JudikaturJustiz12Os13/11w

12Os13/11w – OGH Entscheidung

Entscheidung
08. März 2011

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 8. März 2011 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger, Mag. Michel und Dr. Michel Kwapinski in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Fischer als Schriftführerin in der Strafsache gegen Mario M***** und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens der vorsätzlichen Gemeingefährdung nach § 176 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Mario M***** und die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Jugendschöffengericht vom 3. November 2010, GZ 12 Hv 152/10g-9a, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

In Stattgebung und aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil sowie demzufolge der Beschluss auf Anordnung der Bewährungshilfe aufgehoben, eine neue Hauptverhandlung angeordnet und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.

Mit ihren Berufungen werden der Angeklagte Mario M***** und die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil dessen Ausfertigung auch formell verfehlt ( Fabrizy StPO 10 § 494 Rz 1) jene eines Beschlusses über die Anordnung der Bewährungshilfe enthält wurden Steven H***** und Mario M***** (Letzterer nach § 12 dritter Fall StGB) des Verbrechens der vorsätzlichen Gemeingefährdung nach § 176 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Danach haben am 23. September 2009 (US 5) in Weinberg und anderen Orten

I/ Steven H***** anders als durch eine der in den §§ 169, 171 und 173 StGB mit Strafe bedrohten Handlungen eine Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) einer größeren Zahl von Menschen und fremdes Eigentum in großem Ausmaß herbeigeführt, indem er als Lenker den PKW des Mario M***** auf der Südautobahn beim Autobahnknoten Villach wendete und auf dem Pannenstreifen bei starkem Verkehrsaufkommen etwa 8,5 Kilometer gegen die Fahrtrichtung fuhr;

II/ Mario M***** zu der strafbaren Handlung beigetragen, indem er Steven H***** in seinem Tatentschluss durch diesbezügliche Aufforderung, Zureden und Gutheißen der Geisterfahrt bestärkte.

Während Steven H***** das Urteil unbekämpft ließ, ergriff Mario M***** eine auf Z 5, 5a, 9 lit a, 9 lit b, 10 und 11 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde, der aus dem erstgenannten Grund Berechtigung zukommt.

Rechtliche Beurteilung

Zu Recht zeigt dieser Angeklagte eine Unvollständigkeit der Beweiswürdigung in Ansehung der Feststellungen auf, die zum Tatbestandsmerkmal einer konkreten Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) einer größeren Zahl von Menschen oder fremdes Eigentum in großem Ausmaß getroffen wurden.

Die Tatrichter gingen nämlich weder auf den Abschlussbericht der Autobahnpolizeiinspektion Villach ein, wonach die Angeklagten während ihrer Fahrt mehrere Personen gefährdeten, „jedoch geringes Verkehrsaufkommen“ herrschte (ON 2 in ON 2, S 6), noch auf die Aussagen der Angeklagten, wonach ihnen während der „Geisterfahrt“ den Entscheidungsgründen zufolge über eine Strecke von etwa 8,5 km nur bis zu fünf Fahrzeuge begegnet seien (ON 9 in ON 2, S 3 f; ON 9 S 4; vgl RIS-Justiz RS0112519).

Beweisergebnisse sind immer dann ausdrücklich zu würdigen, wenn sie für die Feststellung entscheidender Tatsachen erheblich sind und bei ihrer Berücksichtigung eine andere Lösung der Beweisfrage denkbar ist.

Der aufgezeigte Begründungsmangel (Z 5 zweiter Fall) war gemäß § 290 Abs 1 zweiter Satz zweiter Fall StPO auch in Ansehung des Angeklagten Steven H***** wahrzunehmen, der das Urteil nicht angefochten hat. Demzufolge war nicht nur das diesen Angeklagten betreffende Urteil, sondern auch der damit im Zusammenhang stehende Beschluss nach §§ 50, 52 StGB zu kassieren.

Weil schon diese Nichtigkeit die Aufhebung des Urteils und die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung nach sich zog (§§ 285e, 288 Abs 2 Z 1 StPO), bedurfte das übrige Beschwerdevorbringen keiner Erörterung.

Mit ihren Berufungen waren der Angeklagte Mario M***** und die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung zu verweisen.