JudikaturJustiz12Os17/04

12Os17/04 – OGH Entscheidung

Entscheidung
22. April 2004

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 22. April 2004 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schindler als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Holzweber, Dr. Philipp, Dr. Schwab und Dr. Lässig als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Pröstler-Zehetmaier als Schriftführer, in der Strafsache gegen George S***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des Menschenhandels nach § 217 Abs 1 zweiter Fall, Abs 2 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten George S***** sowie die Berufungen des Angeklagten Daniel E***** und der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Schöffengericht vom 17. Juli 2003, GZ 25 Hv 40/03z-105, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten S***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde (ua) der Angeklagte George S***** der Verbrechen des Menschenhandels nach § 217 Abs 1 zweiter Fall und Abs 2 StGB (I/1), der kriminellen Organisation nach § 278a StGB (II), der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB (III/1,2) und der Hehlerei nach § 164 Abs 2, Abs 3 und Abs 4 StGB (VII) sowie der Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (IV/1,2), der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs 1 StGB (V) und der versuchten Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB (VI/1,2) schuldig erkannt. Danach hat er

"I/1. mit Paraschiva Daniela A***** und Daniel E***** als Mittäter in Linz und an anderen Orten im In- und Ausland, gewerbsmäßig, eine größere Anzahl von rumänischen Mädchen, die zum Teil der gewerbsmäßigen Unzucht ergeben waren, dieser Unzucht in Österreich, somit in einem anderen Staat als in dem, dessen Staatsangehörigkeit sie besaßen, angeworben und zugeführt, teilweise auch durch Täuschung über dieses Vorhaben verleitet, sich in einen anderen Staat zu begeben, und zwar: im Zeitraum von mindestens Herbst 2000 bis 6. November 2002 dadurch, dass er wiederholt nach Hunedoara, Rumänien, fuhr, dort selbst oder über mehrere rumänische Kontaktpersonen Mädchen rekrutierte, wobei er teilweise diesen auch vortäuschte, sie würden hier nur als Tänzerinnen arbeiten und/oder sie würden hier viel verdienen, weiters für deren Einreise die Formalitäten selbst oder mit Hilfe von Paraschiva Daniela A***** erledigte, die dazu erforderlichen Geldmittel zur Verfügung stellte, den Transport der Mädchen teilweise selbst durchführte oder dazu Paraschiva Daniela A*****, Daniel E*****, Roland M***** und Harald F***** beauftragte, die rumänischen Mädchen weiters in Linz in den von ihm angemieteten Wohnungen in der Hauptstraße 50 unterbrachte, die Mädchen hier verschiedenen Bordellbetrieben zuführte, sie weiters außerhalb ihrer Arbeitszeiten selbst kontrollierte oder unter Beobachtung von Parschiva Daniela A***** und des Daniel E***** stellte, von den Mädchen mindestens 50 %, teilweise sogar deren gesamten Verdienst kassierte, die Mädchen zudem teilweise durch Androhung von Schlägen und durch die unter Punkt III, IV und V beschriebenen Handlungen einschüchterte und ihnen Anweisungen zur Ausübung der Prostitution gab;

II. sich durch die unter Punkt I/1 geschilderten Handlungen auf längere Zeit an einer unternehmensähnlichen Verbindung einer größeren Zahl von Personen beteiligt, die - wenn auch nicht ausschließlich - auf die wiederkehrende und geplante Begehung schwerwiegender strafbarer Handlungen im Bereich der sexuellen Ausbeutung von Menschen ausgerichtet ist, die dadurch eine Bereicherung in großem Umfang anstrebte und andere einzuschüchtern versuchte;

III. zu nachgenannten Zeiten in Linz nachstehende Personen mit Gewalt zur Vornahme und Duldung des Beischlafes und einer dem Beischlaf gleichzusetzenden Handlung genötigt, und zwar:

