JudikaturJustiz13Os31/12a

13Os31/12a – OGH Entscheidung

Entscheidung
30. August 2012

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 30. August 2012 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Temper als Schriftführerin in der Strafsache gegen Peter T***** wegen des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 und Abs 2 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 6. Dezember 2011, GZ 28 Hv 98/10w 109, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde sowie aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch 2, in der Subsumtion nach § 156 Abs 2 StGB, in der zu 1 und 2 gebildeten Subsumtionseinheit sowie demzufolge auch im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Innsbruck verwiesen.

Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen.

Mit ihren Berufungen werden der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf die Aufhebung des Strafausspruchs verwiesen.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen rechtskräftigen Freispruch enthält, wurde Peter T***** des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 und Abs 2 StGB (zu ergänzen) iVm § 161 Abs 1 erster Satz StGB schuldig erkannt.

Danach hat er in P***** und an anderen Orten als faktischer Geschäftsführer der C***** GmbH Bestandteile des Gesellschaftsvermögens „beiseite geschafft bzw. nicht bestehende Verbindlichkeiten vorgeschützt oder anerkannt oder sonst das Gesellschaftsvermögen verwirklicht bzw. scheinbar verringert“ und dadurch die Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger oder wenigstens eines von ihnen um einen insgesamt 50.000 Euro übersteigenden Betrag vereitelt oder geschmälert, nämlich

(1) vom Jänner 2007 bis zum August 2008, indem er aus dem Gesellschaftsvermögen Zahlungen von rund 470.000 Euro für die Gründung und den Aufbau eines in Brasilien ansässigen Unternehmens bestritt, und

(2) vom Juni 2007 bis zum August 2008 im einverständlichen Zusammenwirken mit der abgesondert verfolgten handelsrechtlichen Geschäftsführerin Carla Mirian T*****, indem sie

a) „private Aufwendungen, wie Telefonkosten, Versicherungen, Stromkosten und Einrichtungskosten im Zusammenhang mit der privaten Benützung“ einer Immobilie der C***** GmbH über ein Verrechnungskonto „bestritten“ und

b) den mit der C***** GmbH für private Nutzung einer in deren Eigentum stehenden Immobilie (2/a) vereinbarten Mietzins in der Gesamthöhe von 14.300 Euro „nicht beglichen, sondern lediglich auf dem Verrechnungskonto 2555 verbuchten“.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 5, 9 lit a, 10 und 11 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ist teilweise im Recht.

Betrügerische Krida verlangt die wirkliche oder die scheinbare Verringerung des Vermögens des Täters oder (in Fällen des § 161 Abs 1 StGB) des vom Täter geleiteten Unternehmens zum Nachteil wenigstens eines mehrerer Gläubiger, wobei Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung keine Tatbestandsmerkmale des § 156 Abs 1 StGB sind ( Kirchbacher in WK² § 156 Rz 1, 5b, 6).

Die (auf den Anklagevorwurf, von dem der Beschwerdeführer freigesprochen wurde, bezogenen) Ausführungen des Sachverständigen Mag. G***** zur Höhe des Eigenkapitals und zur Frage der insolvenzrechtlichen Überschuldung betrafen daher hinsichtlich des Schuldspruchs keine entscheidenden Tatsachen und waren somit entgegen der Mängelrüge (Z 5) auch nicht erörterungsbedürftig im Sinn des § 281 Abs 1 Z 5 zweiter Fall StPO.

Ausgehend von den tatrichterlichen Feststellungen, wonach die C***** GmbH während des gesamten Tatzeitraums Schuldnerin mehrerer Gläubiger war, der Angeklagte als faktischer Geschäftsführer dem Unternehmensvermögen (weit) mehr als 400.000 Euro (ohne Gegenwert) entzog und die Unternehmensgläubiger im Konkurs eine Quote von nur rund 13 % erhielten (US 11 und 12), bedurften auch die Darlegungen des Sachverständigen, nach denen während des Tatzeitraums Gläubigerforderungen beglichen worden, Umsätze erzielt worden und Zahlungen eingegangen gewesen waren, unter dem Aspekt der Urteilsvollständigkeit keiner Erörterung.

