JudikaturJustiz13Os163/99

13Os163/99 – OGH Entscheidung

Entscheidung
12. Januar 2000

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 12. Jänner 2000 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal, Dr. Schmucker, Dr. Habl und Dr. Ratz als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Handler als Schriftführer, in der Strafsache gegen Freddy D***** wegen des Vergehens der mittelbaren unrichtigen Beurkundung oder Beglaubigung nach § 228 Abs 1 StGB über die vom Generalprokurator erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen das Urteil des Bezirksgerichtes Linz vom 9. Dezember 1998, GZ 19 U 766/98x-4, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Tiegs, jedoch in Abwesenheit des Verurteilten zu Recht erkannt:

Spruch

Die Strafverfügung des Bezirksgerichtes Linz vom 9. Dezember 1998, GZ 19 U 766/98x-4, mit der Freddy D***** des Vergehens der mittelbaren unrichtigen Beurkundung oder Beglaubigung schuldig erkannt wurde, verletzt das Gesetz in der Bestimmung des § 228 Abs 1 StGB.

Gemäß § 292 letzter Satz StPO wird diese Strafverfügung aufgehoben und in der Sache selbst erkannt:

Freddy D***** wird vom Antrag auf Bestrafung, er habe am 2. Oktober 1998 in Linz bei der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land durch Vorlage eines auf Grund verfälschter Papiere beim Führerscheinamt der Stadt Zandhoven (Belgien) unrechtmäßig ausgestellten belgischen Führerscheins bei der Führerscheinstelle der Bezirkshauptmannschaft bewirkt, dass gutgläubig eine österreichische Lenkberechtigung für Fahrzeuge der Führerscheingruppe B in einem österreichischen Führerschein, mithin einer inländischen öffentlichen Urkunde, unrichtig beurkundet wurde, wobei er mit dem Vorsatz handelte, dass die Urkunden im Rechtsverkehr zum Beweis des genannten Rechtes gebraucht werde, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Text

Gründe:

Mit (unbekämpft gebliebener) Strafverfügung des Bezirksgerichtes Linz vom 9. Dezember 1998, GZ 19 U 766/98x-4, wurde Freddy D***** des Vergehens der mittelbaren unrichtigen Beurkundung oder Beglaubigung nach § 228 Abs 1 StGB schuldig erkannt, der die im Spruch ersichtliche Tat zu Grunde lag.

Diese Verurteilung fußt auf einer Anzeige des Gendarmeriekommandos Traun vom 26. November 1998 (ON 2, insb S 45), aus der sich folgender Sachverhalt ergibt:

Freddy D*****, ein belgischer Staatsangehöriger, der bis dahin in Zandhoven (Belgien) wohnhaft gewesen war, verzog Anfang Juni 1985 nach Lüdenscheid (Deutschland). Im Jahr 1987 wechselte er dort seinen belgischen Führerschein mit der Nummer G796938, Klasse B, gegen einen deutschen. Auf Grund einer Verurteilung wegen Trunkenheit im Verkehr und wegen Körperverletzung in Tateinheit mit Beleidigung und mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte wurde ihm am 20. Februar 1996 vom Amtsgericht Lüdenscheid zu AZ 84 JS 457/95 (2/96) die (deutsche) Fahrerlaubnis entzogen und sein (deutscher) Führerschein eingezogen (S 51 ff).

Nachdem Freddy D***** am 11. Juni 1997 von Lüdenscheid wieder nach Belgien zurückgezogen war, gelang es ihm (nach einem fehlgeschlagenen Versuch), unter Verwendung gefälschter Urkunden (vgl S 65 bis 69), von der zuständigen Behörde in Zandhoven seinen belgischen Führerschein wieder zurückzuerhalten (S 45).

In der Folge zog der Genannte nach Österreich und legte am 2. Oktober 1998 in Linz bei der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land seinen (zu Unrecht wieder erhaltenen) belgischen Führerschein vor, um sich gemäß § 15 Abs 3 des Führerscheingesetzes (FSG) einen österreichischen Führerschein ausstellen zu lassen.

