JudikaturJustiz11Os18/94

11Os18/94 – OGH Entscheidung

Entscheidung
19. April 1994

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 19. April 1994 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Lachner als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hager, Dr. Schindler, Dr. Mayrhofer und Dr. Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Jannach als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Johann H***** und Ewald H***** wegen des Vergehens des teils vollendeten, teils versuchten Diebstahls nach §§ 127 und 15 StGB sowie anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Leoben gegen das Urteil des Landesgerichtes Leoben als Schöffengericht vom 13. Dezember 1994, GZ 12 Vr 610/93-44, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Aus deren Anlaß wird das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch des Angeklagten Ewald H***** laut Punkt A/III/2 des Urteilssatzes und demzufolge in dem ihn betreffenden Strafausspruch aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Text

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Johann H***** und (sein Sohn) Ewald H***** des in vier gemeinsamen Angriffen am 19. Mai 1993 in Knittelfeld (Urteilstaten A./I./2./a./ bis d./) und einem weiteren gemeinsamen Angriff in der Zeit von Mitte März bis 19. Mai 1993 in Graz (Urteilstat A./I./1./), ferner von Johann H***** allein in einem weiteren Angriff zwischen Ende November 1992 und dem 19. Mai 1993 in Graz (A./II./) und von Ewald H***** allein in zwei Angriffen, und zwar in der Zeit zwischen Mitte März und dem 19. Mai 1993 in Trofaiach (A./III./1./) und in der Zeit von Mitte Dezember 1988 bis Herbst 1991 in Bruck an der Mur (A./III./2./) begangenen Vergehens des teils vollendeten, teils versuchten Diebstahls nach §§ 127 und 15 StGB schuldig erkannt; gegen Ewald H***** ergingen überdies (unter Punkt B./ und C./ des Urteilstenors) Schuldsprüche wegen der Vergehen nach § 164 Abs 1 Z 2 StGB (aF - richtig: § 164 Abs 2 StGB idF StGNovelle 1993, BGBl 527) und nach § 36 Abs 1 Z 3 WaffG, welche nicht Gegenstand dieses Rechtsmittelverfahrens sind. Die von der Staatsanwaltschaft beiden Angeklagten zur Last gelegte Qualifikation gewerbsmäßiger Begehung der Diebstähle nach dem ersten Fall des § 130 StGB erachtete der Schöffensenat nicht als verwirklicht. Er begründete dies damit, daß "den beiden Angeklagten keine auf eine wiederkehrende Begehung der Tat und auf die Erzielung fortlaufender Einnahmen gerichtete Absicht nachgewiesen werden konnte"; aus ihrer Verantwortung ergebe sich vielmehr (lediglich) eine Tatbegehung mit Fortsetzungsvorsatz, zumal der Erstangeklagte über ein Pensionseinkommen von 15.000 S (monatlich) verfüge, ohne von Sorgepflichten belastet zu sein, und der Zweitangeklagte zwar derzeit nur eine Arbeitslosenunterstützung von monatlich 7.000 S beziehe, aber zumeist in einem Beschäftigungsverhältnis gestanden sei, über Ersparnisse verfügt und die Mittel zum Ankauf von vier Gewehren aufzubringen vermocht habe (US 14, 15).

Gegen die unterbliebene Subsumtion der Diebstahlstaten beider Angeklagten unter den ersten Qualifikationsfall des § 130 StGB richtet sich die ausschließlich auf § 281 Abs 1 Z 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft.

Der Beschwerdeauffassung zuwider ist allerdings die Annahme des Erstgerichtes, eine auf wiederkehrende Tatbegehung und auf Erzielung fortlaufender Einnahmen gerichtete Absicht habe keinem der beiden Angeklagten nachgewiesen werden können, ihrem Wortlaut und Sinngehalt nach (ungeachtet der Darlegung im Rahmen der als Urteilsbegründung "in rechtlicher Hinsicht" bezeichneten ausführungen) als Lösung einer Beweis-, mithin einer Tatfrage anzusehen (vgl Leukauf-Steininger Komm3 § 70 RN 4). Eine solche negative Tatsachenfeststellung - die mit der Bejahung eines Fortsetzungsvorsatzes durchaus zu vereinbaren ist (Leukauf-Steininger AAO RN 6) - kann indes mit einer Rechtsrüge nach § 281 Abs 1 Z 10 StPO nicht bekämpft werden; um den angezogenen materiellen Nichtigkeitsgrund zur gesetzmäßigen Darstellung zu bringen, wäre vielmehr von dieser Tatsachenfeststellung auszugehen gewesen.

