JudikaturJustiz11Os18/05i

11Os18/05i – OGH Entscheidung

Entscheidung
07. Juni 2005

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 7. Juni 2005 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner, Dr. Danek, Dr. Schwab und Dr. Lässig als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Kreitner als Schriftführer, in der Strafsache gegen Ernestine W***** und weitere Angeklagte wegen des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 und Abs 2 StGB und anderer strafbarer Handlungen, über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Schöffengericht vom 7. Oktober 2004, GZ 15 Hv 118/04w-57, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Eisenmenger, jedoch in Abwesenheit der Angeklagten und ihrer Verteidiger zu Recht erkannt:

Spruch

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde und aus deren Anlaß wird das angefochtene Urteil, welches im Übrigen unberührt bleibt,

1) in der Unterlassung der rechtlichen Unterstellung der den Angeklagten Ernestine W*****, Gerhard W***** und Margit M***** laut dem Schuldspruch B zur Last liegenden Tat auch unter § 156 Abs 1 und Abs 2 StGB sowie

2) in der rechtlichen Unterstellung dieser Tat, soweit sie der Angeklagten Margit M***** angelastet wird, auch unter Abs 1 des § 293 StGB

und demgemäß auch im Strafausspruch aufgehoben und die Sache im Umfang der zu 1) angeordneten Aufhebung zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden die Angeklagten Ernestine W*****, Gerhard W***** und Margit M***** unter anderem - abweichend von der auf die Annahme des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 und Abs 2 StGB zielenden rechtlichen Beurteilung der Anklage - des Vergehens der Fälschung eines Beweismittels nach § 293 Abs 1 StGB, Margit M***** auch nach § 293 Abs 2 StGB, schuldig erkannt (B des Urteilssatzes), die Angeklagte Ernestine W***** überdies auch des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 StGB (A III). Nach diesem - für das Nichtigkeitsverfahren alleine bedeutsamen - Schuldspruch B haben Ernestine W*****, Gerhard W***** und Margit M***** im Sommer 1997 in Radenthein und anderen Orten im bewussten gemeinsamen Zusammenwirken ein falsches Beweismittel hergestellt, und zwar „die Vereinbarung datiert mit 12. 12. 1995/21. 08. 1997, und die Vereinbarung datiert mit 15. 06. 1997/21. 08. 1997, den Kaufvertrag datiert mit Radenthein am 01. 08. 1997 und die Erklärung datiert mit Pörtschach, 02. 01. 1996, wobei sie mit dem Vorsatz handelten, dass das Beweismittel in einem gerichtlichen Verfahren gebraucht werde, wobei die Vereinbarung datiert mit 15. 06. 1997/21. 08. 1997 und der Kaufvertrag datiert mit Radenthein am 01. 08. 1997 von Margit M***** durch Vorlage ihres Rechtsvertreters Rechtsanwalt Dr. Heimo B***** am 16. 02. 1999 im Verfahren des Bezirksgerichtes Klagenfurt zu 6 C 32/98s, sohin in einem gerichtlichen Verfahren, gebraucht wurde."

Nach den zu diesem Schuldspruch getroffenen Feststellungen befanden sich die miteinander verheirateten Angeklagten Ernestine und Gerhard W***** im Jahr 1995 in einer tristen finanziellen Situation, die sie über Anraten der Drittangeklagten Margit M*****, einer in der Immobilienbranche als „First Director" der Firma H***** (International) Limited (im Folgenden „H***** Ltd") tätigen Jugendfreundin der Erstangeklagten durch Verkauf einer im Eigentum des Zweitangeklagten stehenden Liegenschaft nach Sanierung und Parifizierung eines darauf befindlichen Gebäudes zu bereinigen trachteten. Da eine dafür notwendige Aufstockung bzw Neueinräumung eines Bankdarlehens ausgeschlossen war, übergab Margit M***** zu nicht mehr exakt feststellbaren Zeitpunkten im Jahr 1995 an Ernestine W***** insgesamt 750.000 S (= 54.505 EUR) als Darlehen. Weder vor noch bei Übergabe des von der H***** Ltd erhaltenen Geldbetrages wurden Vereinbarungen über die Verzinsung, Rückzahlung oder allfällige Sicherheiten getroffen (US 12).

