JudikaturJustiz11Os20/95

11Os20/95 – OGH Entscheidung

Entscheidung
14. Februar 1995

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 14. Februar 1995 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Lachner als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr. Hager und Dr. Schindler als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Braunwieser als Schriftführerin, in der beim Landesgericht Eisenstadt zum AZ Vr 1098/94 anhängigen Strafsache gegen Susanne M***** wegen des Vergehens nach § 16 Abs 1 SGG über die Grundrechtsbeschwerde der Beschuldigten gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien vom 2. Jänner 1995, AZ 23 Bs 546/94 (= ON 23 des Vr-Aktes), nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Durch den angefochtenen Beschluß wurde Susanne M***** im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Text

Gründe:

Beim Landesgericht Eisenstadt wurde gegen Susanne M***** mit Beschluß vom 5. Dezember 1994 (1 iVm 74) die Voruntersuchung wegen des Verdachtes des Verbrechens nach § 12 Abs 1 SGG eingeleitet und aus den Gründen des § 180 Abs 1 und Abs 2 Z 2 und 3 lit b StPO die Untersuchungshaft verhängt. Inhaltlich des Beschlusses auf Verhängung der Untersuchungshaft (ON 9) wurde der dringende Tatverdacht auf die Einlassungen des Mitbeschuldigten Peter T***** und die Ergebnisse der mit Beschluß vom 3. Oktober 1994 angeordneten Telefonüberwachung sowie auf in der Wohnung der Beschuldigten beschlagnahmte Beweisgegenstände gestützt. Der Untersuchungsrichter bejahte das Vorliegen des Haftgrundes der Verdunkelungsgefahr, nahm aber auch den Haftgrund der Gefahr der neuerlichen Tatbegehung als gegeben an, weil in der Situation der Susanne M*****zu befürchten sei, sie würde ungeachtet des gegen sie geführten Strafverfahrens eine strafbare Handlung mit nicht bloß leichten Folgen begehen, die gegen dasselbe Rechtsgut gerichtet ist wie die ihr angelasteten wiederholt oder fortgesetzt begangenen Straftaten. Susanne M*****wurde nämlich schon zweimal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlungen verurteilt, nämlich zunächst mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 29. Jänner 1993, AZ 6 d Vr 12707/92, (ua) wegen § 12 Abs 1 SGG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von neun Monaten, wobei ein Strafteil von sechs Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde und mit Urteil desselben Gerichtshofes vom 28. Juli 1994, AZ 6 b Vr 6044/94, wegen § 15 StGB, § 12 Abs 1 und Abs 3 Z 3 SGG und einer anderen strafbaren Handlung zu 18 Monaten Freiheitsstrafe.

In der am 15. Dezember 1994 durchgeführten Haftverhandlung wurde die Fortsetzung der über Susanne Marton verhängten Untersuchungshaft beschlossen (ON 11). In diesem (Fortsetzungs )Beschluß wurde der dringende Tatverdacht sowie das Vorliegen der Haftgründe aus den zuvor genannten Gründen weiterhin angenommen (ON 14).

Mit Beschluß vom 16. Dezember 1994 wurde im Verfahren zum AZ 6 b Vr 6044/94 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien der der Susanne M***** gemäß § 23 a SGG gewährte Strafaufschub widerrufen, nachdem gleichzeitig mit der Verhängung der Freiheitsstrafe von 18 Monaten die bedingte Nachsicht hinsichtlich des Strafteils von sechs Monaten aus dem Verfahren zum AZ 6 d Vr 12707/92 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien widerrufen worden war (ON 17).

Rechtliche Beurteilung

Mit Beschluß vom 19. Dezember 1994 wurde daraufhin die über Susanne M***** verhängte Untersuchungshaft aus dem Grunde des § 180 Abs 4 StPO zum Vollzug dieser Freiheitsstrafen "unterbrochen", und zwar für die Dauer vom 16. Dezember 1994, 12.00 Uhr, bis zum 30. September 1996, 17.20 Uhr (ON 18 iVm ON 22).

Der von Susanne M***** gegen den Fortsetzungsbeschluß gerichteten Beschwerde wurde mit Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien vom 2. Jänner 1995, AZ 23 Bs 546/94, nicht Folge gegeben und die Fortsetzung der Untersuchungshaft aus den Haftgründen des § 180 Abs 2 Z 2 und 3 lit b StPO angeordnet. Unter einem sprach das Oberlandesgericht Wien aus, daß dieser Beschluß eine zweimonatige Haftfrist auslöst, deren Fortlauf durch den Vollzug der zu den Verfahren AZ 6 d Vr 12707/92 und AZ 6 b Vr 6044/94 (jeweils des Landesgerichtes für Strafsachen Wien) verhängten Freiheitsstrafen von sechs und achtzehn Monaten gehemmt wird.

Gegen diesen Beschluß richtet sich die rechtzeitig erhobene (ON 25) Grundrechtsbeschwerde der Susanne M*****; sie ist nicht berechtigt.

