JudikaturJustiz12Os122/13b

12Os122/13b – OGH Entscheidung

Entscheidung
08. Mai 2014

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 8. Mai 2014 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger, Mag. Michel und Dr. Michel Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Pichler als Schriftführerin in der Strafsache gegen Mag. Robert R***** wegen des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 und Abs 2 StGB iVm § 161 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 10. Juli 2013, GZ 28 Hv 48/13x 37, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen unbekämpft gebliebenen Freispruch enthält, wurde Mag. Robert R***** des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 und Abs 2 StGB iVm § 161 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er (zusammengefasst und teils ergänzt) in L***** und anderen Orten als faktischer Geschäftsführer, sohin als leitender Angestellter der RE***** GmbH, die Schuldnerin mehrerer Gläubiger war, Bestandteile deren Vermögens „beiseite geschafft und wirklich verringert“ und dadurch die Befriedigung der Gläubiger der Gesellschaft oder wenigstens eines von ihnen um einen jedenfalls 50.000 Euro übersteigenden Betrag vereitelt oder geschmälert, indem er den aus dem Verkauf von Wirtschaftsgütern und Kundenstamm an die A*****-GmbH erzielten Gesellschaftserlös am 9. August 2011 vom Treuhandkonto des Treuhänders Rechtsanwalt Dr. Markus Al***** und im August 2011 vom Konto des Hubert P***** auf sein Privatkonto überweisen ließ, davon betrieblich veranlasste Verbindlichkeiten der Gesellschaft beglich und den verbleibenden Erlös von 149.493,84 Euro ohne betriebliche Veranlassung oder sonstigen Rechtsgrund für sich behielt und nicht an die RE***** GmbH weiterleitete.

Rechtliche Beurteilung

Die vom Angeklagten dagegen aus § 281 Abs 1 Z 4, 5, 5a, 9 lit a, 9 lit b und 10 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde verfehlt ihr Ziel.

Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider wurden durch Nichterledigung „des“ erstmals in der Hauptverhandlung am 18. April 2013 gestellten, unmittelbar danach abgewiesenen (ON 28 S 27 f), nach Neudurchführung der Verhandlung gemäß § 276a zweiter Satz StPO am 10. Juli 2013 wiederholten und (mit Ausnahme der bereits erledigten Vernehmung der Zeugin Mag. Birgit Pe*****; ON 36 S 9 ff) auf „Beiziehung eines Sachverständigen aus dem Fachbereich Wirtschaftsprüfer“ und „Beischaffung und Einsicht in den Akt 34 Cg 95/12a […] des Landesgerichts für ZRS Graz“ gerichteten „Beweisantrags laut ON 26“ (ON 36 S 13) Verteidigungsrechte des Beschwerdeführers nicht verletzt.

Soweit die Anträge zum Beweis dafür gestellt wurden, dass der Angeklagte im inkriminierten Zeitraum allein wirtschaftlich Berechtigter der RE***** GmbH war (ON 26 S 4, Punkt 1./), „keine Bereicherung des Angeklagten“ in der Höhe von 149.493,84 Euro eingetreten sei und er „als allein wirtschaftlich Berechtigter abstrakt betrachtet auch zu selbstschädigendem Verhalten befugt“ gewesen wäre (ON 26 S 4, Punkt 2./) sowie die ihm zur Last gelegten Aktivitäten „durch entsprechende Gesellschafterbeschlüsse gedeckt“ gewesen wären (ON 26 S 5, Punkt 6./), zielen sie auf kein für die Feststellung einer entscheidenden Tatsache erhebliches Beweisthema (vgl Ratz , WK-StPO § 281 Rz 332 und 340 iVm Rz 29 f) ab. Denn zum einen setzt der Tatbestand der betrügerischen Krida nach § 156 StGB keine beim Täter eingetretene und/oder von seinem Vorsatz umfasste Bereicherung voraus, zum anderen ist geschütztes Rechtsgut dieser Bestimmung nicht das Vermögen der Gesellschaft bzw der Gesellschafter, sondern das Interesse der Gläubiger an der Befriedigung ihrer Forderungen (RIS-Justiz RS0128145; Kirchbacher in WK 2 StGB § 156 Rz 2).