Wegen weiter angewachsener Schulden beschlossen die Ehegatten W***** gemeinsam mit Margit M***** Mitte 1997, ihre Fahrnisse dem Zugriff allfälliger Gläubiger, im Besonderen einer bevorstehenden Exekution seitens des Finanzamtes Spittal an der Drau zu entziehen. Zu diesem Zweck verfassten die Angeklagten im Sommer 1997 nachgenannte Urkunden, von denen sie wussten, dass ihr Inhalt falsch war (US 16):

1) Die als Ausstellungsort Radenthein und als Ausstellungszeitpunkt den 20. Dezember 1995 aufweisende Vereinbarung zur Sicherstellung eines im Dezember 1995 an Gerhard W***** bar übergebenen Darlehens in Höhe von 300.000 S (notariell beglaubigt am 21. August 1997 in Villach), mit der im Eigentum des Kreditnehmers stehende, im Einzelnen in einer Inventarliste (S 281g bis 281k in ON 8a/I) angeführte Gegenstände bis zur vollständigen Darlehensrückzahlung in das Sicherheitseigentum der H***** Ltd übertragen, Gerhard W***** jedoch gleichzeitig von der Kreditgeberin zur Benutzung überlassen wurden (S 281e in ON 8a/I);

2) die der zu Punkt 1 beschriebenen vergleichbare Vereinbarung einer Sicherungsübereignung samt Inventarliste (S 281n bis 281p in ON 8a/I) mit dem Ausstellungsdatum 15. Juni 1997 (notariell beglaubigt am 21. August 1997 in Villach) und Ausstellungsort Radenthein zur Besicherung eines im Juni 1997 bar an Ernestine W***** zugezählten Darlehens in Höhe von 450.000 S (S 281 l in ON 8a/I).

3) ein mit 1. August 1997 datierter Vertrag zwischen der H***** Ltd als Käuferin (vertreten durch Margit M*****) und Ernestine W***** als Verkäuferin betreffend den Verkauf von in ihrem Eigentum stehenden Fahrnissen um 200.000 S, welcher Betrag auf das der Verkäuferin eingeräumte Darlehen von 450.000 S angerechnet wurde (S 311 f/II des Aktes 15 Hv 155/02h des Landesgerichtes Klagenfurt).

4) eine mit 2. Jänner 1996 datierte Vereinbarung zwischen der H***** Ltd (vertreten durch Margit M*****) und Gerhard W***** als Eigentümer eines Gastlokales in Radenthein, mit der der H***** Ltd zur Besicherung und Refinanzierung des im Dezember 1995 zugezählten Darlehens von 300.000 S das Recht auf Nutzung oder Vermietung dieser Eigentumseinheit übertragen bzw für den Fall der Vermietung durch Gerhard W***** die Zession seiner Mietzinsforderungen an die H***** Ltd vereinbart wurde (S 285 ff/II des Aktes 15 Hv 155/02h des Landesgerichtes Klagenfurt).

Zeitgleich wurden mit der unter Punkt 4) beschriebenen Vereinbarung hinsichtlich der im Wohnungseigentum des Gerhard W***** stehenden Anteile Mietverträge erstellt. Der zwischen 3. Juni 1998 und 2. Februar 1999 bezahlte Mietzins in Höhe von insgesamt 148.000 S floss aufgrund der (oben unter 4) beschriebenen) Zession teilweise an die H***** Ltd, teilweise an Margit M***** bzw an von ihr namhaft gemachte dritte Personen (US 15 f).

Im Zuge einer vom Finanzamt Spittal an der Drau wegen eines vollstreckbaren Abgabenrückstandes von 478.577 S geführten Exekution wurden Schmuckstücke der Erstangeklagten gepfändet, deren Herausgabe seitens der H***** Ltd unter Vorlage des (oben unter 3) beschriebenen) mit 1. August 1997 datierten Kaufvertrages und der (oben unter Punkt 2) beschriebenen) Sicherungsübereignung im Verfahren 6 C 32/98s des Bezirksgerichtes Klagenfurt begehrt wurde (US 16).

Die Tatrichter stützten die Feststellung, dass Margit M***** den Ehegatten W***** tatsächlich (im Jahr 1995) ein Darlehen eingeräumt hat und dies - entgegen dem Anklagevorwurf - nicht bloß fälschlich in einer ihre Gläubiger schädigenden Weise behauptet wurde, auf die Aussagen der Angeklagten, die vom Gutachten des Sachverständigen Mag. Schumach weder bestätigt noch widerlegt wurden, und verwiesen weiters auf den von Rechtsanwalt Dr. Heimo B***** als Zeugen bestätigten Geldfluss zwischen 3. Juni 1998 und 2. Februar 1999 (S 468 f iVm Beilage III zu ON 53, jeweils Band IV) aus Mieteinnahmen (US 19 f). Mit ihrer auf § 281 Abs 1 Z 4 und 5 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde strebt die Staatsanwaltschaft die Aufhebung dieses Schuldspruchs an. Sie wendet sich ausdrücklich gegen die einer anklagekonformen Verurteilung wegen des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 und Abs 2 StGB, entgegenstehende Konstatierung, wonach Margit M***** an Ernestine W***** ohne nähere Vereinbarung tatsächlich ein Darlehen in Höhe von 750.000 S (= 54.505 EUR) gewährt hätte.

