JudikaturJustiz11Os81/98

11Os81/98 – OGH Entscheidung

Entscheidung
25. August 1998

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 25. August 1998 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuch als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner, Dr. Schmucker, Dr. Habl und Dr. Zehetner als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Kofler als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Leopold H***** wegen des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 1 StGB, AZ U 22/96 des Bezirksgerichtes Eggenburg, über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen den Vorgang, daß ein Protokollvermerk und eine gekürzte Urteilsausfertigung abgefaßt sowie die Zustellung an den (abwesenden) Beschuldigten unterlassen wurde, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Tiegs und des Verteidigers Dr. Wächter zu Recht erkannt:

Spruch

Im Verfahren gegen Leopold H***** wegen des Vergehens nach § 88 Abs 1 StGB, AZ U 22/96 des Bezirksgerichtes Eggenburg, wurde das Gesetz durch das Unterbleiben der Zustellung einer Urteilsausfertigung an den Beschuldigten sowie durch die Abfassung eines Protokollvermerks und einer gekürzten Urteilsausfertigung (ON 19 a) in den Bestimmungen der §§ 270 Abs 1, 458 Abs 2 und Abs 3, 459 letzter Satz StPO verletzt.

Die Punkte 1.-6. der Endverfügung vom 29. April 1997 (ON 21) sowie alle darauf beruhenden Beschlüsse und Verfügungen werden aufgehoben.

Dem Bezirksgericht Eggenburg wird aufgetragen, das Protokoll über die Hauptverhandlung vom 10. April 1997 gemäß § 271 Abs 4 StPO zu übertragen, das an diesem Tag gefällte und verkündete Urteil gemäß § 270 StPO auszufertigen und dem Beschuldigten gemäß § 459 letzter Satz StPO zuzustellen.

Text

Gründe:

Mit Urteil des Bezirksgerichtes Eggenburg vom 10. April 1997, GZ U 22/96-19a, wurde Leopold H***** des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 1 StGB schuldig erkannt und zu einer - teilbedingten (§ 43a Abs 1 StGB) - Geldstrafe verurteilt.

Während der Hauptverhandlung vom 10. April 1997 und der Urteilsverkündung war der Machthaber des Beschuldigten, der gleichzeitig dessen Verteidiger war, nicht aber auch der Beschuldigte anwesend (S 131).

Die Bezirksanwältin und der Verteidiger gaben zum Urteil keine Erklärung ab (S 134) und meldeten innerhalb der dreitägigen Anmeldungsfrist (§ 466 Abs 1 StPO) keine Berufung an.

Das Gericht stellte dem Beschuldigten keine Ausfertigung des Urteils zu, sondern verfaßte nach Verstreichen dieser Frist einen Protokollvermerk sowie eine gekürzte Urteilsausfertigung und beurkundete im Punkt 1. der Endverfügung vom 29. April 1997 (ON 21) die Rechtskraft des Urteils mit 14. April 1997. Einen auf Aufhebung der Endverfügung und der Rechtskraft des Urteils gerichteten Antrag der Bezirksanwältin wies es mit der Begründung zurück, daß der Machthaber des (abwesenden) Beschuldigten auch als - zur Abgabe von Rechtsmittelerklärungen befugter - Verteidiger eingeschritten sei, jedoch - ebenso wie die Bezirksanwältin - keine Erklärung abgegeben und während der dreitägigen Frist keine Berufung angemeldet habe, sodaß die Rechtskraft des Urteils eingetreten sei und es der Zustellung einer Urteilsausfertigung nicht bedurft habe (ON 24).

Rechtliche Beurteilung

Die Vorgangsweise des Bezirksgerichtes Eggenburg steht - wie der Generalprokurator in seiner gemäß § 33 Abs 2 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend aufzeigt - mit dem Gesetz in mehrfacher Hinsicht nicht im Einklang:

Gemäß § 459 letzter Satz StPO ist dem (von der Hauptverhandlung) ausgebliebenen Beschuldigten (stets) eine amtliche Abschrift des (Abwesenheits )Urteils samt Rechtsmittelbelehrung zuzustellen, und zwar - entgegen der Auffassung des Bezirksgerichtes Eggenburg - selbst dann, wenn er durch einen Verteidiger oder Machthaber vertreten war (vgl 13 Os 134/96 = JUS-Extra OGH St 2176, 2177 = ÖJZ-LSK 1997/71). Erst von dieser Zustellung an laufen (ua) die Rechtsmittelfristen (Foregger/Kodek StPO7 Anm IV zu § 459).

Es konnte daher vorliegend - ungeachtet des Unterbleibens einer Rechtsmittelanmeldung - das Urteil nicht in Rechtskraft erwachsen, sodaß auch deren Feststellung in der Endverfügung vom 29. April 1997 (S 151) unrichtig ist und den darauf basierenden weiteren Verfahrensschritten die notwendige Grundlage fehlt.

Da andererseits die Rechtskraft des Urteils Voraussetzung für eine Ersetzung des Hauptverhandlungsprotokolls durch einen vom Richter und vom Schriftführer zu unterschreibenden Vermerk (§ 458 Abs 2 StPO) sowie für eine gekürzte Urteilsausfertigung (Abs 3) ist, hätte zudem das Erstgericht weder eine Urteilsausfertigung in gekürzter Form noch einen Protokollvermerk abfassen dürfen.

Da die aufgezeigten Gesetzesverletzungen dem Beschuldigten, dem die Möglichkeit zur Ergreifung eines Rechtsmittels genommen wurde, zum Nachteil gereichen, war spruchgemäß zu entscheiden.