JudikaturJustiz12Os144/96

12Os144/96 – OGH Entscheidung

Entscheidung
12. Dezember 1996

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 12.Dezember 1996 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Horak als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Rzeszut, Dr.Schindler, Dr.Mayrhofer und Dr.Holzweber als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Pösinger als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Guido S***** wegen des Verbrechens der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 und Abs 2 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 24.April 1996, GZ 12 d Vr 1717/95-120, sowie über den gleichzeitig mit dem Urteil gemäß § 494 a StPO gefaßten Beschluß nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr.Wasserbauer, des Angeklagten Guido S***** und des Verteidigers Dr.Singer, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung und der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auch einen unbekämpft gebliebenen Freispruch enthaltenden Urteil wurde Guido S***** des Verbrechens der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB (A./) und der Vergehen der fahrlässigen Krida nach §§ 159 Abs 1 Z 1 und Z 2, 161 Abs 1 StGB (B./) schuldig erkannt.

Soweit im Rechtsmittelverfahren von Bedeutung hat er

A./ in Wien ein Gut in einem 500.000 S übersteigenden Wert, das ihm als Geschäftsführer der Firma J***** Co GesmbH seitens der Firma P***** GesmbH für das Bauvorhaben Sieveringerstraße anvertraut worden war, Dr.Rudolf L*****, sohin einem Dritten, mit dem Vorsatz zugeeignet, diesen dadurch unrechtmäßig zu bereichern und zwar

I./ zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt nach dem 20.April 1989 einen Bargeldbetrag von 500.000 S;

II./ am 2.August 1989 einen Betrag von 100.000 S.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen aus § 281 Abs 1 Z 4, 5, 9 lit a, lit b und lit c, 10 und 11 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde kommt keine Berechtigung zu.

Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider bedeutete die Abweisung des in der Hauptverhandlung am 24.April 1996 gestellten Antrages auf ergänzende Vernehmung des Zeugen Dr.L***** zum Beweis dafür, daß der Beschwerdeführer "zu dem Zeitpunkt, wo von Dr.L***** jeweils S 500.000 bzw S 100.000 begehrt wurden, in einem rechtfertigenden Notstand bzw in einem Schuldausschließungsgrund gewesen ist" (443/II), keine Beeinträchtigung wesentlicher Verteidigungsrechte, weil das Erstgericht, abgesehen davon, daß das Thema des Antrages vom Gericht zu beantwortende Rechtsfragen und keine beweisbedürftigen rechtserheblichen Tatsachen betraf, insoweit in Übereinstimmung mit der Verantwortung des Angeklagten, ohnehin davon ausging, daß die in Rede stehenden Geldflüsse von Dr.L***** initiiert wurden und dieser auch verantwortungskonform beurteilten Druck auf den Beschwerdeführer ausüben konnte (US 34), sodaß es auch insoweit an einer wesentlichen Voraussetzung für die erfolgreiche Geltendmachung des in Rede stehenden Nichtigkeitsgrundes mangelt (Mayerhofer/Rieder StPO3 § 281 Z 4 E 63 a).

Im übrigen konnte angesichts des von vornherein verfehlten Beweisbegehrens die Abweisung des Beweisantrages in der Hauptverhandlung sanktionslos unterbleiben. Die Frage, ob Dr.L***** selbst die Überweisung des in Rede stehenden Betrages von 500.000 S durchführte, ist hingegen von dem in erster Instanz formulierten Beweisantrag nicht umfaßt, weshalb die Rüge in diesem Umfang schon in formeller Hinsicht versagt (Mayrhofer/Rieder aaO § 281 Z 4 E 40, 41).

Die unter dem Gesichtspunkt unzureichender Begründung (Z 5) der zu A./I./ getroffenen Urteilsfeststellungen, eine Schadensreduktion durch Abzug eines Betrages von insgesamt 287.000 S anstrebenden Beschwerdeausführungen übergehen die vom Erstgericht den bekämpften Urteilsannahmen (US 17, 21, 33) zugrunde gelegte Verantwortung des Angeklagten, wonach er Dr.L***** insgesamt 600.000 S, und zwar 500.000 S in bar und 100.000 S in Form eines Schecks übergeben hat, dieser Zeuge sich darüber hinaus aber noch weitere Beträge von rund 37.000 S und 250.000 S "selbst genommen" hat (191 ff, 196, 428 f/II), weshalb die erstgerichtlichen Wertfeststellungen mängelfrei sind.

Die die Ausführungen der Mängelrüge wiederholende, von einem reduzierten Schadensbetrag ausgehende Argumentation der Rechtsrügen (Z 9 lit a, b und c sowie Z 10 - sachlich ausschließlich Z 10), die sohin durchwegs Tatsachenprämissen voraussetzt, die im festgestellten Urteilssachverhalt keine Deckung finden, erweisen sich insoweit nicht als prozeßordnungsgemäß ausgeführt.

