JudikaturJustiz11Os194/97

11Os194/97 – OGH Entscheidung

Entscheidung
21. April 1998

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 21. April 1998 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuch als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner, Dr. Habl, Dr. Zehetner und Dr. Philipp als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Poech als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Thomas K***** wegen des Finanzvergehens der teils vollendeten, teils versuchten Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs 1 und 13 FinStrG über die Nichtigkeitsbeschwerde des Privatbeteiligten (Finanzamt Innsbruck als Finanzstrafbehörde erster Instanz) gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 29. Juli 1997, GZ 28 Vr 983/95-47, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Kirchbacher, des Vertreters des Finanzamtes Innsbruck als Finanzstrafbehörde erster Instanz, Mag. Johann Webhofer, und des Verteidigers Dr. Patrick Ruth, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache an das Erstgericht zur neuen Verhandlung und Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Thomas K***** von der Anklage des Finanzvergehens der teils vollendeten, teils versuchten Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs 1 und 13 FinStrG gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Ihm wurde zur Last gelegt, in Innsbruck vorsätzlich unter Verletzung der abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflicht

1) im Jahr 1990 eine Abgabenverkürzung in Höhe von 1,777.955 S an Einkommens-, Umsatz- und Gewerbesteuer bewirkt sowie

2) im Jahr 1991 Einkommens-, Umsatz- und Gewerbesteuer in der Höhe von 190.613 S zu verkürzen versucht zu haben,

indem er Einnahmen aus dem Gewerbebetrieb nicht erklärte.

Gegen dieses Urteil richtet sich die auf die Gründe der Z 4, 5, 9 lit a und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Finanzamtes Innsbruck, der im Ergebnis Berechtigung zukommt.

Rechtliche Beurteilung

Nach den insoweit unbekämpft gebliebenen Urteilsfeststellungen organisierte Thomas K***** von Februar 1989 bis März 1991 von Innsbruck aus den österreichweiten Verkauf von Metalldruckbildern, woraus er in den Jahren 1990 und 1991 bei einem Umsatz von zumindest sieben Mio Schilling ein Einkommen in unbekannter Höhe erzielte, ohne diese Umsätze und Einnahmen der Abgabenbehörde gegenüber zu deklarieren.

Mit Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 28. April 1994, GZ 31 Vr 750/91-394, wurde Thomas K***** des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 erster Fall StGB rechtskräftig verurteilt, weil die Käufer dieser Bilder über deren Herstellung sowie über den (zur Kaufmotivation vorgegebenen sozialen) Verwendungszweck der Erlöse getäuscht wurden.

Soweit das Erstgericht im nunmehr angefochtenen Urteil die (zur Begründung des Freispruchs zwar nur hilfsweise herangezogene, systematisch aber vorrangig zu wertende) Auffassung vertritt, daß die aus dem Bilderverkauf erzielten Einnahmen nicht versteuerbar seien, weil betrügerische Einkommen weder als Einkünfte aus selbständiger Arbeit (§ 22 EStG) oder aus einem Gewerbebetrieb (§ 23 EStG) noch als sonstige Einkünfte (§ 29 EStG) zu werten seien und sich ein Betrüger auch nicht am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr beteilige, ist es nicht im Recht.

Wie die Beschwerdeführerin in ihrer Rechtsrüge (Z 9 lit a) zutreffend ausführt, wird nach der maßgeblichen Bestimmung des § 23 Abs 2 BAO die Erhebung einer Abgabe nicht dadurch ausgeschlossen, daß ein Verhalten, welches einen abgabepflichtigen Tatbestand erfüllt (also etwa die Erzielung von Einkünften iSd § 2 Abs 3 EStG), gegen ein gesetzliches Gebot oder Verbot oder gegen die guten Sitten verstößt.

