JudikaturJustiz13Os46/06y

13Os46/06y – OGH Entscheidung

Entscheidung
14. Juni 2006

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 14. Juni 2006 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Ratz, Hon. Prof. Dr. Schroll, Mag. Hetlinger und Mag. Lendl als weitere Richter in Gegenwart der Richterin im Evidenzbüro Dr. Kropiunig als Schriftführerin in der Strafsache gegen Arben N***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde, die Berufung und die Beschwerde (§ 498 Abs 3 StPO) des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Wels als Schöffengericht vom 12. Jänner 2006, GZ 13 Hv 156/05b-52, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Arben N***** wurde des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB (1) und des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB (2) schuldig erkannt.

Danach hat er

1. am 30. Mai 2004 in P***** Hemma P***** mit Gewalt zur Duldung des Beischlafs genötigt, indem er ihr Hose und Unterhose auszog, die Beine auseinander drückte, sie im „Schulter- bzw Oberarmbereich" festhielt und seinen Penis in deren Scheide einführte;

2. am 28. November 2004 in R***** eine fremde Sache, nämlich die Glaseingangstüre zur Halle 17 im Messegelände, beschädigt, indem er gegen das Türglas schlug, sodass es zerbrach.

Rechtliche Beurteilung

Der aus Z 1, 5, 5a und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt keine Berechtigung zu. Die auf eine Abwesenheit der Schriftführerin während der Vorführung der Aufzeichnung über die kontradiktorische Vernehmung der Zeugin P***** verweisende Besetzungsrüge scheitert bereits an der Tatsache, dass der relevierte Tatumstand nicht sofort vom Angeklagten oder seinem Verteidiger, welche beide anwesend waren, gerügt wurde (Z 1). Zwar trifft die Rügeobliegenheit den Angeklagten selbst trotz sinnlicher Wahrnehmung eines Nichtigkeit begründenden Vorgangs nur dann, wenn er über dessen rechtliche Implikationen wenigstens so weit Bescheid weiß, dass er, auch ohne juristische Fachkenntnis zu besitzen, den rechtlichen Sinnzusammenhang nach Art eines Aha-Erlebnisses versteht. Ein rechtskundiger Verteidiger aber kann sich auf mangelnde Rechtskenntnisse nicht berufen, sodass das, was sich während der Hauptverhandlung in Anwesenheit des Verteidigers ereignet, jedenfalls in dessen Kenntnis gelangt (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 138 f).

Dazu kommt, dass der Vorsitzende aufgrund der durch BGBl I 2004/164 geänderten Fassung des § 23 StPO von der Beiziehung eines Schriftführers absehen und die diesem zugewiesenen Aufgaben selbst besorgen oder einem Mitglied des Senates übertragen kann. Angesichts dieser - zur Zeit der Hauptverhandlung bereits in Geltung stehenden - Änderung der Rechtslage ist die bis dahin geltende Rechtsprechung, wonach der Gerichtshof nur dann als gehörig besetzt anzusehen war, wenn der Verhandlung auch ein zur Führung der Protokolle beeidigter Schriftführer beiwohnte, nicht mehr aufrecht zu erhalten. Auf die Einhaltung der Vorschriften über die Protokollführung hinwieder kommt es unter dem Aspekt gehöriger Besetzung nicht an.

Die Angaben der Zeugin P***** wurden, der Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) zuwider, eingehend erörtert. Dass sie bei ihrer kontradiktorischen Abhörung für das Einführen eines Fingers in ihre Scheide den - zuvor von anderer Seite ins Spiel gebrachten - Ausdruck „Oralverkehr" verwendet hatte (S 183), war als unerheblich mit Blick auf das Gebot zu gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) nicht gesondert erwähnenswert. Da die Zeugin nach Auffassung des erkennenden Gerichtes davon ausgegangen war, im Haus, wo die Tat stattgefunden hatte, allein zu sein, war auch die Frage, ob die Tür zur Wohnung „offen" (vgl S 176) stand, nicht erörterungsbedürftig. In welcher Position sich das Mädchen befand, als der Angeklagte ihr Hose und Unterhose auszog, betrifft keine entscheidende Tatsache. Dass er diese „herunterrriss", findet in den Angaben der Zeugin, die davon sprach, er habe die Kleidungsstücke „mit Gewalt runtergezogen" (vgl S 172), gar wohl hinreichende Deckung (der Sache nach Z 5 vierter Fall).

Die Widersprüche in der Aussage der Zeugin A***** wurden - zu 2. - eingehend erörtert, weshalb auch insoweit von einer Unvollständigkeit der Entscheidungsgründe keine Rede sein kann.

Durch den Hinweis darauf, dass A***** nach ihrer Aussage ca 50m von der Glastüre entfernt war, als sie den Angeklagten bei deren Beschädigung beobachtete und den pauschalen Verweis auf das Vorbringen der Mängelrüge werden erhebliche Bedenken gegen die den Schuldsprüchen zugrunde liegenden entscheidenden Tatsachen nicht geweckt (Z 5a).

Welche Feststellungen „über die Qualität der Gewaltanwendung bei der Zeugin Hemma P*****" schließlich die Rechtsrüge (Z 9 lit a) vermisst, ist ihr nicht zu entnehmen.

Die Zurückweisung der Nichtigkeitsbeschwerde bereits bei der nichtöffentlichen Beratung (§ 285d Abs 1 StPO) hat die Zuständigkeit des Oberlandesgerichtes Linz zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde (§ 498 Abs 3 StPO) zur Folge (§ 285i StPO). Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.