JudikaturJustiz12Os37/92

12Os37/92 – OGH Entscheidung

Entscheidung
24. September 1992

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 24.September 1992 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Müller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Horak, Hon.Prof. Dr.Brustbauer, Dr.Rzeszut und Dr.Markel als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Hetlinger als Schriftführerin in der Strafsache gegen Hilde S***** und Helmut D***** wegen des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 1 und Abs. 2 lit a FinStrG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten Hilde S***** sowie die Berufung des Angeklagten Helmut D***** gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 17.Dezember 1991, GZ 6 a Vr 226/91-21, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, des Generalanwaltes Dr.Wasserbauer, der Angeklagten Hilde S***** und Helmut D***** und der Verteidiger Dr.Lassmann und Dr.Leutgeb, jedoch in Abwesenheit eines Vertreters des Finanzamtes für Körperschaften, zu Recht erkannt:

Spruch

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde der Hilde S***** sowie aus Anlaß ihrer Nichtigkeitsbeschwerde gemäß § 290 Abs. 1 StPO auch hinsichtlich des Helmut D***** wird das angefochtene Urteil aufgehoben und gemäß § 288 Abs. 2 Z 3 StPO in der Sache selbst erkannt:

Hilde S***** und Helmut D***** werden von der Anklage, sie haben im Bereich des Finanzamtes für Körperschaften, Helmut D***** als Geschäftsführer, Hilde S***** als kaufmännische Angestellte der T***** GesmbH, im bewußten und gewollten Zusammenwirken vorsätzlich

I. teilweise durch Nichteinreichung, teilweise durch verspätete Einreichung der selbst zu berechnenden Umsatzsteuervoranmeldungen, somit unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von dem § 21 des UStG entsprechenden Voranmeldungen eine in teilweiser Nichtentrichtung (Nichtabfuhr) gelegene Verkürzung von Umsatzsteuer (Vorauszahlungen oder Gutschriften) bewirkt und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiß gehalten, und zwar

1./ im Zeitraum Jänner, Februar, April bis Juli 1982 und September bis Dezember 1982

S 397.197;

2./ im Zeitraum Jänner bis September 1982 (richtig wohl: 1983) sowie Oktober 1983 und November 1983

S 655.600;

Gesamtsumme S 1,052.707;

II. unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Offenlegungs- und Wahrheitspflicht, nämlich durch Unterlassung der bescheidmäßig aufgetragenen Meldung lohnabhängiger Abgaben, eine Verkürzung von Abgaben in der Gesamtsumme von 402.195 S bewirkt, und zwar:

1./ für den Zeitraum Jänner bis Dezember 1982 an Lohnsteuer S 225.688,

an Dienstgeberbeitrag S 73.555,

an Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag S 2.087;

2./ für die Monate April bis Dezember 1983 an Lohnsteuer S 61.151,

an Dienstgeberbeitrag S 38.842,

an Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag S 872,

Gesamtsumme: S 402.195

und sie haben hiedurch

zu I. das Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 2 lit a FinstrG,

zu II. das Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 1 FinStrG begangen,

gemäß § 214 FinStrG freigesprochen.

Die Angeklagten werden mit ihren Berufungen auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Hilde S***** und Helmut D***** der im Spruch beschriebenen Finanzvergehen schuldig erkannt.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen dieses Urteil von der Angeklagten Hilde S***** aus dem Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z 9 lit b StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde erweist sich als begründet.

Gemäß § 202 Abs. 6 FinStrG können gerichtliche Vorerhebungen wegen eines Finanzvergehens nach rechtskräftiger Ablehnung der Zuständigkeit nur geführt oder ein Strafverfahren nur eingeleitet werden, wenn die Wiederaufnahme nach § 220 leg.cit. bewilligt worden ist.

Gegen Hilde S***** und Helmut D***** wurde schon zum AZ 26 a Vr 9622/88 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien wegen des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 2 lit a FinStrG ermittelt, wobei das Verfahren den mit dem Punkt I. des nunmehrigen Spruches identen Vorwurf betraf. Mit rechtskräftigem Beschluß der Ratskammer des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 23. August 1989 (GZ 26 a Vr 9622/88-12) wurde gemäß § 202 Abs. 1 FinStrG die gerichtliche Zuständigkeit für die Ahndung dieser Tat als Finanzvergehen abgelehnt.

Demgegenüber gelangte der daran gebundene (s § 54 Abs. 5 FinStrG) Spruchsenat am Sitze des Finanzamtes für den 1.Bezirk in der Folge (nach Vornahme weiterer finanzbehördlicher Ermittlungen durch das Finanzamt für Körperschaften als Finanzstrafbehörde I.Instanz) mit Erkenntnis vom 3.Oktober 1990, AZ SpS 57/90 (das auch einen hier nicht weiter interessierenden Schuldspruch der beiden Angeklagten wegen einer Finanzordnungswidrigkeit nach § 49 Abs. 1 lit a FinStrG enthält) zum Ergebnis, daß die Voraussetzungen für sein Tätigwerden zur Verfolgung der Angeklagten wegen der vom erwähnten Ratskammerbeschluß betroffenen Fakten und weiterer damit zusammentreffender Abgabenhinterziehungen nach dem § 33 Abs. 1 FinStrG angesichts der eine Million Schilling übersteigenden Summe der strafbestimmenden Wertbeträge und damit eingetretener gerichtlicher Zuständigkeit (§ 53 Abs. 1 lit b FinStrG) nicht gegeben sind.

Aufgrund der (neuerlichen) Anzeige des Finanzamtes für Körperschaften als Finanzstrafbehörde I.Instanz wurden wegen der schon im Verfahren 26 a Vr 9622/88 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien behaupteten Vorwürfe von Abgabenverkürzungen nach § 33 Abs. 2 lit a FinStrG sowie wegen der neu hinzugekommenen Anschuldigungen in Richtung des Finanzvergehens nach § 33 Abs. 1 FinStrG im vorliegenden Verfahren ohne vorherige Wiederaufnahme - und somit unter Mißachtung der Vorschrift des § 220 FinStrG - gegen Hilde S***** und Helmut D***** gerichtliche Vorerhebungen wegen der Finanzvergehen nach § 33 Abs. 1 und Abs. 2 lit a FinStrG eingeleitet, in der Folge die Anklageschrift gegen beide Angeklagten eingebracht und Schuldsprüche gefällt.

Diese sind, da das Fehlen der erforderlichen Bewilligung der Wiederaufnahme der gerichtlichen Ahndung des Finanzvergehens nach § 33 Abs. 2 lit a FinStrG entgegenstand (§ 281 Abs. 1 Z 9 lit b StPO) und in bezug auf das Finanzvergehen nach § 33 Abs. 1 FinStrG angesichts des diesbezüglichen Verkürzungsbetrages von insgesamt (nur) S 402.195 die gerichtliche Zuständigkeit mangelt (§ 281 Abs. 1 Z 9 lit a StPO), nichtig. Diese von der Beschwerdeführerin im wesentlichen zutreffend gerügte Nichtigkeit führt zum (gänzlichen) Freispruch.

Damit erübrigt sich ein weiteres Eingehen auf die sonstigen Beschwerdeausführungen.

Da dem Mitangeklagten Helmut D***** (der die angemeldete Nichtigkeitsbeschwerde zurückgezogen hat) dieselben Gründe zustatten kommen wie seiner Mitangeklagten, war zu seinen Gunsten gemäß § 290 Abs. 1 StPO gleichfalls derselbe Freispruch zu fällen.

Mit ihren Berufungen aber waren die beiden Angeklagten darauf zu verweisen.