JudikaturJustiz12Os6/18a

12Os6/18a – OGH Entscheidung

Entscheidung
15. Februar 2018

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 15. Februar 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé, Dr. Oshidari, Dr. Michel Kwapinski und Dr. Brenner in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Ettel als Schriftführerin in der Strafsache gegen Ivana M***** wegen des Verbrechens der schweren Erpressung nach §§ 144 Abs 1, 145 Abs 2 Z 2 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 21. Juli 2017, GZ 55 Hv 43/17w 14, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Ivana M***** gemäß § 259 Z 3 StPO von dem gegen sie erhobenen Vorwurf freigesprochen, sie habe „im Zeitraum von September 2013 bis Ende Juni 2014 in W***** wiederholt mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten des Genötigten unrechtmäßig zu bereichern, Jugoslav N***** mittels zahlreicher Telefonate und persönlicher Aufforderungen, deren jeweiliger Inhalt war, dass sie seiner Ehefrau von der Affäre und den zwei außerehelichen Kindern mit ihr erzählen werde, wenn er ihr nicht pro Kind einen Geldbetrag in Höhe von € 100.000,- zahle, somit durch längere Zeit hindurch fortgesetzte gefährliche Drohungen mit der Vernichtung der Ehre zu Handlungen, nämlich zur Übergabe von insgesamt € 47.000,-, die diesen am Vermögen schädigten, genötigt“.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4 und Z 5 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft.

Die Staatsanwaltschaft beantragte in der Hauptverhandlung am 21. Juli 2017 die Vernehmung des Rechtsanwalts Dr. Bernhard E***** (den Jugoslav N***** von seiner Verschwiegenheitspflicht [§ 9 Abs 2 RAO] entbunden hätte [ON 13 S 20 f]) „zum Beweis dafür, dass die Angeklagte die angeklagten Taten begangen hat“. Dieser Beweis sei „geeignet“, weil aufgrund der in der Hauptverhandlung „vorgelegten Anträge beziehungsweise Schriftsätze des Opfers B***** im Unterhaltsverfahren vor dem Bezirksgericht Favoriten der Eindruck entstehen könnte, das Opfer B***** habe erst als letzte Strategie die Erpressung durch die Angeklagte erfunden“. Der Zeuge sei „als zeitlich erster anwaltlicher Vertreter des Opfers im Unterhaltsverfahren aufgetreten und hat daher direkte Wahrnehmungen dazu, ob das Opfer beziehungsweise wann das Opfer ihm von dieser Erpressung erzählt hat“ (ON 13 S 35). Der Sache nach zielte der Antrag auf die Durchführung eines Kontrollbeweises für die Glaubwürdigkeit des Zeugen Jugoslav N***** ab.

Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider erfolgte die Abweisung dieses Antrags (ON 13 S 36) schon deshalb zu Recht, weil die Staatsanwaltschaft nicht darlegte, weshalb die Durchführung des begehrten Zeugenbeweises das behauptete Ergebnis hätte erwarten lassen. Solcherart zielte der Antrag bloß auf eine – im Hauptverfahren auch der Staatsanwaltschaft verwehrte – Erkundungsbeweisführung (RIS-Justiz RS0118444; Ratz , WK-StPO § 281 Rz 327, 330 f) ab.

Im Übrigen bleibt anzumerken, dass es im schöffengerichtlichen Verfahren, in dem die Beweiswürdigung der Tatrichter nur eingeschränkt angefochten werden kann, geboten ist, in Strafverfahren, in welchen – wie hier – nur ein einziger Tatzeuge vorhanden ist, die gegen und (hier auch) für die Glaubwürdigkeit dieser Person vorgebrachten Argumente besonders sorgfältig zu prüfen und auch indirekte, die Glaubwürdigkeit des Zeugen betreffende Beweise aufzunehmen (vgl RIS-Justiz RS0096368 [T14]). Dabei ist allerdings darauf abzustellen, ob der unter Beweis zu stellende tatsächliche Umstand mit Blick auf die dem Schöffengericht im Antragszeitpunkt bereits vorliegenden Beweisergebnisse in der Lage ist, die zur Feststellung entscheidender Tatsachen anzustellende Beweiswürdigung maßgeblich zu beeinflussen. Es muss also bei Anlegung eines realitätsbezogenen Maßstabs eine erfolgversprechende Bereicherung der zur Wahrheitsfindung führenden Prämissen zu erwarten sein (RIS-Justiz RS0096368 [T15]; vgl Ratz , WK StPO § 281 Rz 341).

