JudikaturJustiz11Os92/07z

11Os92/07z – OGH Entscheidung

Entscheidung
21. August 2007

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 21. August 2007 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner, Dr. Danek, Dr. Schwab und Mag. Lendl als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Gutlederer als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Franz W***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 2. April 2007, GZ 039 Hv 52/07g-26, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Franz W***** von der wider ihn erhobenen Anklage, er habe in Jenbach

A) von Oktober/November 1999 bis zum 5. März 2002 mit seiner am 5. März 1984 geborenen Tochter Maria W*****, sohin mit einer mit ihm in absteigender Linie verwandten minderjährigen Person, in mehreren Zugriffen eine geschlechtliche Handlung vorgenommen, indem er mit ihr den Beischlaf vollzog,

B a) von Oktober/November 1999 bis zum 5. März 2004 in mehreren Zugriffen und

b) im Juni 2006

mit seiner Tochter Maria W*****, mithin mit einer Person, die mit ihm in gerader Linie verwandt ist, den Beischlaf vollzogen,

C) im Juni 2006 Maria W***** mit Gewalt zur Duldung des Beischlafs

genötigt, indem er gegen ihren Widerstand ihre Oberschenkel auseinanderdrückte und in sie eindrang,

gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Rechtliche Beurteilung

Diesen Freispruch bekämpft die Staatsanwaltschaft mit einer auf § 281 Abs 1 Z 5 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, welcher indes keine Berechtigung zukommt.

Ein Widerspruch auf der Begründungsebene (Z 5 dritter Fall), wie ihn die Beschwerdeführerin behauptet, ist dann gegeben, wenn die Erwägungen des Gerichtes für die Feststellung einer entscheidenden, mithin schuld- oder subsumtionsrelevanten Tatsache einander ausschließen, also ein von zwei Argumenten aus logischen Gründen (Satz vom Widerspruch: vgl Ratz, WK-StPO § 281 Z 5 Rz 438) notwendig falsch sein muss. Sind die Argumente nach den Denkgesetzen und grundlegendem Erfahrungswissen nicht unvereinbar, dann liegt ein Widerspruch iSd Z 5 dritter Fall nicht vor. Dass auch andere Schlüsse als die vom Gericht gezogenen möglich sind, begründet daher keine Nichtigkeit.

Vorliegend erblickt die Beschwerdeführerin einen Widerspruch zunächst darin, dass das Schöffengericht einerseits der Zeugin Maria W***** auf Grund ihrer (völlig widersprüchlichen: US 6 oben) Angaben zum (nicht inkriminierten) Vorfall vom November 2006 die Glaubwürdigkeit abgesprochen hat, andererseits die Unverlässlichkeit der Angaben dieser Zeugin mit einer widersprüchlichen Darstellung der Vorfälle von Oktober 1999 bis 5. März 2002 (Punkt A des Urteilstenors) gegenüber ihren Freunden und die „letztlich unrichtige und ihren Vater belastende Darstellung betreffend den Vorfall vom Juni 2006" (B b) begründet. Dass diese beiden Urteilsaussagen einander nicht ausschließen, ist nach dem Vorgesagten evident, sodass von einer widersprüchlichen Begründung in der Bedeutung des relevierten Nichtigkeitsgrundes keine Rede sein kann.

Soweit die Beschwerdeführerin darauf verweist, dass die Tatrichter, die vorerst von widerlegten Anschuldigungen zum Vorfall im November 2006 ausgingen (US 6, erster Absatz), im Folgenden (zweiter Absatz) aber die Unglaubwürdigkeit der Zeugin auf die „letztlich unrichtige" Darstellung des Vorfalls von Juni 2006 gründeten, liegt in letzterem kein Widerspruch, wohl aber ein Zirkelschluss, weil die Unglaubwürdigkeit der Zeugin mit der infolge ihrer mangelnden Glaubwürdigkeit als falsch beurteilten Anschuldigung begründet wurde. Indes ist darauf nicht näher einzugehen, weil sich aus dem Zusammenhang eindeutig ergibt, dass es sich bei der Datierung des Vorfalls auf „Juni 2006" um ein offenkundiges Versehen handelt, es vielmehr „November 2006" zu heißen hat.