Die Ausführungen der Nichtigkeitsbeschwerde erschöpfen sich jedoch im wesentlichen in der Behauptung, daß Verfahrensergebnisse, nämlich die Vielzahl der von den Angeklagten innerhalb eines relativ langen Zeitraumes begangenen Diebstähle, die Identität der Vorgangsweise mit jener, welche der (Vor )Verurteilung beider Angeklagten wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen Diebstahles zum AZ 19 Vr 1630/87 des Landesgerichtes Leoben zugrundelag, die Beendigung der gegenständlichen Diebstahlsserie erst durch die Verhaftung der Angeklagten, schließlich auch der aus den jeweils sieben einschlägigen Vorstrafen ableitbare innere Hang zum Stehlen, für ein gewerbsmäßiges Handeln beider Angeklagten gesprochen, sohin die vom Erstgericht abgelehnte tatsächliche Annahme ermöglicht hätten. Ein solcher Hinweis auf das Gewicht belastender Umstände, die das Erstgericht keineswegs völlig vernachlässigt hat (vgl den Hinweis auf die Vorverurteilungen in US 5, 6 und die größeren zeitlichen Abstände zwischen den Taten in US 14), kann aber auch nicht als prozeßordnungsgemäße Darstellung einer den Nichtigkeitsgrund nach § 281 Abs 1 Z 5 StPO verwirklichenden Unvollständigkeit der Urteilsbegründung gewertet werden. Der Sache nach stellt sich sohin das bezügliche Vorbringen als Bekämpfung der Beweiswürdigung des Schöffensenates nach Art einer gegen dessen Urteil unzulässigen Schuldberufung dar. Dies gilt gleichermaßen für die an sich zutreffenden Beschwerdeausführungen, wonach für die gewerbsmäßige Tendenz schon die Absicht genüge, durch die Wiederholung der Straftaten einen (nicht völlig unbedeutenden) Zuschuß zum vorwiegend aus anderen Quellen fließenden Einkommen zu erzielen, und weder die Verwendung der fortlaufenden kriminellen Einkünfte für den eigenen Lebensunterhalt noch die tatsächliche gewinnbringende Veräußerung der Beute oder die diesem Zweck dienende Verbindung mit einer festen Abnehmerorganisation vorausgesetzt wird. Damit wird nämlich erneut nur dargetan, daß die der hier maßgeblichen Negativfeststellung des Erstgerichtes zugrundeliegende Schlußfolgerung aus den finanziellen Verhältnissen der Angeklagten nicht zwingend wäre, weil auch eine andere - für die Angeklagten nachteiligere - Lösung der Tatfrage auf Grund der Verfahrensergebnisse denkmöglich gewesen wäre; hingegen wird ein Verstoß dieser Folgerung gegen Denkgesetze nicht einmal behauptet. Einer solchen Behauptung wäre zudem entgegenzuhalten, daß die Mittellosigkeit des Täters sehr wohl als (in der Regel für sich allein wohl nicht zur Überführung ausreichendes) Indiz für gewerbsmäßiges Handeln verwertbar ist, und es daher den Regeln der Logik nicht widerspricht, das Fehlen eines solchen Anhaltspunktes zur Begründung dafür heranzuziehen, daß der Schöffensenat von einem Handeln des Täters mit gewerbsmäßiger Absicht ungeachtet einer Mehrzahl hiefür sprechender Indizien nicht hinreichend überzeugt war. Selbst wenn sich auf Grund letzterer Indizien erhebliche Bedenken gegen die betreffende Negativfeststellung ergäben, könnte diese vom Ankläger zum Nachteil des Angeklagten mangels einer entsprechenden Rechtsmittelbefugnis (im Sinne der Z 5 a des § 281 Abs 1 StPO) nicht mit Nichtigkeitsbeschwerde geltend gemacht werden.

Die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft war daher schon bei der nichtöffentlichen Beratung gemäß § 285 a Abs 1 Z 1 StPO zurückzuweisen.

Aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerde war allerdings gemäß § 290 Abs 1 StPO der dem Schuldspruch des Zweitangeklagten Ewald H***** in Ansehung der Urteilstat A./III./2./ anhaftende materielle Nichtigkeitsgrund nach § 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO von Amts wegen wahrzunehmen. Die äußerst ungenaue Feststellung der Begehungszeit dieser Straftat läßt nämlich eine sichere rechtliche Beurteilung dahin, ob die Strafbarkeit infolge Verjährung aufgehoben ist, nicht zu. Für den Eintritt der Verjährung infolge Ablaufs der einjährigen Verjährungsfrist (§ 57 Abs 2 und 3 StGB) spricht vor allem der Umstand, daß die - für die Fortlaufhemmung nach § 58 Abs 3 Z 2 StGB maßgebliche - Gerichtsanhängigkeit des Verfahrens wegen dieser Straftat nicht vor dem 19. Mai 1993 (AS 9) eintrat. Allerdings kann derzeit nicht ausgeschlossen werden, daß zum letzterwähnten Zeitpunkt die Verjährung infolge Begehung neuer, auf derselben schädlichen Neigung beruhender Straftaten durch Ewald H***** während der Verjährungsfrist noch nicht eingetreten war (Ablaufhemmung nach § 58 Abs 2 StGB). Da die Verjährungsfrage auf der derzeitigen Feststellungsbasis nicht zu lösen und die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung nicht zu vermeiden ist, eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes in der Sache selbst daher noch nicht einzutreten hat, war das angefochtene Urteil in dem davon betroffenen Umfang aufzuheben und die Verfahrenserneuerung anzuordnen.

Rechtssätze
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