Inwieweit ein Verhalten einem Abgabentatbestand zu unterstellen ist, orientiert sich nämlich allein am tatsächlichen ökonomischen Geschehen in seiner realen Beschaffenheit. Das Steuerrecht soll - dem Grundsatz der allgemeinen und gleichmäßigen Besteuerung folgend - alle Vorgänge umfassen, die wirtschaftlich einem an ökonomische Gegebenheiten anknüpfenden Abgabentatbestand entsprechen, unabhängig davon, ob sie nach dem Maßstab öffentlich-rechtlicher oder privatrechtlicher Vorschriften erlaubt oder verboten und ob sie nach sittlichen Kriterien zu billigen oder abzulehnen sind. Rechtswidrigkeit, Sittenwidrigkeit oder Strafbarkeit sind grundsätzlich nicht negative (die Besteuerung schlechthin ausschließende) Tatbestandsmerkmale der Abgabenvorschriften und daher prinzipiell unbedeutsam; insoweit ist die auf wirtschaftliche Leistungen abstellende Besteuerung angesichts der nach § 21 Abs 1 BAO zu beachtenden wirtschaftlichen Betrachtungsweise wertungsindifferent (Stoll, BAO-Kommentar 272 f; VwGH 24.10.1995, 95/14/0058).

Entscheidend ist somit lediglich, ob der zu beurteilende Sachverhalt seinem wirtschaftlichen Gehalt nach einen Tatbestand der Abgabengesetze erfüllt. Auf die Billigung oder Mißbilligung durch die Rechts- oder Sittenordnung kommt es dabei nicht an. Daher sind etwa Einnahmen, Umsätze und Gewinne aus einer unzulässigen, aber steuertatbestandsmäßigen Tätigkeit der Besteuerung zu unterwerfen.

Der vorliegend zunächst interessierenden Einkommenssteuer ist das Einkommen zugrundezulegen, das der Steuerpflichtige innerhalb eines Kalenderjahres bezogen hat. Die als Einkommen anzusehenden Einkünfte sind in § 2 Abs 3 EStG erschöpfend aufgezählt. Vergleicht man die dort genannten Einkunftsarten mit dem Urteilssachverhalt, so zeigt sich, daß der Angeklagte nach den Konstatierungen des Schöffengerichtes Einkünfte aus dem von ihm über ein Jahr hindurch organisierten, österreichweiten Verkauf von Metalldruckbildern bezogen hat, ohne sie der Abgabenbehörde bekanntzugeben. Eine derartige, sich über eine längere Zeit erstreckende, auf Gewinn ausgerichtete und organisierte Vertriebs- und Verkaufstätigkeit ist nach ihrem wirtschaftlichen Gehalt dem Tatbestand des § 2 Abs 3 Z 3 EStG iVm § 23 Z 1 EStG 1988 zu unterstellen. Darnach nämlich unterliegen Einkünfte aus Gewerbebetrieben, das sind Einkünfte aus einer selbständigen, nachhaltigen Betätigung, die mit Gewinnabsicht unternommen wird und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt, wenn diese Betätigung weder als Ausübung der Land- und Forstwirtschaft noch als selbständige Arbeit anzusehen ist (§ 23 Z 1 EStG), der Einkommenssteuer, aber auch der (im Tatzeitpunkt noch bestehenden - Art VII BGBl 818/1993) Gewerbesteuer (§ 6b GewStG 1953) und der Umsatzsteuer (damals § 1 Abs 1 Z 1 UStG 1972).

Damit erübrigt sich eine Erörterung der vom Erstgericht in den Vordergrund gestellten (und - mit nicht überzeugender Begründung - verneinten) Frage, ob eine Vermögensvermehrung durch Straftaten überhaupt der Besteuerung entzogen werden darf, ist diese nur unter dem Aspekt der Erzielung von "sonstigen Einkünften" iSd § 2 Abs 3 Z 7 iVm § 29 EStG zu behandelnde Frage doch nur dann relevant, wenn die in Rede stehende Vermögensvermehrung keiner der in § 2 Abs 3 EStG sonst genannten Einkunftsarten zugerechnet werden kann.

Daß der Handel mit Bildern vorliegend dadurch strafrechtliche Relevanz gewann, daß der Angeklagte beim Verkauf (zusätzlich) betrügerische Mittel einsetzte und seinen wirtschaftlichen "Erfolg" auf die Täuschung seiner Vertragspartner zurückführte, ändert an der Verwirklichung des abgabenrechtlichen Tatbestandes (des § 2 Abs 3 Z 3 EStG) selbst nichts.

