JudikaturJustiz13Os42/21g

13Os42/21g – OGH Entscheidung

Entscheidung
14. Juli 2021

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 14. Juli 2021 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner und Dr. Setz Hummel LL.M. in Gegenwart des Schriftführers Mag. Pentz in der Strafsache gegen Robert A***** wegen Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 und 2 StGB sowie weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Schöffengericht vom 17. November 2020, GZ 22 Hv 32/19z 178b, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde Robert A***** des Verbrechens der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1, Abs 3 Z 2 und Abs 4 vierter Fall StGB idF BGBl I 2009/40 (A), (richtig) mehrerer Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 und 2 vierter Fall StGB, je eines Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 und 2 erster Fall StGB und nach § 201 Abs 1 und 2 zweiter Fall StGB sowie mehrerer Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB in der Fassung BGBl I 2004/15 (B) schuldig erkannt, unter Bedachtnahme auf die Strafverfügung des Bezirksgerichts Prag vom 25. Februar 2015, AZ 9 T 106/2015, das Urteil des Landesgerichts Linz vom 13. März 2018, AZ 39 Hv 12/18g, und das Urteil des Bezirksgerichts Rokycany vom 9. Oktober 2018, AZ 2 T 106/15, zu einer Zusatzfreiheitsstrafe (§ 31 Abs 1 StGB) verurteilt und gemäß § 21 Abs 2 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen.

[2] Danach hat er in A***** und G*****

A) vom 1. Juli 2009 bis zum Juni 2013 gegen Katerina N***** länger als ein Jahr hindurch fortgesetzt Gewalt ausgeübt, wobei er durch die Tat eine umfassende Kontrolle des Verhaltens der Katerina N***** herstellte und eine erhebliche Einschränkung ihrer autonomen Lebensführung bewirkte (vgl dazu insbesondere US 12 f), und zwar

1) indem er sie wiederholt im ersten Stock eines Wohnhauses gefangen hielt und den abgesondert verfolgten Dobromil A***** als „Aufpasser“ einsetzte,

2) indem er ihr am oberen Stiegenabsatz des Wohnhauses einen Stoß versetzte, wodurch sie stürzte, und dann über ihren Körper urinierte,

3) indem er ihr in einer Vielzahl von Angriffen, teils unter Verwendung von Gegenständen, Schläge gegen den Körper und mit Stahlkappenschuhen Tritte gegen den Bauch oder den Genitalbereich versetzte, wodurch sie Hämatome erlitt,

4) indem er ihren Kopf wiederholt in eine WC Muschel drückte und die Spülung betätigte,

5) indem er ihr zwischen Juli 2009 und Ende des Jahres 2009 einen Faustschlag gegen die Nase versetzte, wodurch sie eine Nasenbeinfraktur erlitt,

6) im Frühjahr 2012, indem er ihr mehrere Faustschläge gegen die Nase versetzte, wodurch sie eine an sich schwere Verletzung, nämlich eine verschobene Nasenbeinfraktur, erlitt,

7) im Winter 2013, indem er sie durch die Ankündigung, er würde sie schlagen, wenn sie nicht gehorche, somit durch gefährliche Drohung mit einer Verletzung am Körper, zu einer Handlung, nämlich zum unbekleideten Ausharren in einem schneebedeckten Garten für die Dauer einer halben Stunde, nötigte,

8) Anfang 2012, indem er ihr, als sie schwanger war, mehrere Ohrfeigen versetzte, sie an den Haaren riss und ihr einen heftigen Stoß versetzte, wodurch sie gegen einen Esstisch prallte und eine Fraktur der linken 10. Rippe erlitt,

9) vom Dezember 2011 bis zum 4. August 2012, indem er sie wiederholt, teils unter Verwendung eines Gürtels und teils bis zur Bewusstlosigkeit, würgte,

