JudikaturJustiz12Ns33/22g

12Ns33/22g – OGH Entscheidung

Entscheidung
12. August 2022

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 12. August 2022 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Oshidari, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel Kwapinski und Dr. Brenner und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in der Strafsache gegen * D* und andere Angeklagte wegen des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen, AZ 14 Hv 10/22d des Landesgerichts Leoben, über Vorlage gemäß § 215 Abs 4 zweiter Satz StPO durch das Oberlandesgericht Graz, AZ 1 Bs 27/22p, nach Anhörung der Generalprokuratur gemäß § 62 Abs 1 zweiter Satz OGH Geo 2019 den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Sache wird dem Oberlandesgericht Linz zur Entscheidung über den Einspruch des Angeklagten * Du* gegen die Anklageschrift übermittelt.

Text

Gründe:

[1] Mit beim Landesgericht Leoben eingebrachter Anklageschrift vom 5. Jänner 2022 (ON 12) legt die Staatsanwaltschaft Salzburg dem am 10. Oktober 2003 geborenen * Du* und drei Mitangeklagten eine jeweils als „Verbrechen der schweren Körperverletzung nach § 84 Abs 4 und Abs 5 Z 2 StGB“ (vgl aber RIS Justiz RS0132358 [T1]) sowie dem jungen Erwachsenen * B* eine als Verbrechen der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 StGB beurteilte Handlung zur Last. Demnach hätten – soweit hier von Relevanz – der Angeklagte und B* am 10. Oktober 2021 in S* im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit drei bekannten und einem unbekannten Täter sowie in verabredeter Verbindung von zumindest zwei von ihnen * Z* (B* absichtlich) am Körper verletzt und an der Gesundheit geschädigt, indem ihm (unter anderem) B* mit einer Glasflasche auf den Kopf geschlagen und * Du* auf ihn eingetreten und eingeschlagen habe, und dadurch eine schwere Körperverletzung und Gesundheitsschädigung, nämlich Schnittverletzungen und Brüche des Jochbeins und des Kiefers verbunden mit einer länger als 24 Tage dauernden Gesundheitsschädigung „bzw“ Berufungsunfähigkeit, herbeigeführt.

Rechtliche Beurteilung

[2] Gegen die Anklageschrift erhob * Du* Einspruch aus dem Grund des § 212 Z 6 StPO (ON 23) und führte dazu unter Hinweis auf § 29 JGG begründend (unter anderem) aus, dass der Einspruchswerber im Tatzeitpunkt Jugendlicher gewesen sei und er zu Beginn des Strafverfahrens seinen Wohnsitz im Sprengel des Landesgerichts Salzburg gehabt habe.

[3] Mit Beschluss vom 15. Juni 2022, AZ 1 Bs 27/22p, legte das Oberlandesgericht Graz – nach Verneinung der Einspruchsgründe der Z 1 bis 5 sowie 7 und 8 des § 212 StPO (vgl RIS Justiz RS0124585) – die Akten gemäß § 215 Abs 4 zweiter Satz StPO dem Obersten Gerichtshof vor, weil es für möglich hielt, dass ein im Sprengel eines anderen Oberlandesgerichts liegendes Gericht zuständig sei, wobei dies auch auf die Mitangeklagten des Einspruchswerbers zutreffe (BS 6).

Der Oberste Gerichtshof hat erwogen:

[4] Unter einer Jugendstrafsache ist ein Strafverfahren wegen einer Jugendstraftat (§ 1 Abs 1 Z 3 JGG) zu verstehen (§ 1 Abs 1 Z 4 JGG). Eine solche liegt hier vor, weil der Einspruchswerber am Tag der Tat zwar seinen 18. Geburtstag gefeiert hatte, das 18. Lebensjahr aber erst mit 0 Uhr des Folgetags vollendete (12 Os 24/17x; Schroll in WK² JGG § 1 Rz 1/1; vgl unter dem Gesichtspunkt der Strafmündigkeit RIS Justiz RS0103987). Somit war er im Tatzeitpunkt Jugendlicher (§ 1 Abs 1 Z 2 JGG).

[5] Für Jugendstrafsachen ist das Gericht örtlich zuständig, in dessen Sprengel der Jugendliche zu Beginn des Strafverfahrens seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat oder hatte (§ 29 JGG). Demnach ist hier die am 16. Dezember 2021 erfolgte staatsanwaltschaftliche Anordnung (§ 99 Abs 1 zweiter Teilsatz StPO) der Vernehmung des * Du* als Beschuldigten (also einer Beweisaufnahme nach dem 8. Hauptstück der StPO [§ 91 Abs 2 zweiter Satz StPO]) zur Aufklärung des (gegen ihn gerichteten) Verdachts der Begehung der § 84 Abs 4 StGB subsumierten Tat zum Nachteil des Z* (ON 8) maßgeblich (§ 1 Abs 2 erster Satz StPO). Zu diesem Zeitpunkt wohnte der Genannte in B* (ON 9 S 42, ON 11 S 1), sodass das Landesgericht Salzburg zur Führung des Hauptverfahrens gegen ihn zuständig ist (vgl zur gemeinsamen Führung der Hauptverfahren in einer Jugendstrafsache und einer Strafsache gegen einen [hier jungen] Erwachsenen im Fall der Beteiligung an derselben Straftat von dem für die Jugendstrafsache zuständigen Gericht § 34 Abs 1 JGG; zur Zulässigkeit abgesonderter Verfahrensführung bei [hier vorliegender] Höherrangigkeit der Strafsache gegen den [jungen] Erwachsenen § 34 Abs 2 Z 2 JGG).

[6] Demnach war – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – die Sache gemäß § 215 Abs 4 zweiter Satz letzter Halbsatz StPO dem Oberlandesgericht Linz zu übermitteln, das (unter Beachtung des § 214 Abs 2 StPO hinsichtlich der Mitangeklagten) über den Anklageeinspruch des * Du* zu entscheiden hat (vgl erneut RIS Justiz RS0124585).

Rechtssätze
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