JudikaturJustiz11Os64/04

11Os64/04 – OGH Entscheidung

Entscheidung
27. Juli 2004

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. Juli 2004 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner, Dr. Danek, Dr. Schwab und Dr. Lässig als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Finster als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Bruno K***** wegen des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über dessen Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 15. März 2004, GZ 032 Hv 150/03s-57, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin des Generalprokurators, Generalanwältin Dr. Sperker, des Angeklagten und seines Verteidigers Dr. Sommer zu Recht erkannt:

Spruch

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde sowie aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in den Schuldsprüchen wegen der Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 StGB, soweit sie das Ansetzen des Angeklagten zum Beischlaf mit Mercedes K***** betreffen (C in Bezug auf den bezeichneten Teilvorwurf aus A 1) und wegen der Vergehen der Blutschande nach § 211 Abs 2 StGB (D) sowie im Strafausspruch (mit Ausnahme der Vorhaftanrechnung) aufgehoben und im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst entschieden:

Bruno K***** ist schuldig, er hat in Ungarn in fünf bis sechs Angriffen zwischen Februar und April 2003 seine Tochter Mercedes K*****, sohin eine Person, mit der er in absteigender Linie verwandt ist, zum Beischlaf zu verführen versucht, indem er zum Beischlaf mit ihr ansetzte, wobei eine vollendete Penetration jedoch scheiterte, und hat hiedurch die Vergehen der versuchten Blutschande nach §§ 15, 211 Abs 2 StGB begangen.

In Neubemessung der Strafe hiefür und für die in Rechtskraft erwachsenen erstgerichtlichen Schuldspruchteile wegen der Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (A 1 und 2) und der Vergehen der pornographischen Darstellungen mit Unmündigen nach § 207a Abs 1 Z 1 erster Fall, Z 2 letzter Fall, Abs 2 erster Fall StGB (B) sowie des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 StGB (C - Oralverkehre und Analverkehr) wird über den Angeklagten unter Anwendung des § 28 StGB nach § 206 Abs 1 StGB eine Freiheitsstrafe von 7 (sieben) Jahren verhängt.

Mit seiner Nichtigkeitsbeschwerde im Übrigen und mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf die Strafneubemessung verwiesen. Ihm fallen die Kosten des Strafverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Bruno K***** des Verbrechens (richtig: der Verbrechen) des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (A) sowie der Vergehen der pornographischen Darstellungen mit Unmündigen nach § 207a Abs 1 Z 1, Z 2, Abs 2 StGB (B), des Missbrauches eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 StGB (C) und der Blutschande nach § 211 Abs 2 StGB (D) schuldig erkannt.

Danach hat er

zwischen Februar und April 2003 in Ungarn

A. mit seiner am 5. April 1993 geborenen Tochter Mercedes K*****, somit einer unmündigen Person, den Beischlaf (richtig:) und eine dem Beischlaf gleichzusetzende Handlung "vorgenommen", und zwar

1. in zumindest fünf bis sechs Angriffen, indem er mit ihr Oralverkehr durchführte sowie zum Beischlaf mit ihr ansetzte;

2. indem er zumindest einmal Analverkehr mit ihr durchführte;

B. in zahlreichen Angriffen durch die zumindest teilweise Abbildung der zu Punkt A beschriebenen Tathandlungen gewerbsmäßig bildliche Darstellungen einer geschlechtlichen Handlung an einer unmündigen Person hergestellt und über Internet anderen Personen zugänglich gemacht;

C. durch die zu Punkt A beschriebenen Tathandlungen sein minderjähriges Kind Mercedes K***** zur Unzucht missbraucht;

D. durch die zu Punkt A 1 genannten Tathandlungen (Beischlaf) eine Person, mit der er in absteigender Linie verwandt ist, zum Beischlaf verführt.

Den Schuldspruch wegen des Vergehens der Blutschande nach § 211 Abs 2 StGB (D) bekämpft der Beschwerdeführer mit einer auf § 281 Abs 1 Z 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde; hinsichtlich der Strafbemessung wird Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 11 StPO behauptet.

Rechtliche Beurteilung

Die Subsumtionsrüge (Z 10) zeigt zutreffend einen Rechtsirrtum bei der Abgrenzung zwischen vollendeter und versuchter Blutschande auf. Die Tatrichter stellten nämlich zum Schuldspruch A I - abgesehen von den Oralverkehr betreffenden Feststellungen - (lediglich) mehrfache, mit intensiven Berührungen der Geschlechtsteile verbundene Versuche des Beschwerdeführers fest, mit erigiertem Penis in die Scheide seiner unmündigen Tochter einzudringen, sohin ein Ansetzen des Beschwerdeführers zum Vollzug des Geschlechtsverkehrs, wobei eine vollständige Penetration jedoch scheiterte (US 6).