Die Anschaffung eines Pkws (ON 26 S 5, Punkt 5./) betrifft ausschließlich das Anklagefaktum I./2./ (ON 12 S 2), zu dem ein (rechtskräftiger) Freispruch erging (US 4).

Mit dem angestrebten Beweisergebnis,

- der Angeklagte habe „in Summe 437.005,04 Euro an privaten Mitteln zur Abdeckung von Verbindlichkeiten der RE***** GmbH verwendet“, weshalb kein „rechnerischer Schaden“ bei der Gesellschaft eingetreten und er „aufgrund seiner umfangreichen persönlichen Zahlungen für die GmbH auch berechtigt“ gewesen sei, „149.493,84 Euro auf sein Privatkonto zur Anweisung zu bringen“ (ON 26 S 4 f, Punkte 3./, 4./ und 5./), und

- er habe „durch seine persönliche Haftung für die Gesellschaft“, seine daraus „resultierenden Zahlungen sowie durch den (bisherigen) Verzicht auf die Geltendmachung seiner restlichen Ansprüche“ gegenüber der Gesellschaft „den Befriedigungsanspruch allfälliger Gläubiger“ weder verringert noch vereitelt oder geschmälert, weshalb auch ein (im Antrag nicht näher umschriebenes) „abstrakt betrachtet rechtmäßiges Alternativverhalten des Angeklagten zu keiner Befriedigung der Gläubiger geführt hätte“ (ON 26 S 5 f, Punkt 6./),

wird erkennbar der Nachweis einer (keine Vermögensverringerung bewirkenden) Aufrechnung im Sinn des § 1438 ABGB angestrebt, ohne dass der Antragsteller das Vorliegen einer ihm zuzurechnenden für den Ausschluss der Strafbarkeit nach § 156 StGB erforderlichen (RIS Justiz RS0102144) Aufrechnungserklärung (vgl RIS Justiz RS0033712, RS0033835 [T6]; Heidinger in Schwimann , ABGB 3 VI, § 1438 Rz 10 f und 13; Leupold in Schwimann , ABGB TaKom 2 § 1438 Rz 5), dh einer nach außen hin sichtbaren Manifestation eines entsprechenden Kompensationswillens auch nur behauptet hätte.

Entgegen dem Einwand der Mängelrüge (Z 5 vierter Fall; inhaltlich auch Z 9 lit a) konnten die Erstrichter den sehr wohl unmissverständlich festgestellten Umstand, dass das Zurückbehalten von Teilen des Verkaufserlöses durch den Angeklagten zu einer Schmälerung des Befriedigungsfonds der Gesellschaftsgläubiger geführt hatte (US 9) und damit für den jedenfalls bei der T***** eingetretenen Schaden im Insolvenzverfahren (US 11) zumindest mitkausal war , mängelfrei aus den als glaubwürdig erachteten Depositionen des Zeugen Emmerich H***** ableiten (US 12).

Zahlungen des Angeklagten zugunsten der Gesellschaft blieben im Urteil (US 10 f) keineswegs unberücksichtigt (Z 5 zweiter Fall), wurden aber vom Schöffensenat soweit sie erst nach der zur Last gelegten Tathandlung stattfanden (US 11) zu Recht (RIS-Justiz RS0113428; Kirchbacher in WK 2 StGB § 156 Rz 10) nur als (teilweise) Schadensgutmachung gewertet (US 13 f).