10) im Jahr 2010, indem er sie außer den Fällen des § 201 StGB mit Gewalt zur Duldung einer geschlechtlichen Handlung nötigte, wobei er sie in besonderer Weise erniedrigte und die Taten in einem Fall eine an sich schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB) verbunden mit einer mehr als vierundzwanzig Tage dauernden Gesundheitsschädigung, nämlich einer posttraumatischen Belastungsstörung, zur Folge hatten, nämlich

a) in mehreren Angriffen im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit dem abgesondert verfolgten Dobromil A***** dadurch, dass er sie festhielt während Dobromil A***** sie an den nackten Brüsten und an der Scheide berührte, sowie

b) dadurch, dass er ihr bei insgesamt drei Angriffen befahl, sich in die Badewanne zu knien, sie an den Haaren packte und ihren Kopf zurückzog, sodass sie den Mund öffnen musste um Luft zu bekommen und er, nachdem er sich bis zum Samenerguss selbst befriedigt hatte, sein Ejakulat in ihren Mund und ihr Gesicht spritzte, und

11) indem er sie durch gefährliche Drohung mit dem Tod zu einer Handlung und einer Unterlassung nötigte, und zwar

a) im Jahr 2009, indem er zu ihr sagte, sie wisse was passiere, wenn sie das nicht mache, wobei er ihr eine Schusswaffe an den Kopf hielt, zum unbekleideten Aufenthalt in einer Wohnung im ersten Stock eines Wohnhauses sowie

b) vom 1. Juli 2009 bis zum Juni 2013 zur Unterlassung der Flucht aus dem Wohnhaus, indem er wiederholt ankündigte, für den Fall, dass sie fliehe, werde er sie töten, weiters

B) Katerina N***** mit Gewalt und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben zur Duldung des Beischlafs und dem Beischlaf gleichzusetzender geschlechtlicher Handlung genötigt, wobei die Taten in einem Fall eine an sich schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB) verbunden mit einer mehr als vierundzwanzig Tage dauernden Gesundheitsschädigung, nämlich einer posttraumatischen Belastungsstörung, zur Folge hatten, er sie in besonderer Weise erniedrigte und eine der Taten eine Schwangerschaft zur Folge hatte, und zwar

1) im Jahr 2010, indem er sie an den Haaren riss und ins Bett zerrte, sich (mit einem gesamten Körpergewicht von rund 110 kg) auf sie legte, ankündigte, er werde sie am Dachboden aufhängen, wenn sie das nicht aushalte, und seine Hand in ihre Vagina einführte,

2) vom Jahr 2009 bis zum Juni 2013, indem er sie in einer Vielzahl von Angriffen an den Haaren packte, ihren Kopf nach unten drückte, sodass sie in die Knie gehen musste, und sein erigiertes Glied in ihren Mund steckte, worauf er jeweils Oralverkehr bis zum Samenerguss vollzog, sie sein Ejakulat schlucken musste und er sich bei einigen dieser Angriffe anschließend auf sie legte und Vaginal- oder Analverkehr an ihr vollzog, wobei eine der Taten eine Schwangerschaft zur Folge hatte,

3) im Jänner oder im Februar 2012, indem er ihr, als sie bereits schwanger war, mit seinen Stahlkappenschuhen einen Tritt gegen den Bauch versetzte, ihr befahl, sich auszuziehen, sie dann am Handgelenk aus einem Auto zerrte, in den Schnee warf, sich auf sie legte und in der Folge Vaginalverkehr bis zum Samenerguss an ihr vollzog,

4) im Frühling 2010, indem er mit ihr in einen Wald fuhr und ihr befahl sich auszuziehen, damit er pornografische Fotos von ihr machen könne, sie anschließend auf die Motorhaube seines Autos drückte und Vaginalverkehr bis zum Samenerguss an ihr vollzog, und

5) am 9. Juni 2013, indem er mehrfach auf sie einschlug und im unmittelbaren Zusammenhang damit Vaginalverkehr an ihr vollzog.

Rechtliche Beurteilung

[3] Die dagegen erhobene Nichtigkeitsbeschwerde stützt der Angeklagte auf Z 4, 5, 9 lit a und 11 des § 281 Abs 1 StPO.