Die Verwirklichung des Vergehens nach § 211 Abs 2 StGB setzt indes vollendeten Beischlaf in Form der Vereinigung der Geschlechtsteile voraus, wobei bloß unternommener Beischlaf hiezu nicht ausreicht. Wegen des - unter Hinweis auf mehrfach versuchtes Eindringen (US 6) mit erigiertem Penis in Verbindung mit dem Ausspruch "wenn ich drin bin, tut es nicht mehr weh" (US 9) - mängelfrei festgestellten, auf Vollzug des Geschlechtsverkehrs gerichteten Vorsatzes (US 8) waren die Schuldsprüche wegen der Vergehen der vollendeten Blutschande durch solche wegen der versuchten Delikte (§§ 15, 211 Abs 2 StGB) zu ersetzen (SSt 48/8 = EvBl 1977/165; Schick in WK2 Rz 7; Fabrizy StGB8 Rz 3, Mayerhofer StGB5 E 2 - alle zu § 211; der Sachverhalt zu 12 Os 67, 69/03 [E 2a in Mayerhofer aaO] unterschied sich durch ein teilweises Eindringen des Penis vom vorliegenden Fall). Diese geänderte rechtliche Beurteilung zieht eine Aufhebung des Strafausspruchs und eine Strafneubemessung nach sich, weswegen sich ein Eingehen auf die (bloß nach Art einer Berufung wegen Strafe das Vorliegen eines weiteren Milderungsgrundes geltend machende) Strafzumessungsrüge erübrigt.

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde war überdies gemäß § 290 Abs 1 StPO von Amts wegen wahrzunehmen, dass das angefochtene Urteil im Schuldspruch wegen des Vergehens des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 StGB (C) teilweise mit vom Beschwerdeführer nicht geltend gemachter Nichtigkeit nach Z 10 behaftet ist: Im Falle der gegenständlich festgestellten, durch Verführung eines minderjährigen Nachkommen zum Beischlaf versuchten Blutschande tritt nämlich das Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 StGB zufolge Konsumtion hinter jenes nach §§ 15, 211 Abs 2 StGB zurück (neuerlich SSt 48/8;

EvBl 1977/197; Schick in WK2 211 Rz 11; Fabrizy StGB8 § 211 Rz 1;

Mayerhofer StGB5 § 211 E 4; Leukauf/Steininger Komm3 § 212 RN 23). Der Schuldspruch wegen des durch Beischlaf begangenen Vergehens des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 StGB (aus C) war daher ersatzlos aufzuheben.

Bei der Strafbemessung war erschwerend das Zusammentreffen mehrerer Verbrechen mit mehreren Vergehen, mildernd die Selbststellung aus dem Ausland (ON 3, 9, 10) und das Verbleiben einiger Vergehen im Versuchsstadium.

Das nach zuvor mehrfach erfolgter Bestreitung sämtlicher Vorwürfe (ON 10; S 203, 397) erst gegen Ende des Erkenntnisverfahrens bei Vorliegen einer geschlossen belastenden Beweiskette (S 449) abgelegte Geständnis des Angeklagten kann diesem nicht als besonderer Milderungsgrund zugute kommen, weil es weder reumütig war noch wesentlich zur Wahrheitsfindung beigetragen hat (§ 34 Abs 1 Z 17 StGB). Ein Angeklagter kann sich durch Inanspruchnahme seiner Verfahrensrechte, vor allem der freien Wahl seiner Verantwortung, nicht die Chance auf einen Freispruch oder die Verurteilung nach einem milderen Strafgesetz und zugleich auf eine mildere Strafbemessung sichern (Kunst in WK1 § 34 RN 48, 49). Die Mithilfe (S 249) beim Zustandebringen (ON 39, 42) eines Computers (in dem Hinweise auf den Umgang des Angeklagten mit kinderpornographischem Material vorgefunden werden konnten - ON 44) ist im Gegenstand kein wesentlicher (vgl die erstgerichtliche Beweiswürdigung US 8 bis 10) Beitrag zur Wahrheitsfindung.

Der zwischen 1974 und 1995 dreizehnmal (davon einmal unter Anwendung von § 31 StGB) überwiegend wegen Gewalt- und Vermögensdelikten vorbestrafte Angeklagte manifestierte in den gegenständlichen Taten eine singulär verwerfliche Ablehnung rechtlich geschützter Grundwerte und muss die in § 32 Abs 3 StGB aufgezählten Umstände gegen sich gelten lassen.

Wie das Erstgericht erachtete der Oberste Gerichtshof (ohne gegen das Verbot der reformatio in peius zu verstoßen - Mayerhofer StPO4 § 293 E 40) eine Freiheitsstrafe von sieben Jahren der Tat- und Persönlichkeitsschuld des Angeklagten angemessen.

Die Kostenentscheidung fußt auf §§ 389 Abs 1, 390a Abs 1 StPO.