1. im Dezember 2001 Elena Corina G***** dadurch, dass er sie aufs Sofa warf mit seiner linken Hand ihre beiden Hände über dem Kopf festhielt, mit seiner rechten Hand ihre Hose und Unterhose hinunterzog, wobei sie sich wehrte, indem sie versuchte sich zur Seite zu drehen, sie weiters festhielt, mit seinen Knien ihre Beine auseinander drückte, sie zudem würgte, mit seinem Penis in ihre Scheide eindrang und den Geschlechtsverkehr durchführte;

2. Ende November 2001 Carmen N***** dadurch, dass er sie nach ihrer Weigerung seinen Penis in den Mund zu nehmen, am Nacken erfasste, den Kopf nach unten zu seinem Penis drückte, wobei Carmen N***** versuchte, ihren Kopf in die Gegenrichtung zu drücken, worauf er neuerlich ihren Kopf zu seinem Penis drückte und sie damit zwang, seinen Penis in den Mund zu nehmen;

IV. zu nachgenannten Zeiten in Linz Elena Corina G***** nach deren Weigerung, mit ihm den Beischlaf zu unternehmen, vorsätzlich am Körper verletzt, und zwar:

1. Ende November 2001 dadurch, dass er sie an den Haaren riss, an der Kleidung im Brustbereich packte und sie zweimal gegen die Wand stieß, in Form einer Beule am Hinterkopf sowie Kopfschmerzen in der Dauer von zwei bis drei Wochen;

2. Anfang Dezember 2001 dadurch, dass er sie am Kragen packte, hochhob und zu Boden stieß, in Form von Kopfschmerzen und Bewusstlosigkeit;

V. im Dezember 2001 in Linz Elena Corina G***** und Grina A***** dadurch widerrechtlich gefangen gehalten, dass er diese über einen Zeitraum von einer Woche in deren Zimmer außerhalb ihrer Arbeitszeiten einsperrte und sie unter Beobachtung stellte;

VI. in Linz nachgenannte Personen mit Gewalt und durch gefährliche Drohung zu Unterlassungen zu nötigen versucht, und zwar:

1. im Dezember 2001 durch die unter Punkt V beschriebenen Handlungen, somit durch Gewalt, Elena Corina G***** zur Abstandnahme näherer Kontakte bzw. einer Aufnahme einer Beziehung zu Daniel E*****;

2. Ende Juli 2002 Paraschiva Daniela A***** durch die Äußerung, sie solle den Mund halten, sollte sie irgend jemandem von seiner Tätigkeit bzw. Stellung erzählen, würde er sie fertig machen, somit durch gefährliche Drohung, zum Schweigen;

VII. im Frühjahr 2001 in Linz von Mario W***** Gegenstände, die dieser bei einem Einbruch am 26. Februar 2001 zum Nachteil der Firma S***** Brillanten, H. M***** GmbH, erbeutet hatte, nämlich Schmuckstücke im Wert von ca. 300.000 S, übernommen, somit Gegenstände in einem 2.000 EUR übersteigenden Wert, die ein anderer durch eine mit Strafe bedrohte Handlung gegen fremdes Vermögen erlangt hat, an sich gebracht, wobei er wusste, dass diese Schmuckstücke aus einem Einbruch stammen."

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen vom Angeklagten S***** aus § 281 Abs 1 Z 3, 4, 5 und 5a StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde ist nicht berechtigt. Der aus Z 3 erhobene Einwand, die Verlesung der Protokolle über die kontradiktorische Einvernahme im Vorverfahren vernommener Zeuginnen sei infolge fehlender Entschlagungsberechtigung gemäß § 252 Abs 1 Z 2a (iVm § 152 Abs 1 Z 2a) StPO unzulässig gewesen, versagt, weil zum einen auch Zuwiderhandlungen gegen § 217 StGB geeignet sind, die Geschlechtssphäre zu verletzen (13 Os 39/02; vgl auch Philipp in WK2 § 217 Rz 4 und 11) und zum anderen die bezüglichen Protokolle (vgl S 529/V) sowie der gesamte übrige Akteninhalt gemäß § 252 Abs 1 Z 4 StPO einverständlich verlesen wurden (S 537/V).

