JudikaturJustiz12Os23/12t

12Os23/12t – OGH Entscheidung

Entscheidung
28. August 2012

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 28. August 2012 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kirchbacher, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger und Mag. Michel in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Lindenbauer als Schriftführer in der Strafsache gegen Friedrich E***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Friedrich E***** und Eva G***** gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 6. Oktober 2011, GZ 16 Hv 73/11m 43, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Friedrich E***** und aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerden wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in den Schuldsprüchen und den Strafaussprüchen aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an den Einzelrichter des Landesgerichts für Strafsachen Wien verwiesen.

Mit ihren Rechtsmitteln wird die Angeklagte Eva G***** ebenso wie Friedrich E***** mit seiner Berufung auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden, soweit für das Verfahren über die und aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerden von Bedeutung, Friedrich E***** des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB, Heinrich L***** des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach §§ 302 Abs 1, 12 zweiter Fall StGB und Eva G***** des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach §§ 302 Abs 1, 12 dritter Fall StGB schuldig erkannt.

Danach haben in Wien

A./ Friedrich E***** als unmittelbarer Täter als gemäß § 38 Abs 5 ZDG fungierender Vorgesetzter, somit als Beamter, mit dem Vorsatz, die Republik Österreich in ihrem konkreten Recht auf Heranziehung von Zivildienstleistenden zu Dienstleistungen, die der Zivilen Landesverteidigung oder sonst dem allgemeinen Besten dienen, und die Gemeinde Wien, Wiener Krankenanstaltenverbund, als mit Bescheid des Amtes der Wiener Landesregierung vom 28. September 1992 anerkannte Einrichtung gemäß § 4 Abs 1 ZDG an ihrem konkreten Recht auf Erbringung der im Anerkennungsbescheid unter Punkt II./ und in den jeweiligen Zuweisungsbescheiden angeführten Tätigkeiten durch die Zivildienstleistenden für die Unternehmung Wiener Krankenanstaltenverbund Teilunternehmung Allgemeines Krankenhaus der Stadt Wien zu schädigen, seine Befugnis, im Namen des Bundes und der Gemeinde Wien als deren Organ in Vollziehung des Zivildienstgesetzes Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich missbraucht, indem er nachgenannte Zivildienstpflichtige entgegen § 3 Abs 1 ZDG nicht zu Dienstleistungen heranzog, die der Zivilen Landesverteidigung oder sonst dem allgemein Besten dienen und den Zivildienstpflichtigen ähnlich der Wehrdienst den Wehrpflichtigen belasten, entgegen § 38 Abs 3 ZDG die Zivildienstpflichtigen im Rahmen derer Zuweisungsbescheide nicht angemessen, nämlich überhaupt nicht beschäftigte, entgegen § 38 Abs 6 ZDG innerhalb seines Wirkungsbereiches die Zivildienstpflichtigen weder beaufsichtigte noch angemessen beschäftigte, er die Führung der Zivildienstpflichtigen in den Dienstplänen des AKH der Stadt Wien als anwesend anordnete, obwohl diese (bis auf einzelne Tage) niemals anwesend waren, sodass den Zivildienstpflichtigen gemäß § 41 ZDG jeweils ein Nachweis über die im ordentlichen Zivildienst erworbenen Ausbildungen, Kenntnisse und Fähigkeiten (Kompetenzbilanz) und jeweils eine Bestätigung über die im ordentlichen Zivildienst erfolgte praktische Verwendung (Praxisnachweis) ausgestellt wurde, obwohl die Zivildienstpflichtigen weder Fähigkeiten erwarben noch praktisch verwendet wurden, wodurch der Republik Österreich ein Schaden von 5.353,11 Euro und der Gemeinde Wien ein Schaden von 22.086,76 Euro entstand, und zwar

I./ Oliver Z***** vom 1. März bis zum 30. November 2008;

II./ Alexander L***** vom 1. Dezember 2008 bis zum 31. August 2009;

III./ Bernhard S***** vom 1. September 2009 bis zum 31. Mai 2010;

B./ Heinrich L***** Friedrich E***** wissentlich zur Ausführung der strafbaren Handlung laut Punkt A./ bestimmt, indem er ihn im November 2007, im Dezember 2008 und im September 2009 ersuchte, die weiterhin in seinem Unternehmen beschäftigten Zivildienstpflichtigen nicht zu Dienstleistungen in der Einrichtung heranzuziehen und ihm für diese Dienstleistungen eine Ersatzarbeitskraft in Aussicht stellte;

C./ Eva G***** im November 2007 wissentlich zur Ausführung der strafbaren Handlung laut Punkt A./I./ beigetragen, indem sie als Pflegedirektorin und Vorgesetzte von Elisabeth A***** in Kenntnis der unter Punkt A./I./ beschriebenen und zu diesem Zeitpunkt erst in Aussicht genommenen Straftat Elisabeth A***** zur Besprechung im November 2007 gemeinsam mit Friedrich E***** und Heinrich L***** hinzuzog, um sicherzustellen, dass die Information über die Vorgehensweise wie unter Punkt A./I./ auch nach ihrem Ausscheiden erhalten bleibt.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen wenden sich Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Friedrich E***** aus Z 5 und 9 lit a und Eva G***** aus Z 5, 8 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO.

