JudikaturJustiz13Os124/82

13Os124/82 – OGH Entscheidung

Entscheidung
16. September 1982

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Horak, Dr. Schneider und Dr. Hörburger als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Müller-Dachler als Schriftführerin in der Strafsache gegen Eva A wegen des Verbrechens der Tötung eines Kindes bei der Geburt nach § 79 StGB nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung über die Nichtigkeitsbeschwerden der Staatsanwaltschaft und der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengerichts vom 11.Juni 1982, GZ. 3 d Vr 4565/82-18, zu Recht erkannt:

Spruch

Beiden Nichtigkeitsbeschwerden wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und dem Schöffengericht aufgetragen, sich der Verhandlung und der Urteilsfällung zu unterziehen.

Text

Gründe:

Gegen die am 26.Oktober 1948 geborene Bedienerin Eva A wurde von der Staatsanwaltschaft Anklage wegen des Verbrechens der Tötung eines Kindes bei der Geburt nach § 79 StGB erhoben. Ihr wurde zur Last gelegt, am 1.Februar 1982 ein von ihr geborenes Kind während der Geburt vorsätzlich getötet zu haben, indem sie es in einen mit Wasser gefüllten Kübel fallen ließ.

Mit dem angefochtenen Urteil sprach das Schöffengericht gemäß § 261 StPO seine Nichtzuständigkeit ob Mordverdachts aus. Dagegen ergriffen sowohl die Angeklagte als auch - zu ihren Gunsten - die Staatsanwaltschaft, jeweils aus § 281 Abs. 1 Z. 6 StPO, Nichtigkeitsbeschwerden.

Das Delikt der Tötung eines Kindes bei der Geburt nach § 79 StGB stellt einen privilegierten Sonderfall des Mordes dar. Das Gesetz berücksichtigt hier den durch die Geburt gegebenen psychischen Ausnahmezustand der Täterin und nimmt diesen für die Zeit des Geburtsvorgangs selbst sowie für die Zeit nach der Geburt, solang die Täterin 'noch unter der Einwirkung des Geburtsvorgangs steht', an.

Nach der Auffassung des Schöffengerichts liegt keine der beiden Alternativen vor. Zum einen sei die Tötungshandlung nicht während der Geburt, sondern nach der Beendigung des - vom Einsetzen der Eröffnungswehen bis zum Austritt des Kindes aus dem Mutterleib währenden - eigentlichen Geburtsakts geschehen. Zum anderen sei ein nach der Geburt fortbestehender psychischer Ausnahmezustand der Angeklagten zu verneinen, weil diese den bereits im Dezember 1981 gefaßten Plan zur Tötung des Kindes konsequent und zielstrebig verwirklicht habe, indem sie einen Kübel, gefüllt mit Wasser und Urin, zum Bett gestellt, nach dem Einsetzen des Geburtsvorgangs den Kübel zwischen die Beine genommen und mit den Händen gegen den Oberbauch gedrückt habe, bis das Kind mit einem Ruck aus der Scheide geglitten und mit dem Kopf voran in den Kübel gefallen sei. Damit sei der Verdacht des Verbrechens des Mordes begründet.

Rechtliche Beurteilung

Nach den der Anklage zugrundeliegenden Tatsachen, von denen das Schöffengericht im übrigen bei der Prüfung der Verdachtslage selbst ausgeht und denen andere Verfahrensergebnisse nicht entgegenstehen, hat die Angeklagte im Zug des Geburtsvorgangs den bereitgestellten, mit Flüssigkeit gefüllten Kübel zwischen die Beine genommen und mit den Händen gegen den Oberbauch gedrückt, bis das Kind aus der Scheide glitt und mit dem Kopf voran in den Kübel stürzte. Damit hat aber die Angeklagte - wie die Staatsanwaltschaft in ihrer Beschwerde zutreffend ausführt - die Tötungshandlung gewissermaßen uno actu mit dem Austreten des Kindes aus dem Mutterleib und daher unzweifelhaft noch während der Geburt gesetzt.

Das Erstgericht übersieht des weiteren, daß in einem solchen Fall die Anwendbarkeit des § 79 StGB nicht dadurch ausgeschlossen wird, daß die Schwangere schon vor der Geburt die Tötung des Neugeborenen geplant und vorbereitet hat (Kienapfel BT. I RN. 96). Für den ein Unzuständigkeitsurteil tragenden Anschuldigungsbeweis in der Richtung des § 75 StGB reichen die Verdachtsmomente, auf die das Erstgericht verweist, nach dem Gesagten nicht aus. Deshalb war beiden Nichtigkeitsbeschwerden schon in nichtöffentlicher Sitzung gemäß § 285 e StPO Folge zu geben, das Unzuständigkeitsurteil aufzuheben und dem Schöffengericht aufzutragen (§ 288 Abs. 2 Z. 2 StPO), sich der Verhandlung und der Urteilsfällung zu unterziehen.