[4] Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider wurden durch die in der Hauptverhandlung am 17. November 2020 erfolgte Abweisung (ON 178a S 19) des Antrags auf Vernehmung des Stanislav M***** und des Pavel S***** als Zeugen zum Beweis dafür, „dass es im Zeitraum 2009 bis 2010 zu keinen körperlichen Übergriffen kam, insbesondere keine, wodurch die Zeugin N***** schwer verletzt wurde und Nasenbeinfrakturen erlitt und in diesem Zeitraum auch keine Vergewaltigungen stattgefunden haben und sich die Zeugin N***** in diesem Zeitraum stets frei bewegen konnte“ (ON 164 S 24), Verteidigungsrechte nicht geschmälert. Nach der Aktenlage wurde die Ausforschung einer ladungsfähigen Anschrift des M***** und des S***** vom Erstgericht versucht, blieb aber trotz Einbindung der tschechischen Behörden erfolglos (ON 1 S 70 und ON 167). Aufgrund der fehlenden Geburtsdaten war eine Ausschreibung der Genannten im Schengener Informationssystems nicht möglich (ON 167).

[5] Weshalb entgegen den hindernden Umständen in absehbarer Zeit doch mit der Durchführbarkeit der Beweisaufnahme zu rechnen sei, legte der Antrag nicht dar (siehe aber RIS Justiz RS0099502 [T15]). Die Nichtdurchführung eines aussichtslosen Beweises kann aus Z 4 nicht gerügt werden (RIS Justiz RS0099119).

[6] Entsprechendes gilt für die Abweisung (ON 178a S 19) des Antrags auf Vernehmung des Aleksander O***** als Zeugen (ON 153a S 37), weil die Bemühungen des Gerichts, den Aufenthaltsort des Genannten festzustellen, nach der Aktenlage gleichermaßen erfolglos blieben (ON 132 S 5 und 155).

[7] Dem Vorbringen der Verfahrensrüge zuwider verfielen auch die nachstehenden Anträge zu Recht der Ablehnung (ON 178a S 19 ff):

[8] Durch zeugenschaftliche Vernehmung des Wolfgang Z***** (ON 178a S 12) und des Rene A***** (ON 178a S 11) sollte erwiesen werden, dass sich N***** „stets frei bewegen konnte“, sie „niemals eingesperrt war“ und keine Verletzungen, „insbesondere in Form von Nasenbeinfrakturen im Zeitraum von 2009 bis 9. Juni 2013 hatte“ (ON 178a S 11 und 12). Weshalb diese Personen aufgrund ihrer sporadischen Anwesenheit im Haus des Angeklagten (laut Vorbringen ein bis zwei Mal wöchentlich bzw mehrmals im Tatzeitraum) in der Lage sein sollten, die angeführten Umstände zu bestätigen, blieb offen. Solcherart zielten die Anträge auf eine unzulässige Erkundungsbeweisführung (RIS Justiz RS0099453).

[9] Der Antrag auf zeugenschaftliche Vernehmung der Bankangestellten Sandra P***** zum Beweis dafür, dass sich die Zeugin N***** regelmäßig selbständig Geld abholte und sich dabei „frei bewegen konnte“ (ON 164 S 25), ließ keine Bedeutung für die Schuld- oder die Subsumtionsfrage erkennen (siehe aber RIS Justiz RS0118444).

[10] Gleiches gilt für den Antrag auf Vernehmung des Mag. H***** als Zeugen zum Beweis dafür, dass die Zeugin N***** bei einem Verkehrsunfall im Jahr 2002 eine Rippenverletzung erlitt (ON 134 S 19 f und 23).

[11] Nur Beweisanträge, die während der Hauptverhandlung gestellt wurden, können Grundlage einer Verfahrensrüge sein. Anträge, die in Schriftsätzen außerhalb der Hauptverhandlung eingebracht wurden, erfüllen diese Voraussetzungen nur, wenn sie vom Antragsteller in der Hauptverhandlung wiederholt wurden (RIS-Justiz RS0099099 [T4]). Die Erklärung des Verteidigers in der Hauptverhandlung, auf Mag. Titus T*****, der noch nicht ausgesagt habe, zu bestehen (ON 134 S 23), wird diesen Anforderungen nicht gerecht ( Ratz , WK StPO § 281 Rz 313).