Dieses Ergebnis wird auch durch den Hinweis auf die für Individualstraftäter geltenden Strafbestimmungen der Hehlerei und der Geldwäscherei nach §§ 164 und 165 StGB nicht in Frage gestellt. Denn der Rechtsmeinung des Erstgerichtes zuwider läßt sich den §§ 164 f StGB eine Einschränkung des § 23 Abs 2 BAO auf Verstöße gegen Verwaltungsgesetze nicht entnehmen, wird doch durch die Entrichtung einer Steuer aus einem strafgesetzwidrig erzielten Erlös weder die durch die Vortat geschaffene rechtswidrige Vermögenslage aufrechterhalten ("Perpetuierungstheorie" - vgl Kienapfel BT II3 § 164 RN 7) noch der Vortäter bei der Verdeckung oder Verwertung von kriminell erlangten Vermögenswerten unterstützt und damit die "Sauberkeit des Finanz- und Wirtschaftsverkehrs" beeinträchtigt (vgl Kienapfel aaO § 165 RN 5), sodaß selbst dann, wenn die Finanzbehörde weiß (§ 5 Abs 3 StGB), daß der besteuerte Gewinn aus einem Verbrechen herrührt, in der Entgegennahme der Steuer kein "Ansichbringen" eines bemakelten Vermögensbestandteiles iSd § 165 Abs 2 StGB liegt. Steuertatbestände knüpfen vielmehr an wirtschaftliche Vorgänge und tatsächliche Verhältnisse an, die grundsätzlich ohne Rücksicht auf eine ethische Bewertung oder strafrechtliche Würdigung anzuwenden sind, sofern diese ökonomischen Abläufe (wie hier) einen Tatbestand der Abgabengesetze erfüllen (Stoll BAO-Kommentar S 273). In diesem Zusammenhang ist auf die Abschöpfung der Bereicherung nach § 20 StGB (im Tatzeitpunkt § 20 a StGB aF) zu verweisen, die es dem Staat ermöglicht, auf den gesamten Gewinn aus einer Straftat zu greifen. Dazu erwog der Gesetzgeber überdies ein Unterbleiben der Abschöpfung der Bereicherung, wenn die unrechtmäßige Bereicherung bereits durch andere rechtliche Maßnahmen (§ 20a Abs 1 StGB), insbesondere durch Zahlung einer Steuer (vgl RV zum StRÄG 1996, 33 BlgNR XX GP, 30 f und der darauf abstellende JAB 409 BlgNR XX GP 3: Abschöpfung des durch eine Straftat Erlangten im Zug eines finanzbehördlichen Verfahrens) inhaltlich beseitigt wurde. Umsoweniger bestehen daher Bedenken, daß - im Sinne der nach § 21 Abs 1 BAO gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise - die im allgemeinen Wirtschaftsverkehr typischen Rechtsgeschäfte (nicht hingegen der bloß infolge eines deliktischen Handelns bewirkte Vermögenserwerb, wie die im angefochtenen Urteil genannte Erpressung), welche nicht eo ipso verpönt sind (wie etwa der illegale Handel mit Suchtgift, der einem internationalen Verkehrsverbot - 13 Os 55/96, 13 Os 158/96 - unterliegt: § 27 f SMG oder der vom Erstgericht hervorgehobene entgeltliche Auftragsmord), einer steuerlichen Bewertung unterzogen werden. Dies gilt insbesondere dann, wenn sich diese Rechtsgeschäfte aus der Sicht eines Vertragspartners (etwa des durch die Straftat Geschädigten) als legal darstellen. Das durch ein strafgesetzwidriges Tun oder Unterlassen aus (dem allgemeinen Wirtschaftsverkehr entsprechenden) Rechtsgeschäften gewonnene Einkommen löst, sofern es den Kriterien der §§ 2, 21 ff EStG 1994 (bzw tatzeitbezogen EStG 1988) entspricht, eine Einkommensteuerpflicht aus (vgl VwGHSlg 2690 F/1962; VwGH 17.1.1989, 88/14/0010).

