JudikaturJustiz12Os21/16d

12Os21/16d – OGH Entscheidung

Entscheidung
22. September 2016

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 22. September 2016 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé, Dr. Oshidari, Dr. Michel Kwapinski und Dr. Brenner in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Beran als Schriftführer in der Strafsache gegen Gottfried W***** wegen Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB in der Fassung vor BGBl I 2015/112 über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 25. November 2015, GZ 13 Hv 66/15s 89, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Gottfried W***** von der Anklage, er habe in W***** durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben (§ 89 StGB) unter Verwendung einer Waffe anderen fremde bewegliche Sachen, nämlich Bargeld, indem er maskiert eine Pistole gegen diese richtete und sie zur Geldübergabe aufforderte, mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz

A./ abgenötigt, und zwar

1./ am 24. Februar 2014 Verfügungsberechtigten des Elektronikgeschäftes „A*****“ (Postpartner) in *****, Bargeld in Höhe von 25.000 Euro, indem er Thomas S***** mit einer Gummimaske maskiert und einer Pistole bewaffnet mit den Worten „Das ist ein Überfall, Geld her“ bedrohte;

2./ am 4. April 2014 Verfügungsberechtigten einer Trafik (Postpartner) in *****, Bargeld in Höhe von 7.530 Euro, indem er Caroline D***** und Nora Sc***** mit einer Sturmhaube maskiert und einer Pistole bewaffnet mit den Worten „nach hinten, nach hinten, Geld her schnell“ bedrohte;

3./ am 14. November 2014 Verfügungs-berechtigten des zu Punkt 1./ genannten Elektronikgeschäfts Bargeld in Höhe von 13.500 Euro, indem er Thomas S***** mit einer Gummimaske maskiert und einer Pistole bewaffnet bedrohte;

B./ abzunötigen versucht, und zwar am 22. Jänner 2015 Verfügungsberechtigten der zu Punkt A./2./ genannten Trafik, indem er Tanja Sl***** und Nora Sc***** mit einer Sturmhaube maskiert und mit einer ungeladenen Pistole bewaffnet mit den Worten „Geld her, schnell beeil’ dich“ bedrohte,

gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Rechtliche Beurteilung

Diese Freisprüche bekämpft die Staatsanwaltschaft mit einer auf Z 4 und 5 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der jedoch keine Berechtigung zukommt.

Das Erstgericht stützte die Freisprüche auf die Konstatierung, es habe nicht festgestellt werden können, dass der Angeklagte die angelasteten Tathandlungen gesetzt hat (US 3), somit auf Negativfeststellungen zur objektiven Tatseite, demgemäß aber ohne Feststellungen zur subjektiven Tatseite zu treffen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde rügt aus Z 4 die Abweisung des zum Beweis dafür, dass der Angeklagte „zu den Tatzeitpunkten ein medizinisches Problem aufwies, das für einen unrunden, watschelnden Gang sorgte“, gestellten Antrags auf Einholung eines Sachverständigengutachtens aus dem Fachbereich der Medizin (ON 88 S 8 f).

Dieses Begehren verfiel zu Recht der Abweisung, betrifft das genannte Beweisthema doch keine erhebliche Tatsache (zum Begriff: Ratz , WK StPO § 281 Rz 29, 340, 409), weil nach den – mängelfrei begründeten – Urteilsannahmen des Erstgerichts nicht feststeht, dass von Tatzeugen (im Übrigen unspezifisch und unterschiedlich) geschilderte Gangstörungen des Täters just auf einem (unter Beweis gestellten) habituellen körperlichen Gebrechen – und nicht etwa bloß einer (für eine Täteridentifizierung per se ungeeigneten) spontanen temporären Bewegungs-einschränkung – beruhten (US 7 ff). Im Übrigen war der Beweisantrag auch auf einen unzulässigen Erkundungsbeweis (§ 55 Abs 1 letzter Satz StPO; vgl Ratz , WK StPO § 281 Rz 330 mwN) gerichtet, weil im Antragsvorbringen bloß relevierte „Wahrnehmungen von Gangauffälligkeiten des Angeklagten im März 2015 durch Polizeibeamte“ ohne weiteres keine Rückschlüsse auf tataktuell vorgelegene habituelle Gangstörungen zulassen.

