JudikaturJustiz12Os139/19m

12Os139/19m – OGH Entscheidung

Entscheidung
27. Februar 2020

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. Februar 2020 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oshidari und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel-Kwapinski, Dr. Brenner und Dr. Setz-Hummel in Gegenwart der Schriftführerin Maurer in der Strafsache gegen Catalin-Ovidiu S***** wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßig durch Einbruch begangenen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 5, 129 Abs 1 Z 1 und 2, 130 Abs 2 zweiter Fall (iVm Abs 1 erster Fall) StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 17. Juli 2019, GZ 8 Hv 6/19z-254, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in der rechtlichen Unterstellung der vom Schuldspruch A./ erfassten Taten (auch) nach § 130 Abs 2 zweiter Fall (iVm Abs 1 erster Fall) StGB, demgemäß auch in der zu A./ gebildeten Subsumtionseinheit und im Strafausspruch aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Graz verwiesen.

Mit seiner Berufung gegen den Ausspruch über die Strafe wird der Angeklagte auf die Kassation verwiesen.

Die Entscheidung über die Berufung wegen des Ausspruchs über die privatrechtlichen Ansprüche kommt dem Oberlandesgericht Graz zu.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Catalin-Ovidiu S***** des Verbrechens des schweren gewerbsmäßig durch Einbruch begangenen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 5, 129 Abs 1 Z 1 und 2, 130 Abs 2 zweiter Fall (iVm Abs 1 erster Fall) StGB (A./) und des Vergehens nach § 50 Abs 1 Z 2 WaffG (B./) schuldig erkannt.

Danach hat er, soweit für die Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerde und für die amtswegige Maßnahme von Bedeutung,

A./ mit unbekannten Mittätern Nachgenannten fremde bewegliche Sachen in einem jeweils 5.000 Euro, insgesamt 300.000 Euro nicht übersteigenden Wert durch Einbruch in Gebäude und durch Aufbrechen von Behältnissen mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz weggenommen, wobei er in der Absicht handelte, sich durch die wiederkehrende Begehung von Diebstählen durch Einbruch längere Zeit hindurch ein nicht bloß geringfügiges fortlaufendes Einkommen zu verschaffen und bereits zwei solche Taten begangen hat (§ 70 Abs 1 Z 3 erster Fall und Abs 2 StGB), und zwar

I./ in der Nacht auf den 12. Dezember 2017 in U***** (US 4:) Gewahrsamsträgern des Unternehmens F***** 63.910 Euro Bargeld, indem sie mit einer Leiter auf das Dach eines Baumarktes stiegen, ein Dachkuppelfenster einschlugen, durch dieses in das Foyer des Baumarktes einstiegen, mit einem Winkelschleifer die Rückseite des dort befindlichen Geldausgabeautomaten des Unternehmens F***** aufschnitten und (US 4:) daraus eine Geldkassette mit dem angeführten Bargeld entnahmen;

II./ in der Nacht auf den 22. Jänner 2018 in W***** Gewahrsamsträgern eines Lokals (US 4 f:) 2.710 Euro Bargeld und des Unternehmens F***** 20.260 Euro Bargeld, indem sie das Fenster zu den Geschäftsräumlichkeiten des Lokals einschlugen, durch dieses einstiegen und mit einer „Flex“ die Rückseite des dort befindlichen Geldausgabeautomaten des Unternehmens F***** aufschnitten sowie einen Möbel- bzw Handtresor des Lokals aufbrachen und (US 4:) daraus jeweils das angeführte Bargeld entnahmen.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen aus Z 5 und 5a des § 281 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt keine Berechtigung zu.

Die Mängelrüge (Z 5 erster, zweiter und vierter Fall) releviert ausschließlich zu A./ eine „undeutliche und unzureichende Begründung der getroffenen Feststellungen“ und eine „unvollständige Verwertung von erheblichen Beweisergebnissen“.

Der Beschwerdekritik zuwider wurden die Aussagen des Zeugen Clemens G*****, (auch) zu den Ergebnissen der Rufdatenrückerfassung, jene der Zeugen Liliana S***** und Ovidiu S***** und die leugnende Verantwortung des Beschwerdeführers eingehend erörtert (US 6 bis 11). Dass daraus – und aus einer vernetzten Betrachtung weiterer Indizien (vgl US 6 ff: mehrstündiges Einloggen des Mobiltelefons des Angeklagten in Tatortnähe vor der zu A./I./ inkriminierten Tat sowie mehrstündiges Einloggen seines Mobiltelefons zur Tatzeit am Tatort zu A./II./; professionelle und geplante Vorgangsweise bei identem modus operandi einer in der Vergangenheit zur Verurteilung gelangten Straftat) auch andere Schlüsse hätten gezogen werden können und diese aus Beschwerdesicht nicht überzeugend genug erscheinen, ist einer Anfechtung aus Z 5 entzogen (RIS-Justiz RS0099455, RS0098471 [insb T2], RS0098362).