Ferner übersieht der Beschwerdeführer, dass § 162a StPO, dessen fehlerhafte Anwendung gerügt wird, nicht zu jenen Bestimmungen zählt, die nach § 281 Abs 1 Z 3 StPO unter Nichtigkeitssanktion stehen. Dass Mitangeklagte nicht die Möglichkeit hatten, an den kontradiktorischen Einvernahmen von Tatopfern teilzunehmen, kann dem Beschwerdeführer nicht zum Nachteil gereichen. In der Hauptverhandlung wurden diese Zeuginnen, die sich mit Ausnahme der Zeugin S***** neuerlich auf ihr hinsichtlich des Angeklagten S***** bestehendes Entschlagungsrecht beriefen, im Übrigen zu den gegen seine Mitangeklagten bestehenden Vorwürfen vernommen. Ramona Elena S*****, die auf das ihr gemäß § 152 Abs 1 Z 2a StPO zustehende Entschlagungsrecht verzichtete, wurde umfassend befragt (S 514 ff/V). Mit dem Einwand, anlässlich dieser Einvernahmen sei der Angeklagte an der Ausübung seines Fragerechtes gehindert gewesen, fehlt es der Beschwerde (Z 4) schon mangels entsprechender Antragstellung in der Hauptverhandlung (vgl auch S 524/V) an der erforderlichen Legitimation.

Soweit der Beschwerdeführer im Rahmen der Mängelrüge (Z 5, sachlich Z 9 lit a) die erforderlichen Feststellungen zu den Schuldsprüchen wegen Menschenhandels (I) und krimineller Organisation (II) vermisst, negiert er die entsprechenden erstgerichtlichen Konstatierungen (US 9 bis 14, 22 und 34) und bringt damit den materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrund nicht zur prozessordnungsgemäßen Darstellung. Das weitere Vorbringen der Mängelrüge, die vom Erstgericht angenommene Täuschung der nach Österreich verbrachten Mädchen über die für sie vorgesehene Tätigkeit als Prostituierte stünde im Widerspruch zu "den sonstigen Beweisergebnissen, insbesondere zu den kontradiktorischen Einvernahmen", lässt die deutliche und bestimmte Bezeichnung eines nichtigkeitsbewirkenden Begründungsfehlers vermissen. Ferner übergeht die Beschwerde die im Ersturteil ohnedies vorgenommene Differenzierung, dass nur in einigen Fällen Täuschungshandlungen gesetzt wurden (US 10 ff; bloß insoweit erfolgte der Schuldspruch auch wegen des zweiten Deliktsfalls des § 217 Abs 1 StGB) und die für das Erstgericht maßgeblichen Erwägungen, weshalb ein bei den Opfern hervorgerufener Irrtum auch unter Berücksichtigung der von ihnen gestellten, auf den Umstand der beabsichtigten Prostitutionsausübung hinweisenden Visaanträge anzunehmen war (US 27).

Mit den im Ergebnis bloß gegen die Glaubwürdigkeit einiger Zeuginnen gerichteten Ausführungen in der Tatsachenrüge (Z 5a) bekämpft der Nichtigkeitswerber die im kollegialgerichtlichen Verfahren einer Anfechtung nach Art einer Schuldberufung entzogene tatrichterliche Beweiswürdigung, ohne jedoch aus den Akten erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zu Grunde gelegten entscheidenden Tatsachen aufzuzeigen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten George S***** war daher bereits in nichtöffentlicher Beratung zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt die Kompetenz des Gerichtshofes zweiter Instanz zur Entscheidung über die Berufungen der Angeklagten George S***** und Daniel E***** sowie der Staatsanwaltschaft (§ 285i StPO). Die Kostenentscheidung ist in § 390a Abs 1 StPO begründet.