JudikaturJustiz13Os41/85

13Os41/85 – OGH Entscheidung

Entscheidung
25. April 1985

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 25. April 1985 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller (Berichterstatter), Dr. Schneider, Dr. Felzmann und Dr. Brustbauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Stöger als Schriftführerin in der Strafsache gegen Alex A wegen des Verbrechens wider die Volksgesundheit nach § 12 SuchtgiftG. und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde des Zollamts Wien als Finanzstrafbehörde erster Instanz gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengerichts vom 5. November 1984, GZ. 12 c Vr 11947/84-16, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalts Dr. Hauptmann, des Vertreters des Zollamts Wien, Dr. Mairinger, und des Verteidigers Dr. Bruckschwaiger, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, insoweit aufgehoben, als darin nicht über das dem Angeklagten allenfalls tateinheitlich zur Last fallende Finanzvergehen des versuchten Schmuggels nach §§ 13, 35 Abs. 1 FinStrG. abgesprochen wurde, und die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung in diesem Umfang an das Erstgericht zurückverwiesen.

Text

Gründe:

Der am 18. August 1941 geborene dänische Staatsbürger Alex Immanuel Austeen A wurde des Verbrechens wider die Volksgesundheit nach § 12 Abs. 1 SuchtgiftG., teils in der Entwicklungsstufe des Versuchs nach § 15 StGB, schuldig erkannt, weil er am 17. Oktober 1984 vorsätzlich den bestehenden Vorschriften zuwider 1181 Gramm Kokain, sohin ein Suchtgift in solchen Mengen, daß daraus in größerer Ausdehnung eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen entstehen konnte, auf dem Luftweg aus der Schweiz ausgeführt und nach Österreich einzuführen 'versucht' hat (richtig:

vollendete Einfuhr, siehe LSK. 1982/19, 1982/66 bei § 12 Abs. 1 SuchtgiftG.).

Rechtliche Beurteilung

Nach den Urteilsfeststellungen war der Angeklagte auf den Vorschlag einer Unbekannten eingegangen, einen Transport von Kokain aus der Schweiz nach Wien durchzuführen, wofür er als Entlohnung 80.000 dKr und einen geringen Teil der Kokainmenge für den Eigenbedarf erhalten sollte. Von dieser Unbekannten übernahm er am 17. Oktober 1984 in Zürich einen Koffer, in dessen Zwischenfach 1181 Gramm Kokain verborgen waren, und flog damit nach Wien. Zur vereinbarten Rückgabe des Koffers in Wien kam es aber nicht, weil das Rauschgift anläßlich der Paßkontrolle im Flughafen Schwechat beim Angeklagten entdeckt und sichergestellt wurde. Darnach wäre rechtsrichtig nicht nur die Ausfuhr des Suchtgifts aus der Schweiz, sondern auch dessen Einfuhr nach Österreich als mit dem überschreiten der Staatsgrenze auf dem Luftweg bereits vollendet zu beurteilen gewesen (SSt. 52/66 = LSK. 1982/66; ebenso LSK. 1982/19).

Nach der Aktenlage ist das Zollamt Wien als Finanzstrafbehörde erster Instanz am gegenständlichen, auf Grund einer Anzeige der Bundespolizeidirektion Schwechat eingeleiteten Strafverfahren bis über das Urteil des Landesgerichts hinaus nicht beteiligt gewesen. Dem Zollamt ist erst über Ersuchen eine Urteilsausfertigung zugestellt worden, worauf es fristgerecht eine auf § 281 Abs. 1 Z. 5 und 10 (sachlich weitergreifend auch Z. 9 lit. a) StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde erhob.

