JudikaturJustiz11Os23/99

11Os23/99 – OGH Entscheidung

Entscheidung
27. April 1999

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. April 1999 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuch als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner, Dr. Habl, Dr. Zehetner und Dr. Danek als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Vielhaber als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Erich Ernst K***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 und Abs 3 erster und dritter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 10. November 1998, GZ 20 i Vr 23/98-152, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Erich Ernst K***** wurde mit dem auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden angefochtenen Urteil des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 und Abs 3 erster und dritter Fall StGB schuldig erkannt.

Danach hat er in Wien nachstehende Personen mit schwerer, gegen sie gerichteter Gewalt und durch gegen sie gerichtete Drohungen mit gegenwärtiger schwerer Gefahr für Leib oder Leben zur Vornahme bzw Duldung des Beischlafs und dem Beischlaf gleichzusetzender geschlechtlicher Handlungen genötigt, wobei die Opfer in besonderer Weise erniedrigt wurden und die Taten - mit Ausnahme bei Jovita H***** - jeweils schwere Körperverletzungen (§ 84 Abs 1 StGB) zur Folge hatten, und zwar

1. am 3. Dezember 1994 Sonja A*****, indem er ihr wiederholt Faustschläge und Tritte versetzte, sie an den Haaren riß und äußerte:

"Waunst man net ordentlich blast, dann puder i dich in Hintern und hau i da die Zähnt aus", zur Duldung eines Geschlechtsverkehrs und Vornahme eines Oralverkehrs, wodurch Sonja A***** einen Bruch der 11. Rippe links, Prellungen des Kopfes, des linken Jochbeines und beider Ellbögen erlitt;

2. in der Nacht auf den 13. November 1996 Karin Hi*****, indem er ihr mehrere Faustschläge versetzte, sie an den Haaren riß und äußerte:

"Jetzt gehörst du mir und machst das, was ich will", zur Duldung eines Geschlechtsverkehrs und Vornahme eines Oralverkehrs, wodurch Karin Hi***** einen Bruch des linken Unterkiefers sowie Prellungen des Kopfes, der Stirne und des rechten Scheitelhinterhauptes erlitt;

3. am 21. Februar 1997 Barbara Z*****, indem er ihr wiederholt heftige Faustschläge und Tritte versetzte, sie an den Haaren riß und äußerte: "Jetzt gehörst du mir", zur zweifachen Duldung eines Geschlechtsverkehrs, wobei Barbara Z***** Brüche der 8. und 9. Rippe links, einen offenen Nasenbeinbruch, Brüche des linken Unterkiefers und der linken Augenhöhlenwand sowie Prellungen des rechten Armes, der linken Schulter und des Bauches erlitt, wobei die gesondert verfolgte Elfriede A***** bei einem Geschlechtsverkehr dadurch Beihilfe leistete, daß sie Barbara Z***** an den Oberarmen festhielt;

4. am 13. Dezember 1997 Jovita H*****, indem er ihr mehrere Faustschläge in das Gesicht versetzte und äußerte: "Waunst du net den Mund haltest, werde ich dich so zurichten, daß dich keiner mehr erkennen wird", zur Duldung eines Geschlechtsverkehrs, Vornahme des zweimaligen Oralverkehrs und Duldung der Einführung eines Vibrators in ihre Scheide.

Hiefür verhängte das Geschworenengericht nach § 201 Abs 3 erster Strafsatz StGB (ersichtlich, wenn auch entgegen der Vorschrift des § 260 Abs 1 Z 4 StPO nicht im Spruch angeführt) unter Anwendung des § 39 StGB eine Freiheitsstrafe von zwanzig Jahren und ordnete gleichzeitig die Einweisung des Angeklagten in eine Anstalt für gefährliche Rückfallstäter gemäß § 23 Abs 1 StGB an.

