JudikaturJustiz12Os149/21k

12Os149/21k – OGH Entscheidung

Entscheidung
24. Februar 2022

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 24. Februar 2022 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Oshidari, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel Kwapinski und Dr. Brenner und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart des Schriftführers Richteramtsanwärter Mag. Kostersitz in der Strafsache gegen * N* wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Geschworenengericht vom 28. September 2021, GZ 17 Hv 62/21p 115, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde * N* des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB (1./) und des Verbrechens der schweren Körperverletzung nach §§ 15, 84 Abs 4 StGB (2./) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er in B*

1./ am 26. November 2020 * S* durch Versetzen mehrerer Faustschläge und wuchtiger Fußtritte gegen Kopf und Körper, wodurch die Genannte ein Schädel-Hirn-Trauma, Mittelgesichtsfrakturen mit Beteiligung der Augenhöhlen und der Kieferhöhlen, einen Nasenbeinbruch, Jochbeinbrüche und eine zu einer zunehmenden Hirnschwellung führende Einblutung unter die harte Hirnhaut über der linken Großhirnhälfte erlitt, getötet;

2./ am 27. November 2020 * B* eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB) zuzufügen versucht, indem er die Genannte würgte und ihr mehrere Faustschläge gegen das Gesicht versetzte, wodurch sie im angefochtenen Urteil näher beschriebene Verletzungen erlitt.

[3] Die Geschworenen hatten die an sie gerichteten anklagekonformen Hauptfragen (Fragen 1 und 8) bejaht und die zur Hauptfrage 1 in Richtung des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB gestellte Zusatzfrage (Frage 6) nach dem Schuldausschließungsgrund der Zurechnungsunfähigkeit nach § 11 StGB verneint. Die Beantwortung der Eventualfrage zur verneinten Zusatzfrage (Frage 7) unterblieb demgemäß ebenso wie die der Eventualfragen zur Hauptfrage 1 nach dem Verbrechen der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1, Abs 2 zweiter Fall StGB (Frage 2), dem Verbrechen der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 StGB (Frage 3), dem Verbrechen der Körperverletzung mit tödlichem Ausgang nach § 86 Abs 2 StGB (Frage 4) und dem Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (Frage 5).

Rechtliche Beurteilung

[4] Die gegen dieses Urteil vom Angeklagten aus § 345 Abs 1 Z 5 und 6 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde ist nicht berechtigt.

[5] Der Verfahrensrüge (Z 5) zuwider wurden durch die Abweisung (ON 114 S 53) des Antrags auf Einholung eines Sachverständigengutachtens aus dem Fachgebiet der Intensivmedizin zum Beweis eines ärztlichen Behandlungsfehlers (ON 114 S 39 f) Verteidigungsrechte nicht verletzt, weil das Beweisthema für die Beurteilung der Täterschaft des Angeklagten ohne Bedeutung ist (§ 55 Abs 2 Z 1 StPO).

[6] Da grundsätzlich alle nicht ganz außerhalb der gewöhnlichen Erfahrung liegenden ärztlichen Behandlungsfehler in die Risikosphäre des Erstverursachers einer Körperverletzung fallen (RIS Justiz RS0089206), wurde mit den unsubstantiierten Ausführungen zu einer unzulänglichen intensivmedizinischen Versorgung des Opfers sowie Spekulationen, wonach „weitere medizinische Maßnahmen … zu einer verbesserten gesundheitlichen Situation geführt hätten“ und „nicht gesichert auszuschließen“ sei, „dass weitere medizinische Heilbehandlungen … zu einer Abheilung“ geführt hätten, ein solcher Verstoß gegen die Regeln der ärztlichen Kunst, der die aus den massiven Verletzungen unmittelbar resultierende (Lebens )Gefahr derart dominierte, dass der Zusammenhang zwischen Enderfolg und Täterverhalten ganz in den Hintergrund träte, nicht einmal behauptet.

[7] Mit seiner Fragenrüge (Z 6) kritisiert der Rechtsmittelwerber, dass die Stellung einer Eventualfrage nach Versuch statt Tatvollendung, sohin in Richtung §§ 15, 75 StGB (RIS-Justiz RS0100991 [T1]) unterblieb.

[8] Gesetzeskonforme Ausführung einer Fragenrüge verlangt vom Beschwerdeführer die deutliche und bestimmte Bezeichnung der vermissten Frage und jenes Sachverhalts, auf den die Rechtsbegriffe der §§ 312 ff StPO abstellen, somit fallbezogen des die begehrte Eventualfrage indizierenden Tatsachensubstrats (RIS-Justiz RS0119417; Ratz , WK StPO § 345 Rz 23). Der Rechtsmittelwerber hat dabei den Nachweis der geltend gemachten Nichtigkeit nicht bloß auf der Grundlage einzelner isoliert betrachteter Beweisergebnisse, sondern unter Berücksichtigung sämtlicher (für die in Rede stehende Subsumtionsfrage entscheidender) Verfahrensergebnisse in ihrer Gesamtheit zu führen (RIS Justiz RS0120766 [T4]).

[9] Fallbezogen erschöpft sich die Rüge jedoch im Verweis auf eine aus dem Zusammenhang gerissene Passage (ON 114 S 35) der mündlichen Erörterung des Gutachtens von a. Univ. Prof. Dr. * R* (ON 114 S 25 ff). Indem sich der Beschwerdeführer bloß auf die (kontextentkleidet zitierte) gutachterliche Einschätzung, wonach eine konkrete Ursache für den Anstieg des Hirndrucks nicht festzumachen sei, beruft, dabei aber die folgende Erläuterung, dass es sich um eine „völlig normale Reaktion“ bei einem „derart gravierend geschädigten Gehirn“ gehandelt habe (ON 114 S 35), ausblendet, spricht die Beschwerde kein ernst zu nehmendes Indiz für einen Entfall der normativen Erfolgs zurechnung an (vgl RIS-Justiz RS0089280). Damit erweist sich die Rüge mangels Substantiierung dahin, durch welche in der Hauptverhandlung konkret vorgebrachten Tatsachen die begehrte Fragenstellung indiziert gewesen sein soll, als nicht prozessordnungsgemäß ausgeführt (RIS-Justiz RS0119417 [T1]).

[10] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 344, 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft folgt (§§ 344, 285i StPO).

[11] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Rechtssätze
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