[12] Der Antrag auf Beischaffung des Aktes AZ 2 Fam 62/14s des Bezirksgerichts Rohrbach zum Beweis dafür, dass auch die Zeugin N***** von einem „entsprechenden Erfolg“ des Angeklagten ausgegangen ist und in diesem Verfahren von der Zeugin niemals Gewalt oder Ähnliches durch den Angeklagten thematisiert worden sei (ON 153a S 47), ließ kein für die Lösung der Schuldfrage oder der Subsumtionsfrage erhebliches Beweisthema erkennen (vgl aber RIS Justiz RS0116503).

[13] Den Antrag, die in der Hauptverhandlung am 23. September 2020 vorgenommenen Beweisaufnahmen unter Beiziehung eines anderen Dolmetschers neuerlich durchzuführen (ON 178a S 13 f iVm ON 173), wies das Erstgericht zu Recht ab (ON 178a S 21 f):

[14] Der Umstand, dass die Dolmetscherin Dr. Alena Ai***** im Verfahren als Zeugin vernommen worden ist, bedingt per se nicht deren Befangenheit im Sinn des § 47 Abs 1 Z 3 StPO (iVm § 126 Abs 4 StPO). Die Prozessordnung determiniert die Umstände, die zur Befangenheit führen, nämlich einerseits durch ausdrückliche Aufzählung (§ 47 Abs 1 Z 1 und 2 StPO), andererseits mittels Generalklausel (§ 47 Abs 1 Z 3 StPO). Aus dieser Differenzierung erhellt, dass der Gesetzgeber die Befangenheit, die allein aus einer bestimmten Stellung folgt, abschließend regeln wollte ( Lässig , WK StPO Vor §§ 43–47 Rz 5). Im Hinblick darauf, dass Dr. Ai***** nach dem ungerügten Protokoll über die Hauptverhandlung angab, keine Wahrnehmungen zum Verfahrensgegenstand zu haben (ON 134 S 5 f), und (abgesehen von der formalen Zeugeneigenschaft) keine Gründe vorgebracht werden, die geeignet sein sollen, ihre volle Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit in Zweifel zu ziehen, liegt die eingewendete Befangenheit nicht vor.

[15] Angeblich mangelnde Sachkunde der Dolmetscherin Dr. Ai***** wurde überhaupt nur unsubstantiiert behauptet.

[16] Soweit die Mängelrüge (Z 5) einen Widerspruch (Z 5 dritter Fall) der Feststellungen und der Beweiswürdigung zu den Ausführungen im Urteil reklamiert, ab wann es zwischen dem Angeklagten und Katerina N***** zu keinem einvernehmlichen Geschlechtsverkehr mehr kam (US 8, 14 und 31), spricht sie keine entscheidende Tatsache an (siehe aber RIS Justiz RS0117499).

[17] Indem die Mängelrüge die erstgerichtliche Überzeugung von der Unglaubwürdigkeit der Aussage des Zeugen Andres D***** (US 36 f) als „unzureichend begründet“ und „lebensfremd“ bezeichnet, verlässt sie den aus Z 5 eröffneten Anfechtungsrahmen (RIS Justiz RS0106588 [insbesondere T6 und T12]).

[18] Auf ein gegen den Angeklagten in Tschechien wegen anderer Vorfälle eingeleitetes Strafverfahren wurde vom Erstgericht im Rahmen der Beurteilung der Glaubwürdigkeit der Aussage des Angeklagten und der Zeugin Katerina N***** und im Zusammenhang mit der Behauptung des Angeklagten, ihm wäre Gewalt bei Sexualdelikten fremd und seine Beziehung mit seiner nunmehrigen Ehegattin sei gewaltlos, was diese bestätigen könne, eingegangen (US 20, 27 und 28). Dieser erst in der Gesamtschau mit anderen zum Ausspruch über entscheidende Tatsachen führende Umstand kann aus Z 5 nicht bekämpft werden (RIS Justiz RS0116737 [T2]).

