JudikaturJustiz12Ns58/18b

12Ns58/18b – OGH Entscheidung

Entscheidung
04. März 2019

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 4. März 2019 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oshidari und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel Kwapinski, Dr. Mann und Dr. Brenner in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Rögner als Schriftführerin in der Strafsache gegen György H***** wegen des Vergehens der Urkundenfälschung nach § 223 Abs 2 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung in dem zu AZ 17 U 313/18x des Bezirksgerichts Linz und zu AZ 15 U 126/18g des Bezirksgerichts Fürstenfeld zwischen diesen Gerichten geführten Zuständigkeitsstreit nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Für die Durchführung des Strafverfahrens ist das Bezirksgericht Fürstenfeld zuständig.

Text

Gründe:

Die Staatsanwaltschaft Graz legte György H***** mit Strafantrag vom 11. Oktober 2018, eingebracht beim Bezirksgericht Fürstenfeld zum AZ 15 U 126/18g (ON 9), zur Last,

er habe „am 20. Dezember 2017

1. in Hainfeld bei Fürstenfeld eine falsche Urkunde, nämlich das totalgefälschte deutsche Händlerkennzeichen durch Montieren auf seinen PKW im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechtes, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache, nämlich der ordnungsgemäßen KFZ-Zulassung gebraucht.

2. in Linz fremde bewegliche Sachen, nämlich diverse Toiletteartikel im Gesamtwert von EUR 1.700,00 bis dato nicht ausgeforschten Personen mit dem Vorsatz weggenommen, sich oder einen Dritten durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern.“

Dadurch habe er die Vergehen der Urkundenfälschung nach § 223 Abs 2 StGB (1./) sowie des Diebstahls nach § 127 StGB (2./) begangen.

Das Bezirksgericht Fürstenfeld überwies das Verfahren mit Verfügung vom 25. Oktober 2018 an das seiner Ansicht nach örtlich zuständige Bezirksgericht Linz. Dabei führte es aus, dass der Angeklagte „bei der Kontrolle durch die Polizei“ (zu 1./ des Strafantrags) „bereits mit dem Diebesgut aus der zu Pkt 2 angeklagten Tat angetroffen“ worden sei. Daher handle es sich „bei dem Vorwurf des Diebstahls in Linz um die frühere Tat, nach welcher sich auch die Zuständigkeit richtet“ (ON 1 S 2).

Das Bezirksgericht Linz legte den Akt (nunmehr) AZ 17 U 313/18x am 31. Oktober 2018 – verfehlt über das Oberlandesgericht Linz (vgl den nur auf Delegierungen anzuwendenden § 590 Geo; 14 Ns 21/15x; Oshidari , WK StPO § 38 Rz 13) – dem Obersten Gerichtshof gemäß § 38 (dritter Satz) StPO zur Entscheidung des negativen Kompetenzkonflikts vor. Zur Begründung führte es aus, die Zuständigkeit des Bezirksgerichts Linz gehe aus dem Akt nicht hervor, weil nicht erkennbar sei, „ob die in Punkt 2 des Strafantrags ON 9 bezeichnete Tat in 4020 oder 4040 Linz stattgefunden hat und ob somit eine Zuständigkeit des Bezirksgerichtes Linz oder des Bezirksgerichtes Urfahr vorliegt“. Der vom Bezirksgericht Fürstenfeld vertretenen Ansicht, wonach es sich bei der unter Punkt 2./ des Strafantrags angeführten Tat um die „frühere Tat“ handle, trat das Bezirksgericht Linz nicht entgegen (ON 1 S 3 und 5).

Rechtliche Beurteilung

Nach § 36 Abs 3 StPO knüpft die örtliche Zuständigkeit im Hauptverfahren – abgesehen von hier nicht in Rede stehenden Sonderzuständigkeiten – primär an den Ort der (versuchten) Tatausführung, mithin an den Ort der Handlung an. Für den Fall, dass der Handlungsort im Ausland liegt oder nicht festgestellt werden kann, normiert § 36 Abs 3 zweiter Satz StPO subsidiäre Zuständigkeitstatbestände, nämlich zunächst den Ort des (versuchten) Erfolgseintritts, für den Fall, dass es an einem solchen fehlt, den Wohnsitz oder Aufenthalt des Täters und – in Ermangelung auch eines solchen – den Ort seiner Betretung.