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 2. Oktober 1998, Zl VerkR20-5319-1998/LL/Mr wurde ihm die Lenkberechtigung für die Klasse B gemäß § 3 FSG erteilt (S 81 f) und ihm ein entsprechender Führerschein ausgestellt (S 79).

Die Strafverfügung des Bezirksgerichtes Linz steht - wie der Generalprokurator in seiner Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend aufzeigt - mit dem Gesetz nicht im Einklang:

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 228 Abs 1 StGB verantwortet eine mittelbare unrichtige Beurkundung, wer bewirkt, dass gutgläubig ein Recht, ein Rechtsverhältnis oder eine Tatsache in einer inländischen öffentlichen Urkunde unrichtig beurkundet wird, wenn er mit dem Vorsatz handelt, dass die Urkunde im Rechtsverkehr zum Beweis des Rechtes, des Rechtsverhältnisses oder der Tatsache gebraucht werde. Der erwähnte Straftatbestand erfasst demnach die Herstellung unrichtiger Beweisurkunden (vgl 12 Os 172/77).

Gemäß § 1 Abs 4 FSG ist eine von einer zuständigen Behörde eines EWR-Staates ausgestellte Lenkberechtigung einer österreichischen Lenkberechtigung (§ 1 Abs 3 FSG) gleichgestellt. Der Besitzer einer in einem EWR-Staat erteilten Lenkberechtigung kann die Ausstellung eines neuen Führerscheines beantragen, wenn er seinen Hauptwohnsitz nach Österreich verlegt hat (§ 15 Abs 3 FSG). Gemäß § 13 Abs 1 FSG ist der Führerschein (lediglich) die Bestätigung über die von der Behörde erteilte Lenkberechtigung. Über deren Erteilung entscheidet die Behörde mit Bescheid.

Im konkreten Fall hat der Verurteilte durch seinen Antrag und die Vorlage seines (erschlichenen, aber zu diesem Zeitpunkt gültigen) belgischen Führerscheins die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land zur Durchführung eines Verfahrens gemäß § 15 Abs 3 FSG veranlasst, welches mit der Erteilung einer (österreichischen) Lenkberechtigung sowie der Ausstellung eines (österreichischen) Führerscheins endete.

Da (die mit Bescheid erteilte) österreichische Lenkberechtigung keine Beurkundung der Echtheit oder Gültigkeit der belgischen Lenkberechtigung darstellt und der österreichische Führerschein nur die Bestätigung über die von der österreichischen Behörde erteilte Lenkberechtigung ist, hätte der vorliegende Sachverhalt nicht dem Tatbestand des § 228 Abs 1 StGB unterstellt werden dürfen.

Freddy D***** ist aber in Österreich auch nach keiner anderen strafrechtlichen Bestimmung belangbar. Der Gebrauch des belgischen Führerscheines vor der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land zum Beweis eines Rechtes kann unter § 228 Abs 2 StGB nicht subsumiert werden, weil der belgische Führerschein keine inländische Urkunde ist. Die - auf welche Weise immer strafrechtlich qualifizierbare - Erschleichung der (Wieder )Erlangung des belgischen Führerscheines in Belgien muss schon deshalb (im Inland) straflos bleiben, weil es sich dabei um eine (nicht im § 64 StGB aufgezählte und demnach) in Österreich nicht strafbare Auslandstat eines Ausländers handelt.

Aber auch dem Tatbild des § 293 Abs 2 StGB lässt sich das Verhalten des Verurteilten nicht unterstellen, weil der zu Unrecht wieder erlangte und im Verwaltungsverfahren von der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land verwendete belgische Führerschein weder ein falsches noch ein verfälschtes Beweismittel war.

Das Bezirksgericht Linz hätte demnach Freddy D***** gemäß § 259 Z 3 StPO freisprechen müssen, was nunmehr in Anwendung des § 292 letzter Satz StPO nachzuholen war.