[19] Soweit die Rechtsrüge (Z 9 lit a) zu B 2 einen Rechtsfehler mangels Feststellungen in Bezug auf den Tatzeitraum 2009 behauptet, sich dabei aber nicht an den insoweit getroffenen Konstatierungen des Erstgerichts orientiert (US 13 f), verfehlt sie den Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (RIS Justiz RS0099810). Im Übrigen umfasst der Schuldspruch B 2 den Tatzeitraum vom Jahr 2009 bis zum Juni 2013 und dabei eine Vielzahl bloß pauschal beschriebener Vergewaltigungen. Weshalb der Angeklagte dennoch für den Zeitraum 2009 freizusprechen gewesen wäre (siehe hingegen RIS Justiz RS0117436), leitet die Beschwerde nicht aus dem Gesetz ab.

[20] Die Sanktionsrüge (Z 11) wendet sich gegen die Abweisung des Antrags auf „Einholung eines neuen Sachverständigengutachtens“ (ON 153a S 24 [Z 11 erster Fall iVm Z 4]). Da der Antrag entgegen § 55 Abs 1 StPO kein Beweisthema bezeichnete, verfiel er zu Recht der Ablehnung (ON 178a S 21). Das bloße Verlangen einer Partei, neue Befunde und Gutachten abzufordern, um die vom beigezogenen Sachverständigen erbrachten (im Sinne der §§ 125 f StPO mängelfreien) Ergebnisse zu überprüfen, zielt im Übrigen auf eine unzulässige Erkundungsbeweisführung (RIS Justiz RS0117263 [T2]).

[21] Mit Blick auf das aus dem Wesen des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes resultierende Neuerungsverbot hat das den Antrag ergänzende Beschwerdevorbringen auf sich zu beruhen (RIS Justiz RS0099618).

[22] Dem weiteren Vorbringen zuwider hat das Erstgericht nicht gegen das Doppelverwertungsverbot verstoßen. Dieses ergibt sich aus dem in § 32 Abs 2 erster Satz StGB enthaltenen Gebot, Erschwerungs- und Milderungsgründe nur soweit bei der Bemessung der Strafe zu berücksichtigen („gegeneinander abzuwägen“), als sie „nicht schon die Strafdrohung bestimmen“ (RIS Justiz RS0130193).

[23] Die vom Erstgericht als erschwerend herangezogene „einschlägige Vorstrafe“ ist hingegen weder für die Subsumtion als Verbrechen der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b StGB im Sinn des Schuldspruchs A noch für jene als Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 StGB im Sinn des Schuldspruchs B ein entscheidender Umstand. Unter dem Aspekt des § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO ist festzuhalten, dass die verfehlte Einordnung eines Umstands unter einen (besonderen) Erschwerungs- oder Milderungsgrund nur dann Nichtigkeit im Sinne des § 281 Abs 1 Z 11 zweiter Fall StPO begründet, wenn es offenbar unrichtig ist, ihn nach den allgemeinen Grundsätzen für die Strafbemessung (§ 32 Abs 2 und 3 StGB) als erschwerend oder mildernd zu berücksichtigen (RIS Justiz RS0100061 [T3]; Ratz , WK StPO § 281 Rz 700, 704).

[24] Die rechtliche Annahme des Erschwerungsgrundes des § 33 Abs 1 Z 2 StGB findet im Strafzumessungssachverhalt Deckung, weil die zum angefochtenen Urteil im Verhältnis des § 31 Abs 1 StGB stehenden Verurteilungen des Angeklagten durch das Landesgericht Linz am 13. März 2018 und das Bezirksgericht Rokycany am 9. Oktober 2018 jeweils (auch) strafbare Handlungen gegen fremdes Vermögen (§§ 146, 147 Abs 2 StGB [US 5] bzw „Betrugsdelikte“ [US 6]), umfassten, die auf der gleichen schädlichen Neigung beruhen wie jene, die dem – außer dem Verhältnis des § 31 Abs 1 StGB stehenden – Urteil des Bezirksgerichts Prag vom 3. November 2005 wegen „widerrechtlicher Aneignung“ (US 6) zugrunde lagen.