Im Gegensatz zu der von der Generalprokuratur in ihrer Stellungnahme vertretenen Auffassung sei jedoch darauf hingewiesen, dass es für den Erfolg einer einen Freispruch aus Z 4 bekämpfenden Nichtigkeitsbeschwerde – anders als bei der (nicht Verfahrensmängel, sondern Fehler des Urteilsausspruchs reklamierenden) Anfechtung aus Z 5 oder Z 9 lit a (vgl dazu die untenstehenden Ausführungen) – nicht unabdingbar (und im Übrigen Privatbeteiligten gar nicht möglich [§ 282 Abs 2 StPO]) ist, unter einem auch alle Negativfeststellungen des Urteils mit Mängelrüge (Z 5) und das Fehlen von Feststellungen zu sämtlichen Tatbestandselementen (hier: Fehlen von [positiven] Feststellungen zur [jeweils] subjektiven Tatseite) mit Rechtsrüge (Z 9 lit a) zu relevieren (15 Os 175/15x mwN; vgl auch 12 Os 88/15f; anders noch nicht differenzierend zwischen Z 4 und Z 5: 12 Os 125/15x).

Schließlich ist es im vorliegenden Fall eines die Begehung bewaffneter Raubüberfälle leugnenden Angeklagten nicht auszumachen, dass der Staatsanwaltschaft die Stellung zielführender Anträge zum Vorliegen der subjektiven Tatseite erfolgversprechend möglich gewesen wäre.

Für den Erfolg einer aus Z 5 erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde gegen einen schon auf die Verneinung nur einzelner Tatbestandselemente gegründeten Freispruch reicht es jedoch nicht hin, einen Begründungsmangel bloß in Ansehung der getroffenen Urteilsannahmen (der Negativfeststellungen zur Täterschaft) aufzuzeigen. Vielmehr ist hinsichtlich jener Tatbestandsmerkmale, zu denen das Urteil keine Konstatierungen enthält, unter Berufung auf derartige Feststellungen indizierende und in der Hauptverhandlung vorgekommene Verfahrensergebnisse ein Feststellungsmangel (Z 9 lit a) geltend zu machen. Fehlen die dafür nötigen Indizien, so bedarf es der Geltendmachung darauf bezogener Anträge aus Z 4; wurden die fehlenden Tatbestandsmerkmale verneint, so ist insoweit ein Begründungsmangel (Z 5) geltend zu machen (RIS Justiz RS0127315).

Die Beschwerde macht aber keinen – die Mängelrüge ergänzenden – Feststellungsmangel in Betreff der nicht im Urteil enthaltenen subjektiven Tatbestandsmerkmale des Verbrechens des schweren Raubes (§§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB aF) geltend und spricht damit von vornherein keine entscheidenden Tatsachen an (vgl dazu RIS Justiz RS0117264; Ratz , WK StPO § 281 Rz 399), schließt doch der unbekämpfte Mangel dieser Feststellungen die angestrebten Schuldsprüche nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB aF jedenfalls aus (vgl RIS Justiz RS0130509; RS0127315 [T3]). Ein Eingehen auf die – wie erwähnt – nur die zur äußeren Tatseite getroffenen Feststellungen bekämpfende Mängelrüge (Z 5) erübrigt sich daher.

Der Vollständigkeit halber bleibt aber anzumerken, dass die Rüge bei der gebotenen Betrachtung der Entscheidungsgründe in ihrer Gesamtheit (US 4 bis 9; vgl Ratz , WK StPO § 281 Rz 394 mwN) keine undeutliche, unvollständige, widersprüchliche oder offenbar unzureichende Entscheidungsbegründung aufzuzeigen vermag.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung gemäß § 285d Abs 1 StPO sofort zurückzuweisen (vgl RIS Justiz RS0130018 [T1 und T2]; dagegen 17 Os 45/14t).

Rechtssätze
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