JudikaturJustiz12Os115/00

12Os115/00 – OGH Entscheidung

Entscheidung
19. Oktober 2000

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 19. Oktober 2000 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Rzeszut als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schindler, Dr. Adamovic, Dr. Holzweber und Dr. Philipp als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Krüger als Schriftführer, in der Strafsache gegen Alexander A***** wegen des Verbrechens der gleichgeschlechtlichen Unzucht mit Personen unter achtzehn Jahren nach § 209 StGB und weiterer strafbarer Handlungen, AZ 30 EVr 1568/94 des Landesgerichtes Linz, über die vom Generalprokurator erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen die Beschlüsse 1. des Landesgerichtes Linz vom 25. November 1996, GZ 30 EVr 1568/94-126 sowie 2. des Oberlandesgerichtes Linz vom 24. Jänner 1997, AZ 8 Bs 27/97 (= ON 130), nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin des Generalprokurators, Generalanwältin Dr. Bierlein, jedoch in Abwesenheit des Freigesprochenen und seines Verteidigers zu Recht erkannt:

Spruch

In der Strafsache gegen Alexander A*****, AZ 30 E Vr 1568/94 des Landesgerichtes Linz, wurde durch die Unterlassung einer öffentlichen Verhandlung über die vom Genannten nach § 2 Abs 1 lit b StEG geltend gemachten Ersatzansprüche, sowie durch die Unterlassung der öffentlichen Verkündung des Beschlusses dieses Gerichtes vom 25. November 1996 (ON 126/II) und des Beschlusses des Oberlandesgerichtes Linz als Beschwerdegericht vom 24. Jänner 1997 (AZ 8 Bs 27/97 = ON 130/II), das Gesetz in den Bestimmungen des § 6 Abs 3 und Abs 4 StEG in Verbindung mit Art 6 Abs 1 EMRK verletzt.

Der Beschluss des Oberlandesgerichtes Linz wird aufgehoben und es wird diesem Gericht die an den dargelegten Verfahrensgrundsätzen orientierte Verfahrenserneuerung aufgetragen.

Text

Gründe:

Alexander A***** befand sich im Verfahren AZ 30 E Vr 1568/94 des Landesgerichtes Linz vom 11. Oktober 1995 (S 203/I, ON 39/I) bis 31. Juli 1996 (ON 105, 106/II) in Untersuchungshaft.

Von dem gegen ihn wegen der Verbrechen der gleichgeschlechtlichen Unzucht mit Personen unter achtzehn Jahren und der schweren Nötigung sowie des Vergehens der schweren Körperverletzung erhobenen Strafantrag wurde er teils im ersten Rechtsgang (ON 83/II), teils im zweiten Rechtsgang (ON 113/II) - jeweils mangels Schuldnachweises - gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Mit nichtöffentlich gefasstem Beschluss vom 25. November 1996 (ON 126/II) stellte das Landesgericht Linz über Antrag des Genannten fest, dass die im § 2 Abs 1 lit b StEG bezeichneten Anspruchsvoraussetzungen gegeben sind. Einer dagegen erhobenen Beschwerde der Staatsanwaltschaft gab das Oberlandesgericht Linz, gleichfalls ohne Durchführung einer öffentlichen Verhandlung und ohne den Beschluss öffentlich zu verkünden, am 24. Jänner 1997 zum AZ 8 Bs 27/97 (ON 130/II), dahin Folge, dass dem Anspruchswerber für die Zeit seiner Anhaltung in Untersuchungshaft ein Entschädigungsanspruch nicht zuerkannt wurde.

Rechtliche Beurteilung

Zutreffend zeigt die Generalprokuratur gemäß § 33 Abs 2 StPO auf, dass von beiden Gerichten im Verfahren zur Feststellung der Anspruchsvoraussetzungen des Alexander A***** nach § 2 Abs 1 lit b StEG insoferne in mehrfacher Hinsicht relevante strafprozessuale Prinzipien verletzt wurden, als ein an den Verfahrensgarantien des Art 6 Abs 1 EMRK orientiertes Entschädigungsverfahren nach derzeitiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (siehe die Urteile des EGMR vom 24. November 1997, Werner gegen Österreich - ÖJZ-MRK 1998/12 = NL 97/6/10, sowie vom 21. März 2000, Asan Rushiti gegen Österreich = NL 00/2/4) und des Obersten Gerichtshofes (13 Os 150/98, 13 Os 154/98, 13 Os 86/99 und 13 Os 54, 55/00) unabdingbar die Durchführung einer öffentlichen Verhandlung und die öffentliche Verkündung der Entscheidung (vgl § 77 Abs 1 erster Fall StPO) verlangt.

Die aufgezeigten rechtsfehlerhaften Vorgänge geben in Ansehung der Entscheidung des Gerichtshofs zweiter Instanz Anlass zu einem Vorgehen nach § 292 letztem Satz StPO.

Rechtssätze
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