Die Rechtsansicht des Erstgerichtes ist aber auch insoweit verfehlt, als die nach §§ 119 ff BAO an sich gebotene Offenlegungspflicht in Ansehung von aus Straftaten erzielten Umsätzen, Einkünften und Gewinnen als Bemessungsgrundlage für die Entrichtung der dazu korrespondierenden Abgaben als dem Verbot des Zwangs zur Selbstbelastung widerstreitend und damit unzumutbar abgelehnt wird. Zur Begründung dieser Auffassung wies das Schöffengericht im wesentlichen darauf hin, daß die Offenlegungs-, Anzeige- und Wahrheitspflicht den Angeklagten gezwungen hätte, sich selbst gegenüber den Finanzbehörden des Betruges zu bezichtigen, die Finanzbehörde aber daraufhin gemäß § 84 StPO verpflichtet gewesen wäre, den damit offenbar werdenden Verdacht einer von amtswegen zu verfolgenden strafbaren Handlung der Staatsanwaltschaft oder Sicherheitsbehörde anzuzeigen. Damit wäre der Angeklagte entgegen dem aus dem Anklageprozeß (Art 90 BVG; Art 6 EMRK) folgenden Verbot eines Zwangs zur Selbstbelastung verpflichtet gewesen, unter der Strafsanktion einer infolge der bei Verschweigung drohenden Verurteilung wegen eines Finanzvergehens gegen sich selbst Beweismittel wegen des von ihm begangenen Vermögensdeliktes zu schaffen.

Auf die weitwendigen Urteilsausführungen zu dieser Frage war indes nicht einzugehen, weil ihr, was das Erstgericht verkennt, keine Bedeutung zukommt.

Die §§ 119 ff BAO verpflichten den Bezieher von Einkünften aus einem Gewerbebetrieb, die für den Bestand und Umfang einer Abgabepflicht oder für die Erlangung abgabenrechtlicher Begünstigungen bedeutsamen Umstände vollständig und wahrheitsgemäß offenzulegen bzw alle Umstände anzuzeigen, die hinsichtlich einer Abgabe vom Einkommen, Vermögen, Ertrag oder Umsatz die persönliche Abgabepflicht begründen, ändern oder beendigen. Die Offenlegungs- und Wahrheitspflicht bezweckt, der Abgabenbehörde die näheren Umstände des jeweils verwirklichten Steuertatbestands so mitzuteilen, daß die Abgabe bemessen werden kann (Stoll BAO-Kommentar 1352 und 1356). Die Offenlegungspflicht beschränkt sich aber auf abgabenrelevante Umstände (Beiser ÖStZ 1991, 102 ff; Stoll aaO 1358 ff; Leitner Finanzstrafrecht 137 ff). Im Fall eines Einkommens nach § 2 Abs 3 Z 3 iVm § 23 Z 1 EStG 1988 sind daher lediglich die selbständige, nachhaltige und mit Gewinnabsicht unternommene Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr, also fallbezogen der kaufmännische Vertrieb und Verkauf von Bildern, die dabei entstandenen Aufwendungen und die erzielten Einnahmen darzustellen. Darüberhinausgehende Informationen (etwa über die Täuschung der Abnehmer beim Vertrieb) sind für die Steuerbemessung irrelevant und daher vom Abgabepflichtigen auch nicht gefordert.

Betreffen somit die eine Abgabepflicht begründenden Umstände eine Tätigkeit, die im allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr grundsätzlich erlaubt und nur wegen eines hinzutretenden, für den Steuertatbestand nicht maßgeblichen Verhaltens als strafrechtlich verpönt zu qualifizieren ist, so wird die auf abgabenbedeutsame Umstände bezogene Offenlegungs-, Wahrheits- und Anzeigepflicht in bezug auf ein bei dieser Tätigkeit erzieltes Einkommen nicht eingeschränkt.

Entgegen der Rechtsauffassung des Erstgerichtes umfaßte daher im vorliegenden Fall die den Angeklagten treffende Deklarationspflicht nach §§ 119 ff BAO lediglich den Vertrieb und Verkauf von Bildern, also eine typisch kaufmännische Erwerbstätigkeit, die dabei gemachten Aufwendungen und die so erzielten Einkünfte, keineswegs aber die Offenlegung jener Umstände, welche die als solche grundsätzlich unbedenkliche Verkaufstätigkeit des Angeklagten als Vermögensstraftat ausweisen. Damit war der Angeklagte bei Erfüllung seiner abgabenrechtlichen Offenlegungs-, Wahrheits- und Anzeigepflicht dem Zwang zur Selbstbeschuldigung von vornherein nicht ausgesetzt.

Demgemäß hätte das Erstgericht das Beweisverfahren vervollständigen und Feststellungen zum angeklagten Sachverhalt treffen müssen.

Der Nichtigkeitsbeschwerde war daher Folge zu geben, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an den Gerichtshof erster Instanz zu verweisen.