Die Tatsachenrüge (Z 5a) lässt mit dem bloßen Verweis auf die Ausführungen der Mängelrüge den wesensmäßigen Unterschied der Nichtigkeitsgründe des § 281 Abs 1 StPO außer Acht (RIS-Justiz RS0115902). Sich aus den Akten ergebende erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen werden mit dem Hinweis auf „die Aktenlage“ und mit der Bestreitung des Vorliegens „eindeutiger Beweisergebnisse“ zur Beteiligung des Angeklagten an der zu A./I./ inkriminierten Tat nicht geweckt (RIS-Justiz RS0118780). Vielmehr bekämpft die Beschwerde damit bloß unzulässig die den Tatrichtern vorbehaltene Beweiswürdigung nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung.

Zu B./ wird trotz des das gesamte Urteil umfassenden Aufhebungsantrags kein Vorbringen erstattet, weshalb auf die Beschwerde in diesem Umfang keine Rücksicht zu nehmen war (§ 285 Abs 1, § 285a Z 2 StPO).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Aus deren Anlass überzeugte sich der Oberste Gerichtshof davon, dass dem Ersturteil, wie auch die Generalprokuratur zutreffend aufzeigt, in Ansehung der Unterstellung der vom Schuldspruch A./ erfassten Taten (auch) nach § 130 Abs 2 zweiter Fall (iVm Abs 1 erster Fall) StGB, vom Angeklagten nicht geltend gemachte Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 10 StPO anhaftet, die von Amts wegen aufzugreifen war (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO):

Neben der in § 70 Abs 1 StGB umschriebenen Absicht setzt die rechtliche Annahme gewerbsmäßiger Begehung (hier: nach § 130 Abs 2 StGB) – soweit relevant (die in Z 2 des § 70 Abs 1 StGB normierte Alternative ist nach dem Urteilssachverhalt nicht indiziert) – voraus, dass der Täter bei der Tatbegehung entweder unter Einsatz besonderer Fähigkeiten oder Mittel handelt, die eine wiederkehrende Begehung nahelegen (Abs 1 Z 1 leg cit) oder (innerhalb der in § 70 Abs 3 StGB genannten Zeitspanne) bereits zwei „solche Taten“ (dazu RIS-Justiz RS0130965; Jerabek/Ropper in WK 2 StGB § 70 Rz 13/5 f) begangen hat oder einmal wegen einer solchen Tat verurteilt worden ist (Abs 1 Z 3 leg cit).

Das Erstgericht stützte die Annahme der Gewerbsmäßigkeit auf die Alternative des § 70 Abs 1 Z 3 erster Fall StGB. Es stellte dazu fest, dass der Angeklagte „bei sämtlichen Taten [vgl US 3 f: Diebstahl durch Einbruch am 12. Dezember 2017 und am 22. Jänner 2018] … in der Absicht, sich durch wiederkehrende Begehung von Diebstählen durch Einbruch eine fortlaufende, nicht geringfügige Einnahme zu verschaffen“, handelte (US 5) und er „am 2. April 2018 mit zwei Mittätern im bewussten und gewollten Zusammenwirken wieder in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung solcher Taten, nämlich Einbruchsdiebstähle in Geschäftsräumlichkeiten unter Verwendung besonderer Mittel, und zwar Brecheisen und Bolzenschneider, ein nicht bloß geringfügiges Einkommen zu verschaffen, einen Einbruchsdiebstahl in die Geschäftsräumlichkeiten der Z***** GmbH beging ...“ (US 6). Der Angeklagte wurde wegen der letztgenannten Tat mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 20. September 2018, rechtskräftig seit (richtig: [vgl Protokolls- und Urteilsvermerk zu AZ 21 Hv 27/18g – unjournalisiert in der Gleichschriftenmappe zu Band VI]) 25. September 2018, AZ 21 Hv 27/18g, nach §§ 12, 15, 127, 129 Abs 1 Z 1 und 2, 130 Abs 2 zweiter Fall StGB verurteilt. Das nunmehr angefochtene Urteil nahm gemäß §§ 31, 40 StGB auf das genannte Urteil Bedacht (vgl US 2 f, 11 f).