Diese Beschwerde ist zulässig, weil die besonderen Rechte der Finanzstrafbehörde erster Instanz nach § 200 FinStrG. im Verfahren wegen Straftaten, die in Tateinheit mit Finanzvergehen zusammentreffen (siehe §§ 195 Abs. 2, 200 Abs. 4 FinStrG.), nicht davon abhängig sind, ob die Finanzstrafbehörde schon bisher am Verfahren beteiligt war (SSt. 52/27

= EvBl. 1981/195 = JBl. 1981, 661 = LSK. 1981/127;

Dorazil-Harbich-Reichel-Kropfitsch, Komm. zum FinStrG., E. 6 und 7 zu § 200). Schon die Staatsanwaltschaft hatte es unterlassen, den Sachverhalt nach dem Finanzstrafgesetz zu würdigen. Ungeachtet dessen und des Unterbleibens der Ladung des Zollamts Wien zur Hauptverhandlung (gemäß § 200 Abs. 1 und 4 FinStrG. in Verbindung mit § 47 Abs. 2 Z. 3 StPO) ist das Zollamt gemäß § 200 Abs. 2 lit. a FinStrG. zur Bekämpfung des Urteils im gleichen Umfang wie der Staatsanwalt legitimiert.

Anders als im Fall der Entscheidung SSt. 52/38 (= EvBl. 1981/243

= RZ 1982/14 = LSK. 1981/160) ergibt sich vorliegend bereits aus der

in der Anzeige angeführten Menge der sichergestellten Droge der Verdacht eines in Tateinheit mit dem Verbrechen wider die Volksgesundheit nach § 12 Abs. 1

SuchtgiftG. begangenen Finanzvergehens des Schmuggels nach § 35 Abs. 1

FinStrG. Dessen Ahndung fiele im Hinblick auf die Höhe des strafbestimmenden Wertbetrags gemäß § 53 Abs. 1 lit. b, Abs. 2 lit. a FinStrG. in die Zuständigkeit der Gerichte. Freilich kann im Gegensatz zu der schon mit dem Einfliegen des Kokains in den Luftraum über dem Staatsgebiet (LSK. 1982/19) vollendeten Suchtgifteinfuhr (§ 12 SuchtgiftG.) der Schmuggel des Rauschgifts nur in der Entwicklungsstufe des Versuchs (§§ 13, 35 Abs. 1 FinStrG.) verwirklicht sein. Dies deshalb, weil der Schmuggel erst mit der Beendigung der Abfertigung durch das Zollamt vollendet ist:

Dorazil-Harbich-Reichel-Kropfitsch, Komm. zum FinStrG. Erläuterung Punkt 3

sowie E. 30 und 35 zu § 35.

Die Beschwerde schlägt durch, weil eine Urteilsfeststellung fehlt, welche die Annahme der Indealkonkurrenz des Verbrechens nach § 12 Abs. 1

SuchtgiftG. mit dem Finanzvergehen des versuchten Schmuggels (§§ 13, 35

Abs. 1 FinStrG.) zuließe (§ 281 Abs. 1 Z. 10 StPO). Für die Beurteilung dieser Frage reicht die anzeigekonforme Feststellung des Gewichts der beim Angeklagten vorgefundenen Kokainmenge mit 1181 Gramm nicht aus; denn aus dieser ergibt sich zwar auf Grund des Zolltarifs (Anm. 12 b zu Kap. 29) ein auf das Schmuggelgut entfallender Gewichtszoll von 118.100 S, nicht aber die Höhe der weiters verkürzten Eingangsabgaben, nämlich der Einfuhrumsatzsteuer und des Außenhandelsförderungsbeitrags. Für die Bemessung der angeführten Steuer ist mangels Nachweisbarkeit des gemäß § 5 Abs. 2 UStG. 1972

grundsätzlich maßgebenden Entgelts der Zollwert heranzuziehen (§ 5 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 1 UStG. 1972). Dieser ist nach § 2 Abs. 2 WertzollG.

