JudikaturJustiz11Os53/97

11Os53/97 – OGH Entscheidung

Entscheidung
06. Mai 1997

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 6. Mai 1997 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuch als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner, Dr. Schmucker, Dr. Habl und Dr. Zehetner als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Sprinzel als Schriftführer, in der Strafsache gegen Josef K***** wegen des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs 1 StGB über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen das Urteil des Bezirksgerichtes Wildon vom 27. November 1996, GZ U 5/96-13, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Jerabek, jedoch in Abwesenheit des Verurteilten zu Recht erkannt:

Spruch

Im Verfahren AZ U 5/96 des Bezirksgerichtes Wildon wurde das Gesetz verletzt durch

1. Anberaumung der Hauptverhandlung ohne Verständigung der Anklagebehörde in den Bestimmungen der §§ 221 Abs 1, 447 StPO;

2. Bestellung des Rechtspraktikanten Mag. Martin Dunst zum Bezirksanwalt in der Bestimmung des § 4 Abs 3 StAG;

3. Durchführung der Hauptverhandlung am 27. November 1996 in Abwesenheit eines legitimierten Vertreters der Anklagebehörde in den Bestimmungen der §§ 31, 457 StPO und 4 Abs 1 StAG;

4. den Schuldspruch vom 27. November 1996 wegen des Vergehens nach § 198 Abs 1 StGB auch in bezug auf den Zeitraum vom 24. Jänner bis 27. November 1996 in den Bestimmungen der §§ 267, 447 StPO.

Das Urteil des Bezirksgerichtes Wildon vom 27. November 1996, GZ U 5/96-13, sowie der zugleich ergangene Beschluß gemäß § 494 a Abs 1 Z 2 StPO werden aufgehoben. Dem Bezirksgericht Wildon wird die Verfahrenserneuerung aufgetragen.

Text

Gründe:

Im Verfahren AZ U 5/96 des Bezirksgerichtes Wildon beantragte der Bezirksanwalt am 24. Jänner 1996 die Bestrafung des Josef K***** wegen des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs 1 StGB "wegen Nichtleistung des monatlichen Unterhaltsbeitrages für die beiden ehelichen Kinder Melanie und Nicole seit der letzten Verurteilung am 22. Februar 1995" und gemäß § 494 a Abs 1 Z 4 StPO den "Widerruf zu U 16/93 und U 67/94 des Bezirksgerichtes Wildon" (ON 3).

Am 27. November 1996 verfügte die zuständige Richterin des Bezirksgerichtes Wildon - augenscheinlich mit Zustimmung des zuvor mehrmals erfolglos zu anberaumten Hauptverhandlungen geladenen, nunmehr ungeladen bei Gericht erschienenen Beschuldigten - den sofortigen Beginn der Hauptverhandlung über den Bestrafungsantrag, ohne die Anklagebehörde hievon zu verständigen.

Mangels Anwesenheit des zuständigen Bezirksanwaltes zog die Verhandlungsrichterin den Schriftführer Rechtspraktikant Mag. Martin Dunst "ad hoc als Bezirksanwalt hinzu und vereidigte ihn" (S 42).

In der Hauptverhandlung dehnte der (im Protokoll sowohl als Ankläger bezeichnete wie auch als Schriftführer tätige) Rechtspraktikant Mag. Dunst den Strafantrag "bis zum heutigen Tag" (das war der 27. November 1996) aus. Diesem (ausgedehnten) Bestrafungsantrag folgend wurde Josef K***** des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht gemäß § 198 Abs 1 StGB schuldig erkannt und zu einer unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt. Gemäß § 494 a Abs 1 Z 2 StPO wurde vom Widerruf der zu den AZ U 16/93 und U 67/94 des Bezirksgerichtes Wildon bedingt verhängten Freiheitsstrafen abgesehen; die Probezeiten wurden jedoch auf fünf Jahre verlängert (S 42 iVm ON 13), obwohl die Probezeit zum AZ U 16/93 bereits mit Beschluß vom 22. Februar 1995 auf fünf Jahre verlängert worden war (S 41 im Akt U 67/94 und S 17 im Akt U 5/96 jeweils des Bezirksgerichtes Wildon).

Rechtliche Beurteilung

Wie der Generalprokurator in seiner zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend ausführt, hat das Bezirksgericht Wildon im Verfahren U 5/96 mehrfach gegen das Gesetz verstoßen.

Zunächst unterließ es, den Termin der Hauptverhandlung der Anklagebehörde bekanntzugeben. Sodann führte es die Hauptverhandlung in Abwesenheit eines befugten Anklagevertreters durch, weil das "Adhoc-Hinzuziehen" eines Rechtspraktikanten als Bezirksanwalt keine Wirksamkeit entfalten konnte, steht doch gemäß § 4 Abs 3 StAG die ersatzweise Bestimmung eines Anklagevertreters vor dem Bezirksgericht ausschließlich dem Leiter der zuständigen Staatsanwaltschaft zu. Letztlich hat das Bezirksgericht Wildon die Anklage zum Nachteil des Beschuldigten überschritten; die dem Hauptverhandlungsprotokoll zu entnehmende "Ausdehnung" des Strafantrages ist mangels berechtigten Anklägers unbeachtlich.

Da die aufgezeigten Gesetzesverletzungen dem Beschuldigten zum Nachteil gereichen, war gemäß § 292 letzter Satz StPO die Verfahrenserneuerung anzuordnen und spruchgemäß zu entscheiden.