JudikaturJustiz13Os168/03

13Os168/03 – OGH Entscheidung

Entscheidung
03. März 2004

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 3. März 2004 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal, Hon. Prof. Dr. Ratz, Hon. Prof. Dr. Schroll und Dr. Kirchbacher als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Loewe als Schriftführerin, in der Maßnahmensache gegen Goran B***** wegen Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Betroffenen gegen das Urteil des Landesgerichtes Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 25. September 2003, GZ 38 Hv 67/03x-47, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde die Unterbringung des Goran B***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB angeordnet.

Dem liegt zugrunde, dass Goran B***** am 18. Februar 2003 in Baden unter dem Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustandes (§ 11 StGB), der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad beruht,

I. dadurch, dass er den Polizeibeamten Rev. Insp. Harald K***** und Rev. Insp. Ewald H***** Faustschläge versetzte, Beamte mit Gewalt an einer Amtshandlung, nämlich seiner Festnahme zu hindern versuchte;

II. durch die unter Punkt I. beschriebenen Tathandlungen andere vorsätzlich am Körper verletzt, und zwar

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf Z 4, 5, 9 lit a sowie inhaltlich auch Z 11 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Betroffenen, der jedoch keine Berechtigung zukommt. Die Verfahrensrüge (Z 4) wendet sich gegen die Abweisung des Antrages auf Beiziehung eines zweiten Sachverständigen aus dem Gebiet der Psychiatrie zum Beweise dafür, dass beim Betroffenen die Voraussetzungen nach § 21 Abs 1 StGB nicht vorliegen würden. Dieser Antrag wurde damit begründet, "dass sich die herangezogene Sachverständige darauf berufen hat, in ihrem Gutachten, dass Handlungen mit schweren Folgen seitens des Betroffenen zu befürchten wären, ohne dass das Gutachten, weder die schriftlich erstatteten, noch die in der Hauptverhandlung erstatteten Gutachten, zur Aufklärung hinreichend begründen, worauf sich diese Annahme der Sachverständigen begründen soll".

Die Beurteilung von Prognosetaten als solche mit "schweren Folgen" ist eine nicht vom Sachverständigen, sondern vom Gericht zu lösende Rechtsfrage (13 Os 153/00 uva), worauf übrigens bereits die Sachverständige den Verteidiger in der Hauptverhandlung hingewiesen hat (S 477, 479/I).

Weitwendig und Unvollständigkeit der Gründe behauptend zieht die Mängelrüge (Z 5) unter isolierter Betrachtung teils sinnverkehrend (insbesondere zum Sachverständigengutachten) aus dem Zusammenhang gerissener Angaben des Betroffenen, von Zeugen und der Sachverständigen in Zweifel, dass die Verletzungen der Zeugen K***** und H***** durch den Betroffenen verursacht worden seien, und bestreitet die Richtigkeit der Feststellung zu erwartender "äquivalenter" Handlungen, indem sie mit gleicher Methode das Übergehen wesentlicher Aussagen der Sachverständigen aus dem Fachgebiet der Psychiatrie behauptet.

Solcherart werden jedoch keine Begründungsmängel aufgezeigt, sondern wird, wie die Rüge in ihrer Diktion unschwer erkennen lässt ("... wäre zumindest im Zweifelsfalle davon auszugehen gewesen ..." S 7 und 8 der Rechtsmittelschrift, S 89, 91/II) auf eine im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässige Art, nämlich wie mit einer Schuldberufung, die tatrichterliche Beweiswürdigung angegriffen. Die Einwände gegen die Gefährlichkeit betreffen keine für die Subsumtion und die Sanktionsbefugnis entscheidende Tatsache. Indem die Rechtsrüge (Z 9 lit a) sich nicht am Urteilssachverhalt orientiert, vielmehr diesen ausdrücklich bestreitet, entbehrt sie zur Gänze einer prozessordnungsgemäßen Ausführung.

Die weitere Rüge vermisst Feststellungen zur tataktuellen Zurechnungsunfähigkeit bzw der fehlenden Diskretions- bzw Dispositionsfähigkeit, wobei jedoch das Rechtsmittel zum Nachteil des Betroffenen ausgeführt ist, weil der Wegfall der Zurechnungsunfähigkeit zur (zusätzlichen) Bestrafung führen würde. Denn die Zurechnungsunfähigkeit ist keine Sanktionsvoraussetzung, sondern betrifft die Schuldfrage (Ratz, WK2 Vorbem §§ 21-25 Rz 9). Schließlich lässt die Beschwerde, soweit sie behauptet, die Feststellungen würden die rechtliche Annahme einer Prognosetat mit schweren Folgen nicht zulassen, einmal mehr eine Ausrichtung an den Prozessgesetzen vermissen, weil sie teils unter Bezugnahme auf die prozessordnungwidrig ausgeführte Mängelrüge (I/2/c der Rechtsmittelschrift) wieder die Richtigkeit die Konstatierungen bestreitet, teils eine andere als die zutreffend gelöste rechtliche Beurteilung abzuleiten unterlässt.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war demnach schon bei der nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen, sodass über die Berufung des Betroffenen das Oberlandesgericht Wien zu entscheiden hat (§§ 285d, 285i StPO).