Diese Qualität kommt dem von der Nichtigkeitswerberin einzig angeführten Beweisthema, dass Rechtsanwalt Dr. Bernhard E***** „direkte Wahrnehmungen dazu [hat], ob das Opfer beziehungsweise wann das Opfer ihm von dieser Erpressung erzählt hat“, aber nicht zu.

Die in der Beschwerde nachgetragenen Argumente zur Antragsfundierung sind aufgrund des Neuerungsverbots unbeachtlich (RIS-Justiz RS0099618; Ratz , WK-StPO § 281 Rz 325).

Der Erledigung der Mängelrüge (Z 5) ist voranzustellen:

Die Tatrichter gründeten den Freispruch darauf, dass nicht festgestellt werden könne, die Angeklagte habe Jugoslav N***** im Zeitraum von September 2013 bis Ende Juni 2014 wiederholt mittels zahlreicher Telefonate und persönlicher Aufforderungen, deren jeweiliger Inhalt war, dass sie seiner Ehefrau von der Affäre und den zwei außerehelichen Kindern mit ihr erzählen werde, wenn er ihr nicht pro Kind einen Geldbetrag in Höhe von 100.000 Euro zahle, zur Übergabe von insgesamt 47.000 Euro die diesen am Vermögen schädigten, genötigt (US 3 f).

Gründet das Gericht den Freispruch auf die Annahme, dass eine Tatbestandsvoraussetzung nicht erfüllt ist, und trifft es demnach keine Aussage zu sämtlichen Tatbestandselementen, reicht es für den Erfolg der Nichtigkeitsbeschwerde nicht hin, einen Begründungsmangel bloß in Ansehung der getroffenen Urteilsannahme aufzuzeigen, wobei zur deutlichen und bestimmten Bezeichnung eines Begründungsmangels konkret auf jene Feststellungen Bezug genommen werden muss, auf die sich dieser beziehen soll (RIS-Justiz RS0127315 [T4]). Vielmehr ist hinsichtlich jener Tatbestandsmerkmale, zu denen das Urteil keine Konstatierungen enthält, unter Berufung auf derartige Feststellungen indizierende und in der Hauptverhandlung vorgekommene Verfahrensergebnisse ein Feststellungsmangel (Z 9 lit a) geltend zu machen; fehlen die dafür nötigen Indizien, bedarf es der Geltendmachung darauf bezogener Anträge aus § 281 Abs 1 Z 4 StPO, wurden die fehlenden Tatbestandsmerkmale verneint, ist insoweit ein Begründungsmangel geltend zu machen (RIS-Justiz RS0127315 ).

An diesen Anfechtungsvoraussetzungen scheitert die Beschwerde, die sich gestützt auf § 281 Abs 1 Z 5 zweiter und fünfter Fall StPO (bloß) gegen den Ausspruch wendet, wonach „weder das Opfer, noch die Angeklagte von einer Zahlung in Höhe von € 2.000,-- im Juni 2014 berichteten“ (US 6).

Damit spricht die Mängelrüge von vornherein schon mangels Geltendmachung eines Feststellungsmangels zur subjektiven Tatseite keine entscheidenden Tatsachen an (RIS-Justiz RS0130509 ), sodass sich ein näheres Eingehen auf die Beschwerdeeinwände erübrigt.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur bereits in nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Rechtssätze
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