Die für diesen (auch von der Beschwerdeführerin erwogenen) Fall behauptete Aktenwidrigkeit ist nicht gegeben, hat Maria W***** doch gegenüber ihrem Freund Johannes R***** im November 2006 klar zum Ausdruck gebracht, dass „der Papa wieder etwas mit ihr gemacht hat", worunter bei Bedachtnahme auf die sonstigen Begleitumstände die Durchführung eines Geschlechtsverkehrs zu verstehen ist. Darüber hinaus erwähnte Maria W***** auch anlässlich der ärztlichen Untersuchung am 11. November 2006 gegenüber Dr. Ro*****, von einem nahen Verwandten zum wiederholten Mal „vergewaltigt" worden zu sein (S 265 iVm S 279). Soweit das Schöffengericht diese - von der Staatsanwaltschaft nicht weiter verfolgten (S 3g) - Vorwürfe als unrichtig bezeichnete, wurde damit der eine entscheidende Tatsache betreffende Inhalt einer Aussage oder eines anderen Beweismittels im Urteil nicht unrichtig oder unvollständig wiedergegeben. Als Widerspruch rügt die Beschwerdeführerin weiters, dass das Erstgericht die kontradiktorische Aussage der Zeugin Maria W***** zu den Vorfällen von Oktober/November 1999 bis 5. März 2002 und Juni 2006 als schlüssig und nachvollziehbar, ihre zunächst widersprüchlichen Angaben zur Person des Täters als aus der forensischen Medizin bekannt und die dazu abgegebene Erklärung ebenfalls als nachvollziehbar bezeichnete, dagegen die Negativfeststellung zum Vorfall vom Juni 2006 mit der Darstellung dieser Vorfälle durch die Zeugin und die letztlich unrichtige, ihren Vater belastende Darstellung betreffend den Vorfall vom Juni 2006 (richtig: November 2006) begründete. Dabei übersieht die Beschwerdeführerin, dass mit der Beurteilung der Tatschilderung und der Erklärung der zunächst - zugestandenermaßen - unrichtigen Täterbezeichnungen als schlüssig und nachvollziehbar nichts darüber ausgesagt wird, dass die Tatschilderungen für wahr gehalten wurden. Vielmehr wird in der Folge (US 6 zweiter Absatz) klargestellt, dass der Zeugin erst durch die Darstellung des Vorfalles vom November 2006 in Verbindung mit den divergierenden Beschreibung der vorangegangenen Vorfälle die Glaubwürdigkeit insgesamt abgesprochen wurde. Schließlich ist die Begründung der Urteilsannahme, die dem Angeklagten angelasteten Straftaten könnten mit der für ein Strafverfahren geforderten Sicherheit nicht festgestellt werden, auch nicht unvollständig (Z 5 zweiter Fall), gingen die Tatrichter doch auf die als unbeachtet geblieben gerügten Aussagen der Zeugen Kathrin A***** und Johannes R***** ausdrücklich unter Benennung der Fundstellen ein (US 5).

Die von der Beschwerdeführerin reklamierte Auseinandersetzung mit Depositionen der Zeugen Maria und Gisela W***** zum Vorfall im November 2006 wiederum betrifft keine entscheidenden Tatsachen, weil dieser Übergriff nicht Gegenstand der Anklage war.

Soweit die Staatsanwaltschaft Feststellungen zum Freispruch vom Vorwurf der Blutschande für den Zeitraum 6. März 2002 bis 5. März 2004 vermisst, ist ihr zu entgegnen, dass der Freispruch zweifelsfrei den gesamten Anklagepunkt B a umfasst (US 3), im Rahmen der Negativfeststellungen bei Anführung des Tatzeitraumes November 1999 bis 5. März 2002 neuerlich ein Schreibfehler vorliegt und nach den beweiswürdigenden Erwägungen der Tatrichter der Zeugin Maria W***** „hinsichtlich all ihrer Schilderungen", sohin auch für den Zeitraum 6. März 2002 bis 5. März 2004 die für einen Schuldspruch erforderliche Glaubwürdigkeit fehlt (US 6).

Die zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war somit - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur - bereits bei nichtöffentlicher Beratung zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Rechtssätze
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