Den Schuldspruch bekämpft Erich Ernst K***** mit auf § 345 Abs 1 Z 4 und 10a StPO gestützter Nichtigkeitsbeschwerde, den Sanktionenausspruch mit einer solchen nach Z 13 leg cit sowie mit Berufung.

Die Nichtigkeitsbeschwerde ist nicht im Recht.

Rechtliche Beurteilung

Die Beschwerdekritik zum erstgenannten Nichtigkeitsgrund versagt, weil der Angeklagte nach dem (unbekämpften) Hauptverhandlungsprotokoll ohnedies von den Aussagen der in seiner Abwesenheit vernommenen drei Zeuginnen in Kenntnis gesetzt wurde (S 236, 239 und 256/III). Eine detailliertere (amtswegige) Wiederholung von Aussageinhalten ist nach § 250 Abs 1 StPO nicht verlangt (Mayerhofer StPO4 § 250 E 5).

Das Vorbringen zur Tatsachenrüge (Z 10a), womit die Verneinung des Vorliegens eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rauschzustandes bei den Tathandlungen bekämpft wird, ist zum einen durch die pauschale Verweisung auf sich aus dem "Beweisverfahren" und dem "gesamten Akteninhalt" ergebende Bedenken sowie durch die begehrte Überprüfung (der Behandlung der "Alkoholsucht") mittels einer Anfrage an die Justizanstalt-Josefstadt nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführt und daher unbeachtlich, zum anderen zur Darstellung des Angeklagten und der Zeugin Hi***** (S 237 ff/III) über die beträchtliche alkoholbedingte Beeinträchtigung keineswegs widersprüchlich oder unvereinbar mit der Lösung der Beweisfrage durch die Geschworenen, sodaß keine Bedenken - geschweige denn solche erheblicher Art - an der Richtigkeit der im Wahrspruch festgestellten entscheidenden Tatsachen erweckt werden.

Die Behauptung Nichtigkeit bewirkender, gesetzwidriger Strafzumessung (Z 13) trifft nicht zu. Denn das Geschworenengericht war fallbezogen weder dazu verhalten, "überprüfbare Feststellungen" zu der - entgegen der Beschwerde - nicht indizierten (S 55 f, 213 f, 284 f, 286 f/III) und nicht verfügten Unterbringung gemäß § 21 Abs 2 StGB zu treffen, noch das Vorliegen der Voraussetzungen für die Einweisung nach § 23 StGB ausführlicher zu erörtern (vgl US 13-15; § 270 Abs 2 Z 5 StPO). Insofern der Beschwerdeführer die Anwendung des Grundsatzes "in dubio pro reo" auf die Beurteilung der Gefährlichkeitsprognose reklamiert, bekämpft er in Wahrheit deren Annahme, sodaß damit inhaltlich ein Berufungsgrund geltend gemacht wird (Mayerhofer StPO4 § 281 Z 11 E 37, 40).

Letztlich schließt die Anwendung des § 39 StGB eine Einweisung nach § 23 StGB nicht grundsätzlich aus; haben doch beide Bestimmungen nicht gänzlich deckungsgleiche Voraussetzungen und Ziele, sodaß im konkreten Fall (soweit im Nichtigkeitsverfahren zu überprüfen) weder ein Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot noch eine unvertretbare Mißachtung der Bestimmungen über die Strafbemessung im Sinne des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes vorliegt (Leukauf/Steininger Komm3 § 23 RN 31; EvBl 1980/147). Die Beurteilung innerhalb des richterlichen Ermessensspielraumes fällt aber in die Kompetenz des Berufungsverfahrens.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher schon bei einer nichtöffentlichen Sitzung sofort zurückzuweisen (§§ 344, 285d StPO), woraus sich die Zuständigkeit des Oberlandesgerichtes Wien zur Entscheidung über die Berufung ergibt (§§ 344, 285i StPO).

Der Ausspruch über den Kostenersatz beruht auf § 390a Abs 1 StPO.