Wird eine Person wegen mehrerer Straftaten angeklagt, ist das Hauptverfahren vom selben Gericht gemeinsam zu führen (§ 37 Abs 1 erster Satz StPO). In diesem Fall kommt das Verfahren – soweit hier relevant – gemäß § 37 Abs 2 zweiter Satz StPO jenem Gericht zu, in dessen Zuständigkeit die frühere Straftat fällt. Eine Zuständigkeitsbegründung über die das Ermittlungsverfahren leitende Staatsanwaltschaft kommt im bezirksgerichtlichen Verfahren nicht in Betracht, weil § 37 Abs 2 dritter Satz StPO auf die ermittlungsführende Staatsanwaltschaft am Sitz des Landesgerichts abstellt (RIS-Justiz RS0129078; Oshidari , WK-StPO § 37 Rz 6).

Nach den mängelfrei und aktenkonform begründeten Erwägungen des Bezirksgerichts Fürstenfeld (ON 1 S 2), denen wie dargestellt auch die Richterin des Bezirksgerichts Linz nicht entgegentrat (ON 1 S 3), handelt es sich bei der unter Punkt 2./ des Strafantrags angeführten Tat um die „frühere Tat“ im Sinne des § 37 Abs 2 zweiter Satz StPO. Hatte doch György H***** am 20. Dezember 2017 im Zeitpunkt der polizeilichen Kontrolle im Sprengel des Bezirksgerichts Fürstenfeld an dem von ihm zuvor in Linz gekauften Pkw ein total gefälschtes deutsches Händlerkennzeichen montiert, wobei im Zuge der Fahrzeugdurchsuchung die zu Punkt 2./ des Strafantrags inkriminierten Toilettartikel vorgefunden worden waren (ON 2 S 4). Hinsichtlich dieser hatte der Angeklagte angegeben, sie (schon) in Linz, unmittelbar nach dem Autokauf, von Unbekannten erworben zu haben (ON 2 S 15), während er nach der Aussage des Zeugen Stefan D***** zum Autokauf in 4020 Linz schon Parfums und Drogerieartikel in seiner Umhängetasche mitgebracht hatte (ON 8 S 15).

Die Zuständigkeit für das Hauptverfahren richtet sich daher nach der gemäß § 36 Abs 3 StPO zu bestimmenden Zuständigkeit für diese Tat.

Aufgrund der Aktenlage kann der Ausführungsort weder – wie das Bezirksgericht Linz zutreffend erkannt hat – innerhalb des Stadtgebiets von Linz zugeordnet werden, noch liegen Beweisergebnisse vor, die konkret auf einen anderen Ort der Tatbegehung hinweisen. Solcherart kommen die subsidiären Anknüpfungspunkte des § 36 Abs 3 zweiter Satz StPO zum Tragen.

Unabhängig davon, ob es sich beim Diebstahl um ein schlichtes Tätigkeitsdelikt oder ein Erfolgsdelikt handelt (siehe dazu Stricker in WK² StGB § 127 Rz 11 mwN), wobei (nur) bei Zweiterem eine Anknüpfung an den Erfolgsort in Betracht kommt (RIS-Justiz RS0127317), ist nach dem Akteninhalt auch insoweit eine Zuordnung nicht möglich.

Mangels eines im Inland gelegenen Wohn oder Aufenthaltsorts des Angeklagten (vgl ON 2 S 9 und 14) richtet sich die örtliche Zuständigkeit im vorliegenden Fall nach dem Ort seiner im Sprengel des Bezirksgerichts Fürstenfeld liegenden Betretung (ON 2 S 3f). Denn unter Betretungsort ist jeder Ort zu verstehen, an dem der Angeklagte angetroffen worden ist. Eine Festnahme ist nicht notwendig ( Salimi in WK² StGB § 65 Rz 19; Oshidari , WK StPO § 36 Rz 6).

Die Akten waren daher – entgegen der Stellungnahme der Generalprokuratur, die auf die früheste dem Angeklagten zur Last gelegte, einem bestimmten Tatort zuordenbare Tat abstellt und (unter eigener Beweiswürdigung des Akteninhalts) davon ausgeht, dass das zu 1./ des Strafantrags inkriminierte Verhalten (auch schon) im Sprengel des Bezirksgerichts Linz begangen wurde – dem Bezirksgericht Fürstenfeld zu übermitteln.