JudikaturJustiz11Os34/20i

11Os34/20i – OGH Entscheidung

Entscheidung
27. Mai 2020

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. Mai 2020 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger als weitere Richter in der Übergabesache des Jacek S*****, AZ 314 HR 24/19p des Landesgerichts für Strafsachen Wien, über die Grundrechtsbeschwerde des Betroffenen gegen die Beschlüsse des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 2. Jänner und 5. Jänner 2020 sowie des Oberlandesgerichts Wien vom 4. März 2020, AZ 22 Bs 24/20w, 22 Bs 25/20t (ON 34, 38 und 51 der HR Akten), nach Anhörung der Generalprokuratur gemäß § 62 Abs 1 zweiter Satz OGH Geo 2019 den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Grundrechtsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Text

Gründe:

Im Verfahren zur Übergabe des Jacek S***** zur Strafvollstreckung an die Republik P*****, AZ 314 HR 24/19p des Landesgerichts für Strafsachen Wien, bewilligte der Haft und Rechtsschutzrichter mit – seit 19. November 2019 rechtskräftigem – Beschluss vom 3. September 2019 die mit Europäischem Haftbefehl des Kreisgerichts K***** vom 1. August 2017, AZ *****, begehrte Übergabe des Betroffenen zur Vollstreckung einer im Jahr 2009 verhängten einjährigen Freiheitsstrafe (ON 24, 32).

Nachdem die Staatsanwaltschaft am 11. Dezember 2019 die Anordnung der Festnahme beantragt hatte, gewährte die zuständige Richterin dem Betroffenen am 16. Dezember 2019, „angesichts der bevorstehenden Weihnachtsfeiertage“ und um ihm die „Festnahme … vor seinen Angehörigen“ zu ersparen, (telefonisch gegenüber dessen Verteidigerin) die Möglichkeit, sich am 7. Jänner 2020 zur Polizeiinspektion seines Wohnsitzes zur Festnahme zu begeben.

Dessen ungeachtet erließ (aufgrund eines Richterwechsels und weiterer widriger Umstände im Bereich der internen Kommunikation) das Landesgericht für Strafsachen Wien am 2. Jänner 2020 zwecks Durchführung der Übergabe (§ 24 Abs 1 EU JZG iVm § 36 Abs 1 ARHG) eine Festnahmeanordnung (ON 34) und verhängte mit Beschluss vom 5. Jänner 2020 (ON 38) über den Betroffenen die Übergabehaft.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen erhobene Beschwerde argumentierte im Wesentlichen damit, der Betroffene habe sich nicht ausreichend „auf die bevorstehende Haft in P***** vorbereiten“ und „von der Familie und Freunden verabschieden“ können, es fehlte an „Anhaltspunkten oder Grundlagen“ für die Übergabehaft, weswegen der Eingriff „jedenfalls unnotwendig und unverhältnismäßig“ gewesen sei. Das Oberlandesgericht Wien gab der Beschwerde am 4. März 2020 nicht Folge (ON 51).

S***** wurde am 14. Jänner 2020 den p***** Behörden übergeben (vgl nicht einjournalisiertes Schreiben des Zentralen Überstellungsdiensts, Einsatzkoordination Überstellungen, vom 15. Jänner 2020).

Gegen sämtliche nach bewilligter Übergabe gefassten Beschlüsse richtet sich die fristgerecht erhobene Grundrechtsbeschwerde des Betroffenen.

Soweit sie explizit auch hinsichtlich der erstgerichtlichen Beschlüsse, mit welchen die Festnahmeanordnung bewilligt (ON 34) und die Übergabehaft verhängt (ON 38) wurden, eine Grundrechtsverletzung rügt, war sie zurückzuweisen, weil Gegenstand des Grundrechtsbeschwerdeverfahrens allein die im Instanzenzug vorgesehene Entscheidung des Oberlandesgerichts ist (§ 1 GRBG; RIS Justiz RS0061031 [T3]).

Die (im Übergabeverfahren an sich zulässige; vgl RIS Justiz RSR0118056) Beschwerde gegen die Entscheidung des Oberlandesgerichts Wien vom 4. März 2020, AZ 22 Bs 24/20w, 22 Bs 25/20t (ON 51), rügt – mit dem Hinweis, es sei ihm bewusst gewesen, dass er seine Haftstrafe in seinem Heimatland beginnend mit einer Übergabehaft in Wien werde antreten müssen – die Vereitelung der seiner Verteidigerin seitens der Haft und Rechtschutzrichterin des Landesgerichts für Strafsachen Wien für den 7. Jänner 2020 in Aussicht gestellten Gelegenheit zur „Selbststellung“ bei der Polizeiinspektion seines Wohnsitzes durch den in seinen Wohnräumlichkeiten erfolgten Vollzug der Festnahmeanordnung am 3. Jänner 2020. Es hätte kein Grund zu der Annahme bestanden, dass S***** die „Vereinbarung“, sich selbst zu stellen, nicht einhalten werde; die Festnahme stünde außer Verhältnis zu den durch sie beeinträchtigten Interessen des Betroffenen.

Nach Maßgabe der durch § 1 Abs 1 GRBG verlangten, nicht bloß formalen (nämlich durch Anrufung des Rechtsmittelgerichts), vielmehr auch inhaltlichen Ausschöpfung des Instanzenzuges (vgl § 88 Abs 1 erster Satz StPO) sind im Verfahren über eine Grundrechtsbeschwerde nur jene – nicht allein die Entscheidung des Rechtsmittelgerichts betreffenden – Argumente im Sinn des § 3 Abs 1 GRBG beachtlich, welche der Beschwerdeführer bereits in einer zulässigen Beschwerde gegenüber dem Rechtsmittelgericht geltend gemacht hatte (RIS Justiz RS0114487; Kier in WK² GRBG § 1 Rz 42).

Weil die in der Grundrechtsbeschwerde thematisierten Haftvoraussetzungen sowie die Verhältnismäßigkeit der Haft (zu deren maßgeblichen Prüfungskriterien jüngst 11 Os 104/19g) nicht deutlich und bestimmt zum Gegenstand der Angaben der Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien)(ON 38) gemacht wurden, die Beschwerde sich weder gegen die Haft selbst wendet noch eine unrichtige Anwendung des Gesetzes bei der Festnahme oder Anhaltung aufzeigt (§ 2 Abs 1 GRBG; vgl Kier in WK² GRBG § 2 Rz 83; vgl auch RIS Justiz RS0131863), verfehlt sie den gesetzlichen Bezugspunkt.

Sie war daher insgesamt zurückzuweisen.