JudikaturJustiz11Os20/03

11Os20/03 – OGH Entscheidung

Entscheidung
29. April 2003

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 29. April 2003 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuch als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner, Dr. Zehetner Dr. Danek und Dr. Schwab als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Burtscher als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Robert Z***** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßig schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 4. Oktober 2002, GZ 091 Hv 2365/01g-166, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwältin Dr. Aicher, des Angeklagten und seiner Verteidigerin Dr. Herzog-Müller, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird dahin Folge gegeben, dass die über den Angeklagten verhängte Strafe nach dem zweiten Strafsatz des § 148 StGB, nunmehr gemäß §§ 31, 40 StGB unter Bedachtnahme auf das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 24. September 2002, GZ 17 U 571/01m-39, als Zusatzstrafe auf zwei Jahre und sechs Monate herabgesetzt wird.

Seiner Berufung gegen das Jitka B***** betreffende Adhäsionserkenntnis wird insoweit Folge gegeben, als der der Privatbeteiligten Jitka B***** zu ersetzende Betrag mit 133.393,46 EUR festgesetzt und die Privatbeteiligte mit dem von ihr weiters geltend gemachten Anspruch auf den Zivilrechtsweg verwiesen wird. Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, welches auch unbekämpft gebliebene Teilfreisprüche und einen Verfolgungsvorbehalt enthält, wurde Robert Z***** des (richtig:) Verbrechens des gewerbsmäßig schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB (Punkt A des Urteilssatzes) schuldig erkannt, zu einer dreijährigen Freiheitsstrafe verurteilt und zur Bezahlung eines Betrages von 50.870,93 EUR an die Privatbeteiligte Waltraude S***** sowie eines Betrages von 141.370 EUR an die Privatbeteiligte Jitka B***** verpflichtet.

Nach dem Inhalt des Schuldspruches hat Robert Z***** (zu A) in Wien gewerbsmäßig andere mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, durch Täuschung über Tatsachen zu Handlungen verleitet, wodurch diese am Vermögen geschädigt wurden, und zwar

1) am 28. Juli 1998 Waltraude S***** durch die Vorspiegelung, er benötigte 700.000 S als Sicherstellung für eine Kredit an ihn und werde den Betrag bis 15. September 1998 zurückzahlen, falls ihm kein weiterer Kredit gewährt werde, zur Gewährung eines Darlehens in der Höhe von 700.000 S und

2) von November 1999 bis August 2000 Jitka B***** durch die Vorspiegelung, er wolle Geldbeträge für sie im Zuge ihres laufenden Scheidungsverfahrens sicherstellen, Geldbeträge gewinnbringend für sie anlegen bzw für sie weitere Sicherstellungen von Geld zum Zweck der Sicherung ihrer Existenz wie etwa ihrer Wohnung in Österreich vornehmen, zur Herausgabe von Geldbeträgen im Gesamtausmaß von 1,835.534 S.

Gegen dieses Urteil richtet sich die auf die Z 4, 5 und 11 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der auch den Strafausspruch und das die Privatbeteiligte Jitka B***** betreffende Adhäsionserkenntnis mit Berufung anficht.

Rechtliche Beurteilung

Der Verfahrensrüge (Z 4) kommt keine Berechtigung zu. Durch die Ablehnung des Antrages auf Einholung eines "weiteren Sachverständigengutachtens eines graphologischen Sachverständigen" zu dem bereits vom Schriftgutachter Friedrich N***** behandelten Beweisthema wurden Verteidigungsrechte nicht beeinträchtigt. Die Beiziehung eines weiteren Sachverständigen kommt nur dann in Betracht, wenn der bisher vorliegende Befund oder das bisher eingeholte Gutachten Mängel der in §§ 125 f StPO bezeichneten Art aufweisen (Mayerhofer StPO4 § 281 Z 4 E 133a). Da solche Mängel nicht behauptet wurden, durfte der Beweisantrag schon aus diesem Grund ohne Verkürzung von Verteidigungsrechten abgewiesen werden. Soweit der Beschwerdeführer gegen die unterbliebene Einholung eines Ergänzungsgutachtens remonstriert, ist er hiezu mangels eines darauf abzielenden Antrages in der Hauptverhandlung nicht legitimiert. Im gegebenen Zusammenhang tritt der Oberste Gerichtshof der von der Generalprokuratur in ihrer Stellungnahme unter Berufung auf Enzyklopädien (Brockhaus, Meyer) und Wörterbücher (Duden) vertretenen Auffassung, dass unter "Graphologie" eine für forensische Zwecke nicht brauchbare Charakterdeutung aus der Handschrift verstanden wird, wogegen die in § 135 StPO bezeichnete Sachkunde das Schriftwesen und die Schriftvergleichung umfasst, und der damit geäußerten Kritik an der Wortwahl "graphologischer Sachverständiger", bei.