Dem weiteren Beschwerdevorbringen (Z 5 dritter Fall) zuwider stehen die Begründung zum Schuldspruch wegen § 156 StGB und jene zum Freispruch vom Verbrechen der Untreue nach den Denkgesetzen zueinander nicht im Widerspruch. Denn nach den entscheidungswesentlichen Urteilsannahmen ist die dem Angeklagten zur Last gelegte objektive Tathandlung (im Sinn des § 156 StGB) darin zu erblicken, dass er als faktischer Geschäftsführer der RE***** GmbH, nachdem er im August 2011 die Überweisung des Erlöses der Gesellschaft aus dem Verkauf von Wirtschaftsgütern und des Kundenstamms auf sein Privatkonto veranlasst und daraus betrieblich bedingte Verbindlichkeiten der Gesellschaft (US 2) bzw noch ausstehende Forderungen (richtig:) gegen sie (US 10) beglichen hatte, den verbleibenden Verkaufserlös von 149.493,84 Euro nicht auf das Firmenkonto weiterleitete, sondern „für sich“ behielt und dadurch dem Befriedigungsfond der Gesellschaftsgläubiger entzog (US 9 f). Dabei handelte er mit dem Vorsatz (§ 5 Abs 1 StGB), diesen Vermögensbestandteil der GmbH gegenüber den Gläubigern des Unternehmens zu verheimlichen und dadurch die Befriedigung zumindest eines Gläubigers „in einem unerhobenen, 50.000 Euro jedenfalls übersteigenden Betrag zu vereiteln oder zu schmälern“ (US 10).

Recht besehen liegt demnach dem Schuldspruch wegen des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 StGB und dem Freispruch vom Vorwurf der Untreue (US 3) keineswegs „ein und dieselbe Tathandlung“ zugrunde, weil eine allfällige Untreuehandlung nicht erst im „Zurückbehalten“ von Teilen des Verkaufserlöses, sondern bereits in dessen Überweisung auf das Privatkonto des Angeklagten zu erblicken wäre.

Ferner wies das Erstgericht auch ausdrücklich darauf hin, dass ein für die Unterstellung unter den Tatbestand der betrügerischen Krida nicht essentieller wissentlicher Befugnismissbrauch sowie der Vorsatz des Angeklagten, der RE***** GmbH einen Vermögensnachteil zuzufügen, nicht festgestellt werden konnte (US 11), wobei Letzteres ob der Verschiedenartigkeit des jeweils geschützten Rechtsguts (RIS-Justiz RS0108610) den bejahten Vorsatz auf Gläubigerschädigung (US 10) nach den Kriterien logischen Denkens nicht ausschließt.

Welche im Urteil nicht ohnehin zu seinen Gunsten in Rechnung gestellten Zahlungen und Leistungen des Angeklagten für die Gesellschaft (siehe US 10 sowie bloß als Schadensgutmachung, weil verspätet US 11 und 13) „im Wege der Schadenskompensation schadensmindernd zu berücksichtigen“ gewesen wären, legt die Rüge (der Sache nach Z 9 lit a) nicht dar.

Da die Kausalität der Tathandlung, der jedenfalls bei einem Gläubiger (hier bei der T*****) eingetretene Schaden und damit die Voraussetzungen für die „Vollendung des Delikts“ (vgl Kirchbacher in WK 2 StGB § 156 Rz 19) sowie dessen Höhe sehr wohl konstatiert wurden (US 9 und 11), legt der Nichtigkeitswerber nicht dar, weshalb angesichts der ausreichend individualisierten Tat vom Beschwerdeführer gleichfalls vermisste Feststellungen „betreffend des Tatzeitpunkts“ erforderlich gewesen wären ( Lendl , WK StPO § 260 Rz 14).

Die vom Beschwerdeführer als unzureichend begründet und aktenwidrig (Z 5 vierter und fünfter Fall) kritisierte Urteilsannahme, dass er als faktischer Geschäftsführer agiert hatte (US 6 f), stützten die Erstrichter nicht nur auf die einen maßgeblichen Einfluss auf die Geschäftsführung der Gesellschaft (vgl § 74 Abs 3 StGB) zumindest ansatzweise einräumende (ON 28 S 8 f) Verantwortung des Angeklagten selbst, sondern auch auf die Depositionen der Zeugen Emmerich H*****, Annemarie Ts*****, Brigitte S*****, Dr. Georg Ha*****, Ing. Andreas M***** und Hubert P***** (US 11 f). Aktenwidrigkeit im Sinn eines Fehlzitats aus einem Protokoll oder einer Urkunde wird damit nicht aufgezeigt ( Ratz , WK StPO § 281 Rz 467 f).