Soweit sich der Beschwerdeführer unter Betonung seiner unter anderem durch Dr.L***** herbeigeführten Notlage und Gefährdung seiner wirtschaftlichen Existenz auf die Unzumutbarkeit rechtmäßigen Verhaltens (hier: Ablehnung der rechtswidrigen Verfügung über Treuhandgelder) beruft (Z 9 lit b), ist ihm zu entgegnen, daß auch bei befürchteten schwerwiegenden wirtschaftliche Nachteilen Straflosigkeit nach § 10 StGB nur dann in Betracht kommt, wenn (neben weiteren Voraussetzungen) in der Situation des Täters von einem mit den rechtlich geschützten Werten verbundenen Menschen kein anderes Verhalten zu erwarten war. Diese Prämisse liegt aber fallbezogen nicht vor, weil bei den gegebenen Tatmodalitäten den vom Angeklagten befürchteten Repressalien Dris.L***** - wie schon das Erstgericht zutreffend erkannt hat (US 34) - auch auf andere Weise, etwa durch Information der Treugeberin oder durch Inanspruchnahme behördlicher Hilfe begegnet werden konnte (SSt 50/69; Leukauf/Steininger Komm3 § 10 RN 17 ff); damit ist aber auch der reklamierten - einen Eingriff in fremdes Rechtsgut als einziges Mittel zur Abwehr des drohenden Nachteils voraussetzenden - Annahme rechtfertigenden Notstandes, die darüber hinaus die - hier nicht aktuelle - Rettung eines eindeutig höherwertigen Rechtsgutes auf Kosten eines geringerwertigen erfordert (Leukauf/Steininger aaO § 3 RN 49 ff), der Boden entzogen.

Auch die Strafbemessungsrüge (Z 11) entbehrt partiell der gesetzmäßigen Ausführung, weil sie mit der Behauptung fehlerhafter Bewertung einzelner Milderungs- und Erschwerungsgründe der Sache nach lediglich Berufungsgründe, nicht aber geltend macht, daß das Erstgericht bei dem Ausspruch über die Strafe in unvertretbarer Weise gegen Bestimmungen über die Strafbemessung verstoßen hätte. Verfehlt hingegen ist der weitere Beschwerdeeinwand, das Erstgericht habe, indem es - der Sache nach - das Zusammentreffen beider Tatbestände des § 159 Abs 1 StGB (mit einem Verbrechen) als erschwerend wertete, gegen das Doppelverwertungsverbot verstoßen, weil dem Angeklagten beide eigenständigen, realkonkurrierenden Deliktsfälle der genannten Gesetzesstelle zur Last fallen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten unter Anwendung des § 28 StGB nach dem höheren Strafsatz des § 133 Abs 2 StGB eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren, wovon es gemäß § 43 a Abs 3 StGB einen Strafteil von achtzehn Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachsah. Bei der Strafbemessung wertete es (der Sache nach) das Zusammentreffen zweier Vergehen mit einem Verbrechen und die einschlägige Vorstrafe des Angeklagten als erschwerend, als mildernd hingegen das teilweise abgelegte Geständnis und das Mitverschulden Dris.L*****.

Auch die eine Herabsetzung der Freiheitsstrafe und deren gänzliche bedingte Nachsicht anstrebende Berufung ist nicht berechtigt.

Soweit der Antrag auf schuldangemessene Strafmilderung im wesentlichen damit begründet wird, daß das (teilweise - US 38) abgelegte Geständnis "viel höher und als umfassendes reumütiges" hätte gewertet werden müssen, sowie daß das Mitverschulden Dris.L***** nicht "entsprechend" verwertet worden sei, werden damit für die angestrebte Strafkorrektur ebensowenig hinreichende Grundlagen aufgezeigt, wie mit der (schon im Hinblick auf den zu Punkt B./II./ - Vergehen der fahrlässigen Krida nach § 159 Abs 1 Z 2 StGB - bis 24.April 1996 angenommenen Deliktszeitraum nicht nachvollziehbaren) Behauptung eines "langen deliktsfreien Zeitraumes". Abgesehen davon, daß eine Benachteiligung des Berufungswerbers durch die im angefochtenen Urteil angeführten Strafzumessungsgründe schon deshalb ausscheidet, weil die Wiederholung der Veruntreuungshandlungen und die Fortsetzung beider Tatbilder der fahrlässigen Krida durch längere Zeit vernachlässigt wurden, trägt die ausgesprochene Sanktion den konkreten Straferfordernissen in angemessener Weise Rechnung.

In Anbetracht des einschlägig getrübten Vorlebens des Angeklagten und der nach bedingter Strafnachsicht während der Probezeit fortgesetzten strafbaren Handlung (§ 159 Abs 1 Z 2 StGB) ist die Verlängerung der Probezeit geboten, um den Angeklagten von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten (§ 53 Abs 2 StGB).

Seiner Beschwerde gegen den auf § 494 a Abs 6 StPO gestützten Verlängerungsbeschluß war somit gleichfalls der Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.