JudikaturJustiz12Os76/12m

12Os76/12m – OGH Entscheidung

Entscheidung
09. August 2012

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 9. August 2012 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger, Mag. Michel und Dr. Michel Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Angrosch als Schriftführerin in der Strafsache gegen Milan V***** und eine Angeklagte wegen des Verbrechens des gewerbsmäßig schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 erster und vierter Fall und Abs 3, 148 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Milan V***** sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Korneuburg als Schöffengericht vom 1. März 2012, GZ 612 Hv 8/11z 66, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten Milan V***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen auch einen in Rechtskraft erwachsenen Freispruch des Angeklagten sowie einen ebenfalls rechtskräftigen Schuldspruch der Marta V***** enthaltenden Urteil wurde Milan V***** des Verbrechens des gewerbsmäßig schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 (zu ergänzen: erster und vierter Fall) und Abs 3, 148 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.

Danach hat er in S***** und in N***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit dem abgesondert verfolgten Hannes W***** (§ 12 StGB) mit dem Vorsatz, durch das Verhalten der Getäuschten sich und Dritte unrechtmäßig zu bereichern, nachgenannte Personen durch Täuschung über Tatsachen, nämlich über die Rückzahlungswilligkeit und fähigkeit unter Verwendung falscher bzw verfälschter Urkunden oder Beweismittel zur Täuschung, zu Handlungen verleitet, die die genannten Unternehmen mit einem 50.000 Euro übersteigenden Betrag schädigten, und zwar

1. Angestellte der B*****, Filiale N*****, zur Gewährung und Auszahlung von Krediten;

a) am 16. Jänner 2007 gemeinsam mit einer weiteren, unausgeforscht gebliebenen Person unter Verwendung des Namens Jozef B***** durch Vorlage einer falschen Bezugsbestätigung, einer inhaltlich unrichtigen Selbstauskunft und eines falschen Auszugs aus dem ZMR über einen Betrag von 22.000 Euro;

b) am 4. Jänner 2007 gemeinsam mit einer weiteren, unausgeforscht gebliebenen Person unter Verwendung des Namens Hans Joachim Wi***** durch Vorlage eines gefälschten deutschen Personalausweises, einer gefälschten Lohnbestätigung und einer inhaltlich unrichtigen Selbstauskunft über einen Betrag von 25.000 Euro;

2. Milan V***** mit dem abgesondert verfolgten Stefan K***** als Mittäter (§ 12 StGB) am 24. Februar 2006 unter Verwendung einer inhaltlich unrichtigen Lohnbestätigung Angestellte der O*****, Filiale S*****, über einen Betrag von 15.000 Euro;

3. gemeinsam mit Marta V***** Angestellte der B*****, Filiale N*****, am 21. Dezember 2006 unter Verwendung des Namens Nora O***** und unter Vorlage einer falschen Lohnbestätigung, einer inhaltlich unrichtigen Selbstauskunft, einer falschen Auskunft aus dem ZMR, einer falschen Anmeldebescheinigung für EWR Bürgerinnen sowie eines gefälschten slowakischen Reisepasses über einen Betrag von 20.000 Euro.

Dagegen richtet sich die auf Z 5, 5a und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Milan V*****.

Dieser meldete nach der Hauptverhandlung durch den gewählten Verteidiger Rechtsanwalt Dr. Robert L***** Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung an, ohne die Nichtigkeitsgründe deutlich und bestimmt zu bezeichnen und Tatumstände, die einen Nichtigkeitsgrund bilden sollten, ausdrücklich oder durch deutliche Hinweise anzuführen (ON 69).

Die schriftliche Urteilsausfertigung wurde seinem Wahlverteidiger samt Protokoll über die Hauptverhandlung am 16. April 2012 zugestellt (siehe Verfügung und Zustellnachweis S 21 in ON 66).

Mit Schreiben vom 24. April 2012 teilte der Wahlverteidiger dem Gericht die Vollmachtsauflösung „mit sofortiger Wirkung“ mit (ON 72), woraufhin von Amts wegen am 25. April 2012 vom Vorsitzenden des Schöffengerichts für den Angeklagten die Beigebung eines Verteidigers nach § 61 Abs 2 StPO beschlossen wurde (ON 73), den die Niederösterreichische Rechtsanwaltskammer mit Bescheid vom selben Tag bestellte (ON 74).

Am 23. Mai 2012 führte der Verfahrenshilfeverteidiger im elektronischen Rechtsverkehr bei Gericht Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung aus (ON 75).

Rechtliche Beurteilung

Die vierwöchige Frist zur Ausführung der Rechtsmittel, die nach Zustellung der Urteilsausfertigung somit am 17. April 2012 begann (§§ 285 Abs 1, 294 Abs 2 StPO), hatte jedoch bereits mit Ablauf des 15. Mai 2012 geendet (§ 84 Abs 1 StPO).

Wurde durch eine Zustellung an den Verteidiger eine Frist ausgelöst, so wird deren Lauf nicht dadurch unterbrochen oder gehemmt, dass die Vollmacht des Verteidigers zurückgelegt oder gekündigt wird. In diesem Fall hat der Verteidiger weiterhin die Interessen des Beschuldigten zu wahren und innerhalb der Frist erforderliche Prozesshandlungen nötigenfalls vorzunehmen, es sei denn, der Beschuldigte oder Angeklagte hätte ihm dies ausdrücklich untersagt (§ 63 Abs 2 StPO). Im vorliegenden Fall hätte der gewählte Verteidiger daher ungeachtet der Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers für das weitere Verfahren bis spätestens 15. Mai 2012 eine Nichtigkeitsbeschwerde ausführen müssen. Die vom Verfahrenshelfer am 23. Mai 2012 eingebrachte Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde erweist sich daher als verspätet (RIS Justiz RS0116182, RS0111615). Auf die dortigen im Übrigen auch inhaltlich nicht erfolgversprechenden Argumente war daher nicht weiter einzugehen (vgl RIS Justiz RS0100168).

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war somit bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO; vgl RIS Justiz RS0100494).

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 390a Abs 1 StPO.

Rechtssätze
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