Besteht eine rechtskräftige Verurteilung, muss diese – um die besondere Warnfunktion eines Urteils zu entwickeln und für sich als Vortat im Sinn des § 70 Abs 1 Z 3 zweiter Fall StGB auszureichen – dem Täter vor der Begehung der aktuell in Rede stehenden Tat zur Kenntnis gelangen ( Jerabek/Ropper in WK 2 StGB § 70 Rz 13/10) und demnach (schon begrifflich) vor der aktuellen Tat erfolgt sein. Bei dem seit 25. September 2018 rechtskräftigen Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 20. September 2018, AZ 21 Hv 27/18g, kann dies schon deshalb nicht der Fall sein, weil die der genannten (Vor-)Verurteilung zugrunde liegende Tat in der Nacht zum 2. April 2018, sohin erst nach den zu A./ inkriminierten Taten (US 1 f: in den Nächten zum 12. Dezember 2017 und zum 22. Jänner 2018) begangen wurde.

Als (zweite) Vortat (für das zu A./II./ inkriminierte Geschehen) iSd § 70 Abs 1 Z 3 erster Fall StGB kommt die zu AZ 21 Hv 27/18g abgeurteilte Tat (US 6) solcherart ebenfalls nicht in Betracht, sodass es der Annahme gewerbsmäßiger Tatbegehung (iSd § 70 Abs 1 Z 3 StGB) an einer tragfähigen Feststellungsbasis mangelt.

Fallbezogen fehlt es daher an einer tauglichen Vortat iSd § 70 Abs 1 Z 3 StGB für die Annahme gewerbsmäßiger Begehung iSd § 130 Abs 2 zweiter Fall (iVm Abs 1 erster Fall) StGB des qualifizierten Diebstahls zu A./.

Jedoch indiziert der konstatierte Einsatz eines Winkelschleifers und einer „Flex“ (US 1 f, 4) eine Prüfung des Gewerbsmäßigkeitskriteriums nach § 70 Abs 1 Z 1 StGB.

Ein Mittel legt eine „wiederkehrende Begehung“ im Sinn der genannten Vorschrift nahe, wenn es von der Professionalität des Täters zeugt. Es ist „besonders“ im Sinn der erwähnten Vorschrift, wenn sein „Mitführen“ situationsbezogen ungewöhnlich und mit geübter oder wohlüberlegter Herangehensweise des Täters zu erklären ist (RIS-Justiz RS0132006, RS0130766). In diesem Sinn kann nach der bisher zu § 70 StGB ergangenen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs auch ein leicht erhältliches oder allgemein gebräuchliches Werkzeug unter Abs 1 Z 1 der Bestimmung fallen, wenn es in der konkreten Situation normalerweise nicht mitgeführt wird (vgl erneut RIS Justiz RS0132006, RS0130766).

Ausgehend davon lässt sich den Urteilskonstatierungen nicht entnehmen, ob der Angeklagte (zusätzlich zur festgestellten Absicht iSd § 70 Abs 1 StGB [US 1, 3, 5]) das Kriterium des Abs 1 Z 1 leg cit in objektiver und subjektiver Hinsicht erfüllt hat (zu den Erfordernissen im Falle der Beteiligung mehrerer: Jerabek/Ropper in WK 2 StGB § 70 Rz 13/3, 19; Fabrizy , StGB 13 § 70 Rz 6).

Dem Schuldspruch zu A./ haftet somit – im Umfang der Subsumtion nach § 130 Abs 2 zweiter Fall StGB – ein Rechtsfehler mangels Feststellungen an, der die Kassation wie aus dem Spruch ersichtlich erfordert (§ 290 Abs 1 zweiter Satz iVm § 285e StPO).

Mit seiner Berufung gegen den Ausspruch über die Strafe war der Beklagte auf dessen Aufhebung zu verweisen.

Die Entscheidung über die Berufung gegen das Adhäsionserkenntnis – das im von der Aufhebung unberührten Grundtatbestand des Schuldspruchs A./ Deckung findet (vgl Ratz , WK-StPO § 289 Rz 7) – kommt dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).

Der Kostenausspruch, der die amtswegige Maßnahme nicht umfasst ( Lendl, WK-StPO § 390a Rz 12), beruht auf § 390a Abs 1 StPO.