Aus der faktischen Geschäftsführertätigkeit des Angeklagten wiederum leiteten die Tatrichter logisch und empirisch einwandfrei seine Kenntnis von der „tristen finanziellen Lage der Re*****“ und den behängenden Exekutionsverfahren (US 9 und 12) ab. Die einen Schädigungsvorsatz leugnende Verantwortung des Angeklagten wurde demgegenüber im Rahmen freier Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) als Schutzbehauptung verworfen und die festgestellte innere Tatseite zulässig ( Ratz , WK StPO § 281 Rz 452) mit dem äußeren Tatgeschehen begründet (US 12).

Die Tatsachenrüge (Z 5a) verfehlt mangels deutlicher und bestimmter Bezeichnung jener Tatumstände, welche den Nichtigkeitsgrund bilden sollten (§§ 285 Abs 1 letzter Satz iVm 285a Z 2 StPO), ihre gesetzmäßige Darstellung.

Soweit die Rechtsrüge (Z 9 lit b) offenbar mit Blick auf eine (frühestens im „April/Mai 2012“ erfolgte) Tilgung offener Forderungen aus einem Kontokorrentkredit in der Höhe von rund 100.000 Euro durch den Angeklagten (US 11) und daraus abzuleitende tätige Reue fehlende (indes nicht näher bezeichnete; vgl RIS-Justiz RS0118342) Feststellungen über „eine nachvollziehbare Chronologie der verfahrensrelevanten Vorgänge“ reklamiert, übergeht sie die der Annahme des Strafaufhebungsgrundes nach § 167 StGB entgegenstehenden (vgl Abs 2 leg cit) Konstatierungen über die bereits zuvor am 20. Februar 2012 an die Staatsanwaltschaft Innsbruck übermittelte Sachverhaltsdarstellung (US 10) sowie die nicht vollständige Schadensgutmachung (US 13 f).

Mit dem nicht weiter ausgeführten Einwand, die Frage nach der Abgrenzung zwischen Versuch und Vollendung der Tat sei „völlig außer Acht gelassen worden“, wird bei dem hier als erwiesen angenommenen Vorsatz in Bezug auf eine Vereitelung oder Schmälerung der Gläubigerbefriedigung in einem 50.000 Euro jedenfalls übersteigenden Betrag (US 10) bloß ein Umstand der der Subsumtion nachgelagerten Strafbemessung angesprochen (RIS Justiz RS0122138 [insbes T5]).

Indem die Subsumtionsrüge (Z 10) jegliche Konstatierungen zur Deliktsqualifikation nach § 156 Abs 2 StGB vermisst, lässt sie die erwähnten zumindest versuchte Tatbegehung tragenden Feststellungen zur subjektiven Tatseite (US 10) unbeachtet und verfehlt damit den gesetzlichen Bezugspunkt.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur bereits bei nichtöffentlicher Beratung gemäß § 285d Abs 1 StPO sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).

Dieses wird dabei ohne diesbezüglich an die Konstatierungen der Tatrichter gebunden zu sein zu berücksichtigen haben (RIS-Justiz RS0119220 [T4], RS0118870; Ratz , WK-StPO § 283 Rz 1), dass die bisherigen Feststellungen zur Annahme einer Deliktsvollendung nicht ausreichen und das Schöffengericht die Berücksichtigung des solcherart maßgebend gewesenen Milderungsgrundes des Versuchs (§ 34 Abs 1 Z 13 zweiter Fall StGB) abgelehnt hat (§ 281 Abs 1 Z 11 zweiter Fall StPO; vgl 14 Os 42/09x; Fabrizy , StPO 11 § 281 Rz 76c).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Rechtssätze
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