen dieses Namens gibt“, sowie dafür, dass es sich beim Angeklagten nicht um jene Person handelt, die diese Schlepperfahrten „über ein Netzwerk“ organisiert oder daran mitgewirkt hat, weil dieser „nicht mehrere Brüder in der Schweiz, sondern nur einen habe“ (ON 67 S 15 f), ohne Verletzung von Verteidigungsrechten abgewiesen (ON 67 S 16).

[5] Der Antrag legte nämlich nicht dar, warum die begehrte Beweisaufnahme das behauptete Ergebnis hätte erbringen sollen, obwohl der Angeklagte nach der Aktenlage zu einzelnen Schlepperfahrten geständig war (ON 67 S 2 ff) und die Telefonnummer jener Person, die vom beantragten Zeugen als A* (ON 2.4, 4) bezeichnet wurde, dem Angeklagten zugeordnet werden konnte (ON 67 S 15). Solcherart lief das Antragsvorbringen auf einen bloßen Erkundungsbeweis hinaus (siehe aber RIS-Justiz RS0099453 [T1]; Ratz , WK-StPO § 281 Rz 330).

[6] Im Rechtsmittel nachgetragenes, den Antrag ergänzendes Vorbringen ist ebenso unbeachtlich (RIS-Justiz RS0099618) wie Kritik an der Begründung des abweislichen Zwischenerkenntnisses (RIS-Justiz RS0116749).

[7] Der Täter muss hinsichtlich sämtlicher Tatbildmerkmale des § 114 Abs 1 FPG, somit auch hinsichtlich der Förderung der rechtswidrigen Einreise oder Durchreise eines Fremden in oder durch einen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder Nachbarstaat Österreichs mit (zumindest) bedingtem Vorsatz handeln.

[8] Der insoweit erhobene Einwand der Undeutlichlichkeit (Z 5 erster Fall) trifft nicht zu. Sowohl das intellektuelle (US 5 – „wusste“) als auch das voluntative (US 5 – „zumindest egal“) Element des Vorsatzes (dazu Reindl-Krauskopf in WK 2 StGB § 5 Rz 2 f) kommen in den Urteilskonstatierungen insoweit klar zum Ausdruck.

[9] Entgegen der Mängelrüge (Z 5) ist die Ableitung der Feststellungen zum Handeln im Rahmen einer kriminellen Vereinigung aus dem im Urteil dargestellten Chatverlauf (US 9 ff) und dem Ergebnis der Überwachung (US 11 ff) unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit (Z 5 vierter Fall) nicht zu beanstanden.

[10] Welche über die getroffenen (US 5 f) hinausgehenden Feststellungen die Rechtsrüge (Z 9 lit a) in Bezug auf die subjektive Tatseite vermisst, erklärt sie nicht. Solcherart entzieht sie sich einer inhaltlichen Erwiderung (RIS-Justiz RS0119884 [T2]).

[11] Nach den Feststellungen des Erstgerichts schloss sich der Angeklagte mit mehreren, im Urteil näher bezeichneten Personen zusammen, um die im Urteil beschriebenen Verbrechen und Vergehen nach dem Fremdenpolizeigesetz zu begehen (US 5 und 13). Im Rahmen der kriminellen Vereinigung führte er als deren Mitglied die im Urteil beschriebenen Schleppungen durch, welche sich über einen Zeitraum von mehreren Monaten erstreckten. Er handelte dabei in der Absicht, sich dadurch ein fortlaufendes Einkommen von zumindest 400 Euro pro Monat über einen Zeitraum von zumindest einem Jahr zu verschaffen (US 4 und 5).

[12] Warum das zeitliche Element der kriminellen Vereinigung durch diese Feststellungen nicht zum Ausdruck gebracht worden sein sollte, lässt die Subsumtionsrüge (Z 10) im Dunkeln. Ebenso wenig erklärt sie, welche über die getroffenen Feststellungen hinausgehenden Konstatierungen in Bezug auf den von § 278 Abs 2 StGB geforderten Zusammenschluss von mehr als zwei Personen erforderlich gewesen wären. Einer Erwiderung sind diese Einwände solcherart nicht zugänglich.

[13] Die Kritik, wonach das Erstgericht nicht festgestellt habe, „inwiefern es eine Verbindung zwischen * Aw* und * B* gibt“, leitet nicht aus dem Gesetz ab, weshalb es einer derartiger Feststellung bedurft hätte, obwohl Mitgliedschaft an derselben kriminellen Vereinigung nach ständiger Judikatur (RIS-Justiz RS0086779 [T3]) keine persönliche Bekanntschaft voraussetzt.

[14] Soweit die Subsumtionsrüge Konstatierungen zu den Tatbestandsvoraussetzungen des § 114 Abs 4 erster Fall FPG vermisst, dabei aber die genau dazu getroffenen Feststellungen (US 5 und 6) übergeht, verfehlt sie den Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (RIS-Justiz RS0099810).

[15] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – gemäß § 285d Abs 1 StPO bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

[16] Die Entscheidung über die Berufungen kommt dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).

[17] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.