Wenngleich die Beschwerde mit Recht darauf hinweist, dass die Passage des Protokolls über die Hauptverhandlung, wonach „das Wesentliche“ der Hv Akten und bestimmter Beiakten vorgetragen (§ 252 Abs 2a StPO) wurde (ON 108 S 33), den genauen Inhalt des Vortrags nicht konkretisiert, scheitert die aus Z 5 vierter Fall des § 281 Abs 1 StPO vorgetragene Kritik, das Protokoll lasse nicht erkennen, welche Beweismittel in der Hauptverhandlung vorgekommen sind, am Gebot deutlicher und bestimmter Bezeichnung nach § 285a Z 2 StPO, weil aus dem herangezogenen Nichtigkeitsgrund nur gerügt werden kann, dass ein bestimmtes Beweismittel nicht im Sinn des § 258 Abs 1 StPO vorgekommen ist. Auch der Einwand, aus der beanstandeten Formulierung des Protokolls sei nicht ersichtlich, ob bestimmte Beweismittel in der Hauptverhandlung vorgekommen sind, geht somit ins Leere. Aus dem Blickwinkel der Nichtigkeitsgründe ist derart unklaren Protokollsinhalten vielmehr mittels durch § 281 Abs 1 Z 4 StPO geschützter Antragstellung im Sinn des § 271 Abs 1 zweiter Satz StPO zu begegnen (zum Ganzen Ratz , WK StPO § 281 Rz 462).

Indem die Rechtsrüge (Z 9 lit a) einwendet, das Erstgericht stelle nicht fest, ob ein Gläubigerschaden eingetreten sei, und demgemäß auch nicht, ob der Schaden die Qualifikationsgrenze des § 156 Abs 2 StGB (50.000 Euro) übersteige (insoweit der Sache nach Z 10), ohne von den Urteilskonstatierungen auszugehen, wonach der Beschwerdeführer dem Vermögen der C***** GmbH rund 480.000 Euro (ohne Gegenwert) entzog (US 12, 15), im Konkurs 62 Forderungen in einer Gesamthöhe von etwa 2,2 Mio Euro angemeldet wurden und die Konkursgläubiger eine Quote von ca 13 % erhielten (US 12), verfehlt sie den Bezugspunkt materieller Nichtigkeit ( Ratz , WK StPO § 281 Rz 581).

Ebensowenig orientiert sich die Behauptung, das Erstgericht habe nicht festgestellt, dass der vom Beschwerdeführer vorgenommenen Vermögensverringerung kein entsprechender Gegenwert gegenüberstand, am Urteilsinhalt (US 13 f). Verfahrensergebnisse, die Gegenteiliges indizieren würden und solcherart (aus Z 5 zweiter Fall) erörterungsbedürftig gewesen wären, werden nicht aufgezeigt.

Die Subsumtionsrüge (Z 10) lässt nicht erkennen, weshalb bei Verwirklichung des Tatbestands der betrügerischen Krida als leitender Angestellter (§ 74 Abs 3 StGB) die Subsumtion entgegen dem Wortlaut des § 161 Abs 1 erster Satz StGB nicht nach § 156 StGB vorzunehmen sein soll.

Der Vollständigkeit halber sei festgehalten, dass § 161 Abs 1 erster Satz StGB in solchen Fällen zwar im Urteilstenor anzuführen ist (§ 260 Abs 1 Z 4 StPO), ein diesbezüglicher Zitierungsmangel aber da er weder die Subsumtion betrifft noch unter die Enumeration des § 281 Abs 1 Z 3 StPO fällt keine Urteilsnichtigkeit begründet ( Kirchbacher in WK² § 161 Rz 21).

Mit dem Einwand, das Erstgericht habe keine Feststellungen zur Annahme, der Beschwerdeführer sei faktischer Geschäftsführer der C***** GmbH gewesen, getroffen (der Sache nach Z 9 lit a), übergeht die Beschwerde die (wenngleich disloziert im Rahmen der Beweiswürdigung getroffenen) Urteilskonstatierungen, wonach der Beschwerdeführer innerhalb der C***** GmbH alleine die Verkaufsentscheidungen getroffen, die Kundenakquisition durchgeführt und die Preisgestaltung vorgenommen, Kontovollmachten gehabt und gemeinsam mit seiner Ehefrau (der handelsrechtlichen Geschäftsführerin) das Personal eingestellt habe (US 17).