Die Mängelrüge (Z 5) beruht auf grundsätzlicher Verkennung des Umfangs der auf eine gedrängte Darstellung der entscheidenden Umstände beschränkten gerichtlichen Begründungspflicht (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) sowie des Wesens der in § 281 Abs 1 Z 5 StPO bezeichneten Begründungsmängel, welche eine Anfechtung der gerichtlichen Beweiswürdigung nicht gestatten. Das Schöffengericht war nicht verpflichtet, sich bei Würdigung der Aussagen im Zuge der Hauptverhandlung von ihm persönlich vernommener Zeugen mit allen nur denkbaren für und wider die Glaubwürdigkeit dieser Zeugen sprechenden Umstände im Einzelnen auseinander zu setzen. Grundlage der Einführung der freien Beweiswürdigung war nämlich gerade die Erkenntnis, dass die Gegebenheiten, die dem Gericht die Überzeugung von der Glaubwürdigkeit einer Aussage vermitteln, einer restlosen Analyse entzogen sind und sich die Eindrucksbildung mit allen dafür maßgeblichen Einzelumständen nicht vollständig in Worte fassen lässt. Der unter dem Aspekt einer Unvollständigkeit erhobene Einwand aber, das Schöffengericht habe sich mit der (für das Faktum A 1 relevanten) Rückzahlungsbestätigung vom 6. Oktober 1998 nicht auseinandergesetzt, lässt die eingehenden Erörterungen der Tatrichter zu diesem Thema (US 14 ff) zur Gänze unbeachtet.

Auch die Strafzumessungsrüge (Z 11) ist unbegründet:

Mit diesem Nichtigkeitsgrund können nur Rechtsfehler geltend gemacht werden, wogegen Verlangen nach Ergänzung von Entscheidungsgrundlagen mit Berufung geltend zu machen sind.

Die vom Beschwerdeführer mit der Forderung nach einer Zusatzstrafbemessung ins Treffen geführte Vorverurteilung wurde vom Erstgericht nicht festgestellt. Die Urteilsgründe (S 8) gehen vielmehr davon aus, dass der Angeklagte zuletzt im Jahre 1998 eine Vorstrafe erlitten hat. Aus dieser Sicht kann die Behauptung des Angeklagten, im Jahre 2002 sei ein Vorurteil ergangen, zu dem nunmehr eine Zusatzstrafbemessung erfolgen müsse, keine rechtsfehlerhafte Beurteilung aufzeigen, weshalb sie als Berufungseinwand (vgl § 290 Abs 1 letzter Satz StPO) zu werten ist.

Während somit die Nichtigkeitsbeschwerde zu verwerfen war, kommt den Berufungen teilweise Berechtigung zu:

Aus den beigeschafften Strafakten AZ 17 U 571/01m des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien ergibt sich zunächst, dass Robert Z***** von diesem Gericht mit Urteil vom 24. September 2002 der Vergehen der Hehlerei nach § 164 Abs 1 Z 2 StGB und nach § 50 Abs 1 Z 1 WaffG schuldig erkannt und zu einer Geldstrafe von 360 Tagessätzen, im Falle der Uneinbringlichkeit zu einer Ersatzfreiheitsstrafe von 180 Tagen verurteilt wurde. Auf dieses Urteil ist daher, weil die nun verfahrensaktuellen Straftaten schon vor dem Zeitpunkt der Urteilsfällung in erster Instanz begangen wurden, bei deren Aburteilung gemäß §§ 31, 40 StGB Bedacht zu nehmen und die Strafe unter Berücksichtigung des Vorurteils neu zu bemessen. Ausgehend vom hier anzuwendenden Strafrahmen des zweiten Strafsatzes des § 148 StGB (Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren) und unter Zugrundelegung der schon vom Schöffengericht im Wesentlichen richtig und vollständig erfassten Strafbemessungsgründe (welche auch durch das Berufungsvorbringen nicht in Zweifel gezogen werden können) sowie unter Einbeziehung der verurteilten Vortaten ist davon auszugehen, dass auch bei gemeinsamer Aburteilung auf eine Freiheitsstrafe von drei Jahren zu erkennen gewesen wäre. Die bereits rechtskräftige Geldstrafe von 360 Tagessätzen muss sich auf diese hypothetische Sanktion strafmaßreduzierend auswirken und führt zur Verhängung einer Zusatzstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten. Dem in der Berufung gegen den Jitka B***** betreffenden Privatbeteiligtenzuspruch erhobenen Einwand fehlender Begründung der mit 1,835.534 S festgestellten Schadenshöhe übergeht zwar, dass sich das Schöffengericht hiebei ausdrücklich auf die Aufstellung S 149/II berufen hat (US 19), doch ist hiedurch nur der konstatierte Betrugsschaden ausreichend dargetan, welcher jedoch bei Umrechnung in die EURO-Währung einem Betrag von (nur) 133.393,46 EUR entspricht. Die Differenz zum zuerkannten Betrag von 141.370 EUR resultiert hingegen aus der Behauptung eines erlittenen, mit 100.000 S geschätzten Kursverlustes durch den vorzeitigen Verkauf von Wertpapieren und vom Angeklagten verursachte Telephonkosten. Dieser Mehranspruch wurde weder bescheinigt noch ist nachgewiesen, dass er auf die im Schuldspruch erfassten Straftaten des Angeklagten zurückzuführen ist, weshalb insoweit der Berufung Folge zu geben und die Privatbeteiligte mit ihrem den Betrag von 133.393,46 übersteigenden Begehren auf den Zivilrechtsweg zu verweisen war. Die Kostenentscheidung ist in § 390a StPO begründet.