Das Vorbringen der Rechtsrüge des Friedrich E***** trifft zu (nominell Z 9 lit a, der Sache nach Z 10). Er wurde im Hinblick auf die maßgebenden Bestimmungen des ZDG nicht mit Aufgaben hoheitlicher Verwaltung betraut:

Den Feststellungen nach gab der Rechtsträger des Allgemeinen Krankenhauses der Zivildienstserviceagentur bekannt, dass Friedrich E***** als Vorgesetzter der Zivildienstleistenden fungiert (US 11, 19 ff, 26 f, 41, 50, 56 f; § 38 Abs 5 ZDG). Als solcher hatte er nach den Gesetzesvorgaben innerhalb seines Wirkungsbereichs die Zivildienstleistenden zu beaufsichtigen und angemessen zu beschäftigen (US 7, 19, 21; § 38 Abs 6 ZDG), dem Rechtsträger bestimmte Wahrnehmungen zu melden (§ 39 Abs 2 ZDG), war in Bezug auf bestimmte Verwaltungsübertretungen den anzeigeberechtigten Organen des § 47 Abs 1 VStG gleichgestellt (US 54; § 39 Abs 3 ZDG), musste je nach Ausmaß krankheitsbedingte Dienstverhinderungen von Zivildienstleistenden der Bezirksverwaltungsbehörde anzeigen und die Zivildienstserviceagentur informieren (§ 39 Abs 4 ZDG), war zu dienstlichen Weisungen (wobei es sich gerade nicht um „Weisungen“ im verwaltungsrechtlichen Sinn handelt (vgl B. Raschauer , Allgemeines Verwaltungsrecht 698) befugt (US 21 iVm US 57; § 22 Abs 2 ZDG) und hatte mit den Zivildienstleistenden Vereinbarungen über Dienstfreistellungen zu treffen (§ 23a ZDG).

Demnach kann nicht gesagt werden, dass der Angeklagte mit Aufgaben der Hoheitsverwaltung betraut war (vgl B. Raschauer , Allgemeines Verwaltungsrecht 695 ff mwN; Schragel , AHG 3 Rz 123; EBRV 603 BlgNR 13. GP 36; die Materialien zum ZDG, BGBl 1974/187, weisen aaO selbst darauf hin, dass der Vorgesetzte des Zivildieners „ auch Beamter im Sinne des § 101 StG“ [nunmehr § 302 StGB] sein kann. Somit ist klar ausgedrückt, dass nicht schon die Stellung als Vorgesetzter diese Beamteneigenschaft begründet).

Damit scheidet Strafbarkeit nach § 302 StGB aus (RIS-Justiz RS0105870; Marek/Jerabek , Korruption und Amtsmissbrauch 4 § 302 Rz 25; Bertel in WK 2 § 302 Rz 8; Kienapfel/Schmoller StudB BT III 2 § 302 Rz 17; Leukauf/Steininger , Komm 3 § 302 Rz 22), wie der Angeklagte Friedrich E***** zu Recht aufzeigt.

Doch kommt bei Befugnismissbrauch in der Privatwirtschaftsverwaltung, wozu die Führung einer Krankenanstalt zählt (zB Marek/Jerabek aaO Rz 27), Strafbarkeit wegen Untreue nach § 153 StGB in Betracht. Täuschungsbedingtes Erwirken von Vergütungen (vgl US 20) kann Betrug darstellen.

Demnach leidet das Urteil an Nichtigkeit nach Z 10 des § 281 Abs 1 StPO.

Der Rechtsfehler war gemäß § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO auch zugunsten der Angeklagten Eva G*****, die allein andere Einwände erhob, und Heinrich L*****, der kein Rechtsmittel ergriff, von Amts wegen wahrzunehmen.

Die übrigen Einwände der Angeklagten Friedrich E***** und Eva G***** waren daher nicht mehr zu erörtern.

Weil zur abschließenden rechtlichen Beurteilung ausreichende Feststellungen im vorliegenden Urteil nicht getroffen wurden, war neben Aufhebung wie aus dem Spruch ersichtlich auf Verweisung der Sache an den Einzelrichter des Landesgerichts für Strafsachen Wien zu neuer Verhandlung und Entscheidung zu erkennen (§§ 285e, 288 Abs 2 Z 3 zweiter Satz StPO).