Im bisher behandelten Umfang war wie auch die Generalprokuratur zu Recht aufzeigt die Nichtigkeitsbeschwerde daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.

Zutreffend ist hingegen der unter dem Aspekt rechtsrichtiger Subsumtion (nominell Z 9 lit a, der Sache nach Z 10) erhobene Beschwerdeeinwand, die angefochtene Entscheidung enthalte keine Feststellungen zum auf die Herbeiführung eines die in Rede stehende Qualifikationsgrenze (50.000 Euro) übersteigenden Schadens gerichteten Vorsatz. § 156 Abs 2 StGB normiert nämlich eine sogenannte Deliktsqualifikation ( Kienapfel/Höpfel AT 13 Z 9 Rz 13), aus welchem Grund die Subsumtion nach dieser Bestimmung den auf das Überschreiten der 50.000 Euro Grenze gerichteten Tätervorsatz verlangt ( Rainer SbgK § 156 Rz 51).

Darüber hinaus überzeugte sich der Oberste Gerichtshof aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde, dass die tatrichterlichen Feststellungen den Schuldspruch 2 nicht tragen (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO):

Das Erstgericht geht diesbezüglich davon aus, dass die C***** GmbH im Jahr 2007 eine Liegenschaft erwarb, hinsichtlich welcher der Angeklagte und seine Ehefrau am 1. Juni 2007 einen unbefristeten Mietvertrag mit dem Unternehmen schlossen, wobei ein Nutzungsverhältnis von 60 % privat zu 40 % betrieblich vereinbart war (US 14, 21).

Der vereinbarte Mietzins von monatlich 1.100 Euro sei bis zum 30. Juni 2008 „auf ein weiteres Verrechnungskonto mit der Nr 2555 (verr. T***** Kosten Haus P*****) verbucht“ worden und seien auch „weitere private Aufwendungen für das Haus (wie für Telefon, Versicherungen, Strom, Einrichtungsgegenstände etc.) nicht vom Angeklagten und seiner Frau bezahlt, sondern ebenfalls auf das erwähnte Verrechnungskonto 2555 verbucht“ worden (US 15).

Worin in Bezug auf den Schuldspruch 2 die Tathandlungen des Angeklagten als faktischen Geschäftsführers der C***** GmbH gelegen sein sollen, wird aus diesen Feststellungen nicht klar. Allein die Verbuchung auf ein Verrechnungskonto bedeutet nämlich keine (tatsächliche oder scheinbare) Vermögensverringerung, was hinsichtlich der Mietzinsforderung des Unternehmens (2/b) keiner weiteren Erläuterung bedarf. Aber auch in Bezug auf die sonstigen Aufwendungen (2/a) stellt die Abwicklung über ein Verrechnungskonto insbesonders mit Blick auf die konstatierte Nutzungsteilung per se noch keine Vermögensminderung dar. Dass der Angeklagte in seiner Funktion als faktischer Geschäftsführer der C***** GmbH durch sein Vorgehen beispielsweise mit entsprechendem Schädigungsvorsatz eine von vornherein nicht vom Unternehmen geschuldete Leistung erbracht, auf eine Forderung verzichtet oder eine wirtschaftlich nicht gerechtfertigte Stundung gewährt hätte (vgl Kirchbacher in WK² § 156 Rz 11, 17), wird nicht festgestellt.

Somit waren in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur der Schuldspruch 2, die Subsumtion nach § 156 Abs 2 StGB sowie die zu 1 und 2 gebildete Subsumtionseinheit schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort aufzuheben (§§ 285e, 290 Abs 1 zweiter Satz StPO).

Dies hatte die Kassation des Strafausspruchs (einschließlich der Vorhaftanrechnung) zur Folge, aus welchem Grund auf die Sanktionsrüge (Z 11) nicht einzugehen war.

Mit ihren Berufungen waren der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung zu verweisen.

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Rechtssätze
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