[25] Die Wertung des fast vierjährigen Tatzeitraums als erschwerend (US 47) verstößt schon hinsichtlich des Schuldspruchs A nicht gegen das Doppelverwertungsverbot, weil dieser Zeitraum über das für die Subsumtion nach § 107b Abs 4 vierter Fall StGB idF BGBl I 2009/40 notwendige Ausmaß von einem Jahr weit hinausgeht (vgl RIS Justiz RS0132896). Hinzu kommt, dass sich auch der Tatzeitraum zu den Verbrechen der Vergewaltigung (B) über nahezu vier Jahre erstreckt.

[26] Die aggravierende Wertung der Verwirklichung mehrerer Qualifikationstatbestände stellt keine unzulässige Doppelverwertung dar (RIS Justiz RS0091058).

[27] Mit dem Hinweis auf die massive Verschärfung der Strafbarkeit bei Sexualdelikten und bei Gewalt in der Familie (US 48) hob das Erstgericht bei verständiger Lesart des Urteils generalpräventive Aspekte hervor, was aus Z 11 unbedenklich ist (RIS-Justiz RS0090592 [T1]). Im Übrigen wurde die Ausmessung der Strafe an der Obergrenze mit dem außergewöhnlich hohen Unrechtsgehalt der Tathandlungen sowie dem enorm hohen Schuldgehalt begründet und der Gedanke der Generalprävention bloß ergänzend erwähnt (US 48).

[28] Die vom Erstgericht vorgenommene Wertung der Handlung auf besonders grausame und in einer für das Opfer qualvollen Weise als aggravierend (US 47) entspricht dem Gesetz (§ 33 Abs 1 Z 6 StGB). Die sadistische Störung an sich wurde der Rüge zuwider vom Erstgericht nicht als erschwerend gewertet.

[29] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – gemäß § 285d Abs 1 StPO bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

[30] Mit Blick auf § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO sei hinzugefügt:

[31] Nach dem Urteilssachverhalt erfüllen die Taten laut Schuldspruch A 10 die Tatbestandsmerkmale der auf „wiederholt[e]“ Begehung von Straftaten nach dem 10. Abschnitt des StGB „im Rahmen einer fortgesetzten Gewaltausübung“ abstellenden Qualifikation des § 107b StGB (Abs 4 zweiter Fall idF BGBl I 2009/40 und Abs 3a Z 3 idgF) und des § 202 Abs 1 StGB, teils überdies des § 202 Abs 2 (erster und) vierter Fall StGB (idF vor BGBl I 2013/116 und idgF), sowohl in der zur Tatzeit als auch in der zum Zeitpunkt der Urteilsfällung in erster Instanz geltenden Gesetzesfassung. Dennoch hat sie das Erstgericht keinem dieser Tatbestände subsumiert (zur Scheinkonkurrenz des § 107b StGB mit strafbaren Handlungen des 10. Abschnitts des StGB siehe 11 Os 99/18w und 11 Os 125/19w; zum diesbezüglichen Günstigkeitsvergleich vgl 11 Os 12/21f; zur scheinbaren ungleichartigen Realkonkurrenz auf denselben Erfolg abstellender Erfolgsqualifikationen bei Opferidentität – hier § 202 Abs 2 erster Fall StGB [A 10] und § 201 Abs 2 erster Fall StGB [B] – siehe RIS Justiz RS0120828 [T5]). Hiervon ausgehend wirkt sich die – demnach verfehlte – Subsumtion aller vom Schuldspruch A umfassten Taten nach § 107b Abs 1, Abs 3 Z 2 und Abs 4 vierter Fall StGB idF BGBl I 2009/40 in concreto zum Vorteil des Angeklagten aus. Unter dem Aspekt amtswegiger Wahrnehmung hat dies daher auf sich zu beruhen.

[32] Die Entscheidung über die Berufung kommt dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).

[33] Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Rechtssätze
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