Rechtliche Beurteilung

Schon mit ihrer Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) ist die Beschwerdeführerin aus den in der Stellungnahme der Generalprokuratur dargelegten Erwägungen, welchen der Oberste Gerichtshof beitritt, im Recht. Denn die Tatrichter haben, wie die Beschwerde zutreffend aufzeigt, die durch einverständliche Verlesung (S 515/IV) des Aktes 15 Hv 155/02 des Landesgerichtes Klagenfurt in die Hauptverhandlung eingeführte Verantwortung der Ernestine W***** vor dem Untersuchungsrichter (S 495k umseits/I) unberücksichtigt gelassen. Danach aber bezeichnete diese nicht bloß die mit Margit M***** (als Vertreterin der H***** Ltd) schriftlich geschlossenen Vereinbarungen als Scheinverträge zum Zwecke der Verhinderung allfälliger Exekutionen, sondern räumte darüber hinaus auch ein, „dass es keine Darlehensvereinbarung je gab, keinen Darlehensvertrag, keine Darlehensübergabe, es ist kein Groschen Geld tatsächlich geflossen."

Mit dieser - wenn auch angeblich unter psychischem Druck (S 455 f/IV) nach (auf S 263/I festgehaltenen) telephonischen Erhebungen zu Stande gekommenen, aber erst geraume Zeit später (vgl S 264/I) gewählten - Verantwortung, die gegen die Urteilsannahme einer tatsächlich erfolgten Übergabe von 750.000 S als Darlehen spricht, hätte sich das Schöffengericht auseinandersetzen und begründen müssen, weshalb es der späteren und in der Hauptverhandlung behaupteten Tatversion der Erstangeklagten folgte. Dazu wären die Tatrichter umso mehr verhalten gewesen, als Margit M***** als Vertreterin der H***** Ltd am 2. Jänner 1996 schriftlich auf die Ansprüche der von ihr vertretenen Gesellschaft gegenüber Ernestine und Gerhard W***** für den „Fall ihres Ablebens" verzichtete und dazu erklärte, dass diese Bestätigung nur deshalb ausgestellt worden sei, weil Margit M***** „das Geld von ihr nie zurückverlangen würde, da es ja kein wahres Geschäft war, aber für den Fall, dass ihr etwas passieren würde, kein anderer jemals hier Forderungen" gegenüber den Ehegatten W***** „stellen könnte" (S 267/I).

Zutreffend weist die Beschwerdeführerin auch darauf hin, dass die vom Erstgericht aus dem Verfahren 22 Cg 149/98y des Landesgerichtes Klagenfurt übernommene Annahme eines Geldflusses seitens des Zeugen B***** nur auf einer diesbezüglichen (mangels Entscheidungsrelevanz unbestritten gebliebenen) Behauptung M*****s beruht, die im Übrigen nicht objektiviert werden konnte.

Weil der aufgezeigte Begründungsmangel die für die Richtigkeit der rechtlichen Beurteilung des Täterverhaltens allein als Vergehen der Beweismittelfälschung nach § 293 Abs 1 StGB - und nicht auch als (tateinheitlich begangenes: vgl Kirchbacher/Presslauer WK² § 156 Rz 30) Verbrechen der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 und Abs 2 StGB - wesentliche Sachverhaltsannahme der Darlehenszuzählung und damit eine entscheidende Tatsache iSd Z 5 des § 281 Abs 1 StPO betrifft, war das Urteil in der Unterlassung der rechtlichen Unterstellung der im Schuldspruch B beschriebenen Tat auch unter den Tatbestand der betrügerischen Krida schon deshalb aufzuheben, ohne dass es noch einer Erörterung der zur Verfahrensrüge (Z 4) vorgebrachten Einwendungen bedurfte.

Der Nichtigkeitsbeschwerde war somit Folge zu geben und insoweit die Verfahrenserneuerung anzuordnen.

Aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerde konnte sich der Oberste Gerichtshof davon überzeugen, dass der Angeklagten Margit M***** hinsichtlich der den Schuldspruch nach § 293 Abs 2 StGB tragenden Urkunden zu Unrecht auch die Tatbestandsverwirklichung nach § 293 Abs 1 StGB angelastet wurde. Wenn nämlich der Täter des Abs 2 leg cit auch die Beweismittelfälschung nach § 293 Abs 1 StGB zu vertreten hat, wird dieser Tatbestand durch den Schuldspruch nach Abs 2 des § 293 StGB als nachbestrafte Vortat konsumiert (Plöchl/Seidl WK-StGB² § 293 Rz 38). In amtswegiger Wahrnehmung der dadurch begründeten, von der Beschwerdeführerin nicht gerügten Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 10 StPO war daher gemäß § 288 Abs 3 StPO insoweit in der Sache selbst zu entscheiden und der Schuldspruch nach § 293 Abs 1 StGB in Ansehung der Angeklagten Margit M***** aus dem angefochtenen Urteil auszuschalten.