1980 primär der Kaufpreis der zu bewertenden Ware; wenn aber ein Kaufpreis (§ 3 WertzollG. 1980) nicht festgestellt werden kann, ist der Zollwert in der Reihenfolge der §§ 4 bis 7 WertzollG. 1980 zu ermitteln (§ 2 Abs. 3 leg. cit.). Im Fall der Undurchführbarkeit auch dieser Ermittlungsmethoden sind gemäß § 184 Abs. 1 BAO. in Verbindung mit § 47 Abs. 3 ZollG. und § 8 WertzollG. 1980 die Grundlagen für die Abgabenerhebung zu schätzen (EvBl. 1982/122). Der Außenhandelsförderungsbeitrag ist auf der Grundlage des § 3 AußenhandelsförderungsbeitragsG. (Wiederverlautbarung BGBl. Nr. 49/1984) und der Verordnung des Bundesministers für Finanzen BGBl. Nr. 586/1982 mit drei Promille des Werts der eingeführten Ware zu errechnen; bei Suchtmitteln ist hier ein Rückgriff auf §§ 3 ff. WertzollG. 1980, allenfalls auf § 184 Abs. 1 BAO. (§ 47 Abs. 3 ZollG.) die Regel.

Konstatierungen, die eine Bewertung des sichergestellten Kokains nach diesen Grundsätzen ermöglichten, hat der Schöffensenat nicht getroffen. Sie waren aber gemäß §§ 262, 267 StPO geboten, zumal in der Hauptverhandlung weitere Indizien dafür hervorgekommen sind, daß die Summe der Eingangsabgaben (Gewichtszoll, Einfuhrumsatzsteuer, Außenhandelsförderungsbeitrag) die für die gerichtliche Zuständigkeit (§ 53 Abs. 2 lit. a FinStrG.) maßgebende Wertgrenze von 200.000 S überstiegen habe. Im besonderen ist - über die Gewichtsangaben der (lt. S. 73 verlesenen) Anzeige hinaus - in diesem Zusammenhang auf die Verantwortung des Angeklagten betreffend den in Dänemark für Kokain erzielbaren Grammpreis von 1.000 dKr hinzuweisen (S. 73). Mit Recht hebt das Zollamt in seiner Beschwerde zudem hervor, daß die Höhe der für den Transport vereinbarten Entlohnung von 80.000 dKr (S. 72) ebenfalls auf einen außerordentlich hohen Wert der Schmuggelware und damit - bei Berücksichtigung des Umsatzsteuersatzes von 20 Prozent der Bemessungsgrundlage und des Satzes von drei Promille des Werts der eingeführten Ware für den Außenhandelsförderungsbeitrag (BGBl. Nr. 586/1982) - auch auf eine entsprechende Höhe hierauf entfallender Eingangsabgaben schließen läßt.

Unter § 281 Abs. 1 Z. 5 StPO releviert die Beschwerdeführerin Feststellungsmängel betreffend die Gerichtskompetenz und macht derart - über die Subsumtionsrüge (Z. 10) hinausgreifend - der Sache nach eine Nichtigkeit gemäß § 281 Abs. 1 Z. 9 lit. a StPO geltend, so zwar, daß durch den Ausspruch über die Frage, ob die dem Angeklagten zur Last fallende Tat (gemeint: bei vollständiger Beurteilung, also auch punkto § 35 FinStrG.) eine zur Zuständigkeit der Gerichte gehörige strafbare Handlung begründe, das Gesetz unrichtig angewendet wurde. Um Wiederholungen zu vermeiden, kann hiezu auf das oben Gesagte verwiesen werden.

Die Anordnung eines weiteren Rechtsgangs, der die Tatbestandsfeststellungen gemäß §§ 13, 35 Abs. 1 FinStrG. (namentlich die Ermittlung der Bemessungsgrundlagen der Einfuhrumsatzsteuer sowie des Außenhandelsförderungsbeitrags) zum Gegenstand haben wird, erweist sich zusammenfassend als unvermeidbar.

Rechtssätze
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