Die Beschwerdeführerin vertritt darin die Auffassung, der Beschluß des Landesgerichtes Eisenstadt vom 15. Dezember 1994, mit welchem die über sie verhängte Untersuchungshaft zum Vollzug der Freiheitsstrafen gemäß § 180 Abs 4 StPO aufgehoben wurde, wäre einer meritorischen Erledigung der Haftbeschwerde durch das Oberlandesgericht Wien im Wege gestanden. Der Haftbeschluß sei nicht bloß vorübergehend in der Wirksamkeit gehemmt, das Landesgericht Eisenstadt habe vielmehr die Untersuchungshaft rechtskräftig aufgehoben. Im Ergebnis habe damit das Oberlandesgericht als hiefür nicht zuständige Instanz im Widerspruch zu dem genannten Beschluß des Untersuchungsrichters aus eigenem neuerlich die Untersuchungshaft verhängt und solcherart das verfassungsmäßig gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt. Schließlich wird von der Beschwerde auch das Vorliegen der (beiden) vom Oberlandesgericht angenommenen Haftgründe bestritten, bzw die Substituierbarkeit der Haft durch die Anwendung gelinderer Mittel behauptet.

Die Beschwerde übersieht dabei allerdings, daß eine bereits festgesetzte Haftfrist bei Anordnung eines Strafvollzuges nach § 180 Abs 4 StPO weiterhin wirksam bleibt und die laufende Haftfrist lediglich in ihrem Fortlauf gehemmt wird (15 Os 84,85/94 = EvBl 1994/176). Sie läßt weiters unberücksichtigt, daß es bei richtiger Auslegung des § 180 Abs 4 StPO einer formellen Aufhebung der Untersuchungshaft bei Einleitung des Vollzuges der Strafhaft nicht bedurft hätte. Der Untersuchungshaftbeschluß verliert nämlich durch die Einleitung des Vollzuges nach § 180 Abs 4 StPO nur temporär seine Wirksamkeit, die mit dem Ende des Zwischenvollzuges wieder einsetzt, ohne daß es einer neuerlichen Beschlußfassung bedarf (14 Os 176/94). Dem Beschluß des Untersuchungsrichters des Landesgerichtes Eisenstadt vom 19. Dezember 1994 (ON 18) kommt daher insoweit nur deklarative Bedeutung zu.

Entgegen dem Beschwerdevorbringen hat der Gerichtshof zweiter Instanz über die Haftbeschwerde zu Recht meritorisch entschieden und diese nicht etwa im Hinblick darauf, daß sich die Beschuldigte zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung nicht mehr in Untersuchungshaft befand, mangels Beschwerdeinteresses zurückgewiesen (siehe dazu neuerlich die diese Frage ausführlich erörternde Entscheidung 14 Os 176/94).

Gerade im Hinblick auf die seit 16. Dezember 1994 wirksame Fortlaufhemmung in bezug auf die Untersuchungshaft konnte sich das Oberlandesgericht in seiner Beschwerdeentscheidung auf die Überprüfung des angefochtenen Beschlusses beschränken; dabei hat es sowohl die Annahme des dringenden Tatverdachtes als auch das Vorliegen des Haftgrundes der Gefahr der neuerlichen Tatbegehung nach § 180 Abs 2 Z 3 lit b StPO aktenkonform begründet. Insbesondere angesichts der beiden in relativ kurzem Zeitabstand erfolgten einschlägigen Vorverurteilungen der Susanne M***** vermögen die Argumente der Grundrechtsbeschwerde den Überlegungen des Oberlandesgerichtes in bezug auf die Gefahr der neuerlichen Tatbegehung nichts entgegenzusetzen. Es entspricht zudem der ständigen Judikatur des Obersten Gerichtshofes, daß bei gegebenem dringenden Tatverdacht bereits ein Haftgrund die Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft rechtfertigt, weswegen sich im Rahmen des Grundrechtsbeschwerdeverfahrens die Prüfung erübrigt, ob auch noch weitere Haftgründe gegeben sind (12 Os 15/93 = AnwBl 1993, 340 uvam).

Dem Einwand der Beschwerde schließlich, daß Susanne M***** "unter der Sanktion des Strafaufschubs gemäß § 23 a SGG stehe", ist durch den inzwischen erfolgten Widerruf dieses Strafaufschubes (ON 17) der Boden entzogen.

Der Beschluß des Oberlandesgerichtes steht sohin mit dem Gesetz im Einklang.

Auf den Umstand hinwieder, daß die Staatsanwaltschaft Eisenstadt mittlerweile gegen Susanne M***** einen Strafantrag (lediglich) wegen des Vergehens nach § 16 Abs 1 SGG eingebracht hat, wird das Erstgericht von Amts wegen Rücksicht zu nehmen und gegebenenfalls rechtzeitig vor dem Ende des Zwischenvollzuges die entsprechenden Verfügungen zu treffen haben (siehe neuerlich 14 Os 176/94).

Da aus den genannten Gründen durch den angefochtenen Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien keine Verletzung des Grundrechtes auf persönliche Freiheit der Beschwerdeführerin stattgefunden hat, war die Beschwerde ohne Kostenausspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen.

Rechtssätze
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