JudikaturJustiz12Os129/78

12Os129/78 – OGH Entscheidung

Entscheidung
23. November 1978

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 23.November 1978

unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Breycha, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, Dr. Kral, Dr. Schneider und Dr. Steininger als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Schnattinger als Schriftführer in der Strafsache gegen Peter A wegen des Vergehens der Körperverletzung nach dem § 83 Abs. 1 StGB. und einer anderen strafbaren Handlung über die von Adolf A als Vater und gesetzlicher Vertreter des Angeklagten gegen das Urteil des Jugendgerichtshofes Wien als Schöffengericht vom 29.Mai 1978, GZ. 4 b Vr 558/78-16, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, der Ausführungen des Vertreters des Adolf A, Rechtsanwalt Dr. Michael Stern, und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Karollus, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das hinsichtlich des Schuldspruches zu Punkt 1 des Urteilssatzes (Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB.) und hinsichtlich des Freispruches unberührt bleibt, im Schuldspruch zu Punkt 2 des Urteilssatzes (Vergehen öffentlicher unzüchtiger Handlungen nach § 218 StGB.) sowie im Strafausspruch aufgehoben und die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung im Umfange der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit ihren Berufungen werden die Staatsanwaltschaft und Adolf A auf diese Entscheidung verwiesen.

Gemäß § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 26.April 1963 geborene, beschäftigungslose Peter A der Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB. und öffentlich unzüchtiger Handlungen nach § 218 StGB. schuldig erkannt, weil er am 18.April 1978 in Wien 1.) Caroline B dadurch am Körper verletzt hat, daß er ihr eine heftige Ohrfeige versetzte, wobei die Genannte eine Rötung der rechten Wange, eine Schädelprellung und eine Jochbeinprellung erlitt, 2.) öffentlich und unter Umständen, unter denen sein Verhalten geeignet war, durch unmittelbare Wahrnehmung berechtigtes örgernis zu erregen, eine unzüchtige Handlung vorgenommen hat, indem er Caroline B in einer öffentlichen Parkanlage an der Brust betastete. Von der weiteren Anklage, versucht zu haben, Caroline B mit Gewalt zum Rauchen bzw. zum Aufheben einer zu Boden gefallenen Zigarette zu nötigen, indem er ihr Ohrfeigen versetzte und sie an den Haaren riß, und hiedurch das Vergehen der versuchten Nötigung nach § 15, 105 Abs. 1 StGB. begangen zu haben, wurde Peter A gemäß § 259 Z. 3 StPO. freigesprochen.

Mit einer auf die Nichtigkeitsgründe der Z. 5 und 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde bekämpft der Vater und gesetzliche Vertreter des Angeklagten Peter A, Adolf A nur den Schuldspruch wegen des Vergehens öffentlicher unzüchtiger Handlungen; den Schuldspruch wegen Körperverletzung läßt er unangefochten. Auch der Teilfreispruch ist in Rechtskraft erwachsen. Der Strafausspruch wird von der Staatsanwaltschaft und von Adolf A mit Berufung angefochten.

Als Begründungsmangel im Sinne des § 281 Abs. 1 Z. 5 StPO. macht der Beschwerdeführer Unvollständigkeit des Ausspruches über entscheidende Tatsachen geltend und rügt, daß das Erstgericht die Aussagen der Entlastungszeugen Erwin C und Susanne D unerörtert gelassen habe, denen zufolge Peter A im Verlauf der Auseinandersetzung aufgesprungen sei und dabei Caroline B völlig unabsichtlich an der Brust gestreift habe, wobei er eine Würdigung dieser Aussagen schon deshalb für unerläßlich erachtet, weil im Urteil selbst auf die Unverläßlichkeit und Widersprüchlichkeit der Behauptungen der Zeugin B hingewiesen werde, und das Erstgericht sich aus diesem Grunde sogar zur Fällung eines Teilfreispruches veranlaßt gesehen habe.

Den materiellen Nichtigkeitsgrund der Z. 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO. erblickt der Beschwerdeführer im Vorliegen eines Feststellungsmangels bezüglich der subjektiven Tatseite.

Rechtliche Beurteilung

Die Nichtigkeitsbeschwerde ist berechtigt.

Dem Urteil haftet zunächst der Begründungsmangel der Unvollständigkeit an. Es übergeht die Aussagen der Zeugen Susanne D, die angab, daß der Angeklagte, als er mit einer Hand die Schaukel, auf der Caroline B saß, erfaßte, lediglich mit dem Handrücken der anderen Hand an der Brust des Mädchens angekommen sei (S. 63, 64) und Erwin C, der behauptete, der Angeklagte sei nur plötzlich aufgesprungen und habe dabei die Brust des Mädchens gestreift (S. 62) - in der Folge gab allerdings dieser Zeuge an, daß er das Berühren der Brust des Mädchens gar nicht gesehen habe (S. 63) - mit Stillschweigen.

Da die Frage, ob der Angeklagte nur zufällig (mit dem Handrücken) die Brust des Mädchens berührt oder aber, wie das Erstgericht angenommen hat, das Mädchen an der Brust betastete, für die Beurteilung der Tat als öffentliche unzüchtige Handlung (§ 218 StGB.) von entscheidungswesentlicher Bedeutung ist, liegt der Begründungsmangel vor. Entgegen der Meinung des Beschwerdeführers war es hingegen dem Schöffengericht unbenommen, dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung entsprechend, der Zeugin Caroline B einen Teil ihrer Angaben zu glauben, hingegen andere Angaben nicht für ausreichend zu erachten, um darauf einen weiteren Schuldspruch zu stützen. Der Vollständigkeit halber sei noch bemerkt, daß das Erstgericht auch die Aussage der Zeugin Karin E, die ebenfalls angab, daß der Angeklagte dem Mädchen auf die Brust gegriffen habe, nicht näher erörterte.

Dem Urteil haftet aber auch der geltend gemachte materielle Nichtigkeitsgrund an. Der Vorsatz des Angeklagten (§ 5 Abs. 1 StGB., bedingter Vorsatz genügt) muß alle Tatbildmerkmale des § 218 StGB. erfassen. Neben der öffentlichen Begehung und der Eignung (Möglichkeit) der Erregung berechtigten örgernisses durch unmittelbare Wahrnehmung muß der Tätervorsatz auch auf die Vornahme unzüchtiger Handlungen gerichtet sein, also auf Handlungen, durch die die Sittlichkeit in geschlechtlicher Beziehung verletzt wird, wobei es allerdings nicht erforderlich ist, daß die Handlung einem erregten Geschlechtstrieb entspringt oder zur Erregung oder zur Befriedigung eines solchen Triebes bestimmt ist (Leukauf-Steininger 975 ff., insbes.

977, 925 ff., 941, 942, Foregger-Serini StGB.2 370, SSt. 17/142). Das angefochtene Urteil enthält in dieser Richtung keine Feststellung.

Der Nichtigkeitsbeschwerde war daher Folge zu geben und das Urteil im Schuldspruch zu Punkt 2 des Urteilssatzes und demzufolge auch im Strafausspruch aufzuheben und die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückzuverweisen.

Mit ihren Berufungen waren demgemäß die Staatsanwaltschaft und der gesetzliche Vertreter des Angeklagten auf diese Entscheidung zu verweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf der angeführten Gesetzesstelle.