JudikaturJustiz11Os171/86

11Os171/86 – OGH Entscheidung

Entscheidung
10. Februar 1987

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 10.Februar 1987 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Schneider und Dr. Felzmann als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Schopper als Schriftführer, in der Strafsache gegen Dipl.Ing. Attila K*** wegen der Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach dem § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG und des (gewerbs- und bandenmäßigen) Schmuggels nach den §§ 35 Abs. 1, 38 Abs. 1 lit. a und b FinStrG über die von der Generalprokuratur gegen den Beschluß der Ratskammer des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 24.Oktober 1986, GZ 24 c Vr 10.616/86-75, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Generalanwaltes Dr. Gehart als Vertreter des Generalprokurators und des Verteidigers Dr. Ainedter, jedoch in Abwesenheit des Beschuldigten Dipl.Ing. K*** zu Recht erkannt:

Spruch

Der Beschluß der Ratskammer des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 24.Oktober 1986, GZ 24 c Vr 10.616/86-75, verletzt das Gesetz in der Bestimmung des § 23 Abs. 2 Z 1 KWG.

Text

Gründe:

Zum AZ 24 c Vr 10.616/86 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien wurde (unter anderen) gegen Dipl.Ing. Attila K*** die Voruntersuchung wegen der Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach dem § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG und des (gewerbs- und bandenmäßig begangenen) Schmuggels nach den §§ 35 Abs. 1, 38 Abs. 1 lit. a und b FinStrG in Verbindung mit dem § 11 FinStrG eingeleitet, weil der Verdacht bestand, er habe in den letzten Jahren, zumindest ab 1984, Goldmünzen in erheblicher Menge in das Zollgebiet (unverzollt) eingebracht oder einbringen lassen und an verschiedene Personen oder Firmen ohne Fakturierung weiterveräußert. Mit Beschluß des Untersuchungsrichters vom 24.September 1986 (ON 31) wurde die R*** W***, registrierte Genossenschaft mit beschränkter Haftung, ersucht, den Organen der (gemäß dem § 197 FinStrG vom Gericht zur Aufklärung in Anspruch genommenen) Finanzstrafbehörden, nämlich des Zollamts Wien und des Finanzamts für den I. Bezirk in Wien (Prüfungsabteilung Strafsachen) Einsicht u. a. in das Privatgirokonto Nr. 4,221.602, lautend auf Ulrike K***, und in das Girokonto Nr. 4,221.487, lautend auf Dr. Janos K***, zu gestatten.

Einer von der R*** W*** gegen diesen Beschluß in dem zuvor bezeichneten Umfang erhobenen Beschwerde gab die Ratskammer des Landesgerichtes für Strafsachen Wien mit Beschluß vom 24. Oktober 1986, ON 75, Folge und hob den angefochtenen Teil des untersuchungsrichterlichen Beschlusses auf. In Übereinstimmung mit dem Beschwerdevorbringen ging die Ratskammer davon aus, daß für die beiden Konten eine Zeichnungsberechtigung des Beschuldigten Dipl.Ing. Attila K*** bestehe, erachtete jedoch die von der Bank in der Beschwerdeschrift vertretene Rechtsansicht als zutreffend, daß dieser Umstand nicht (schon an sich) ausreiche, das Bankgeheimnis für jene Konten aufzuheben, weil gegen deren Inhaber kein Strafverfahren eingeleitet worden sei.

Die Generalprokuratur erhob gegen den Beschluß der Ratskammer des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 24.Oktober 1986 gemäß dem § 33 Abs. 2 StPO eine Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes und führte hiezu u.a. wörtlich aus:

"... Gemäß § 23 Abs. 1 Z 1 KWG besteht die Verpflichtung zur Wahrung des Bankgeheimnisses unter anderem nicht im Zusammenhang mit gerichtlichen Strafverfahren gegenüber den Strafgerichten. Unbeschadet der hiezu ex lege (durch Art. I Z 34 in Abschnitt I des mit 1.Jänner 1987 in Kraft getretenen Bundesgesetzes BGBl. Nr. 325/1986) erfolgten Klarstellung, daß es sich um ein eingeleitetes Strafverfahren handeln muß, setzt der geforderte Zusammenhang mit einem gerichtlichen Strafverfahren nicht voraus, daß sich dieses Verfahren (gerade auch) gegen den betreffenden Bankkunden selbst als Verdächtigen, Beschuldigten oder Angeklagten richtet. Erforderlich ist nur, daß das, was (sonst) durch das Bankgeheimnis gedeckt wäre, zur Wahrheitsermittlung in dem konkreten anhängigen Strafverfahren potentiell dienlich ist ... Ein nach dem zuvor Gesagten die Aufhebung des Bankgeheimnisses bewirkender Zusammenhang mit dem (eingeleiteten) Strafverfahren kann auch hinsichtlich von Konten gegeben sein, über die der Beschuldigte rechtlich oder tatsächlich verfügt hat oder verfügen konnte (Bzoch-Bittner, Kreditwesengesetz, Anm. zu § 23 Abs. 2 KWG). Im vorliegenden Fall trifft dies auf die in Rede stehenden Konten der Ulrike K*** und des Dr. Janos K*** zu, über die der Beschuldigte Dipl.Ing. Attila K*** kraft der ihm eingeräumten Zeichnungsberechtigung verfügen konnte; war er doch dadurch in die Lage versetzt, sich dieser Konten faktisch wie eines eigenen Kontos zu Geldbewegungen zu bedienen, deren Offenlegung für die Wahrheitsermittlung in dem (ua) gegen ihn anhängigen Strafverfahren erforderlich ist.

Schon aus dieser Erwägung ergibt sich die Gesetzwidrigkeit der auf der Auffassung, die in Rede stehenden Konten seien dem vom Untersuchungsrichter an die kontoführende Bank gerichteten Auskunftsverlangen durch das Bankgeheimnis (gänzlich) entzogen, beruhenden Entscheidung der Ratskammer. Die darüber hinaus bisher hervorgekommenen Hinweise auf persönliche Zusammenhänge zwischen dem Gegenstand des Strafverfahrens und den genannten Kontoinhabern insofern, als Ulrike K*** am Handel mit Goldmünzen im Geschäftsbetrieb ihres Gatten Dipl.Ing. Attila K*** zumindest manipulativ mitgewirkt und Dr. Janos K*** diesem Beschuldigten Golddukaten aufklärungsbedürftiger Herkunft zur Verfügung gestellt haben soll (S 155, 160, 402, 409, 410/I), bedürfen daher keiner weiteren Erörterung ...".

Rechtliche Beurteilung

Hiezu hat der Oberste Gerichtshof erwogen:

Geschützt durch das im § 23 Abs. 1 KWG umschriebene Bankgeheimnis ist grundsätzlich der Bankkunde, also diejenige Rechtspersönlichkeit, die mit einer Kreditunternehmung (im Sinn der Legaldefinition des § 1 Abs. 1 KWG) in Geschäftsverbindung steht oder (wegen der Nachwirkung des Bankgeheimnisses) stand. Wenn aber gegen einen Bankkunden ein gerichtliches Strafverfahren eingeleitet oder von den Finanzstrafbehörden ein Strafverfahren wegen vorsätzlicher Finanzvergehen, ausgenommen Finanzordnungswidrigkeiten, formell in Gang gesetzt wurde (§ 23 Abs. 2 Z 1 KWG), besteht - im Fall dieses Bankkunden - die Verpflichtung zur Wahrung des Bankgeheimnisses gegenüber dem Strafgericht bzw. den Finanzstrafbehörden nicht mehr. Es widerspräche dem Zweck dieser Ausnahmebestimmung und fände auch im Gesetzeswortlaut keine Deckung, wollte man die Durchbrechung des Bankgeheimnisses nur dann gelten lassen, wenn gegen den (offiziell aufscheinenden) Bankkunden persönlich ein Strafverfahren der bezeichneten Art eingeleitet wurde, was beispielsweise bei strafunmündigen Bankkunden oder juristischen Personen oder anonymen Konten schon begrifflich nicht in Betracht käme. Vielmehr können Bankkunden in ihrer Gestion gegenüber Bankunternehmen vertreten werden, sei es auf Grund einer rechtsgeschäftlichen Vereinbarung (Bevollmächtigung einer anderen Person nach bürgerlichem Recht oder Handelsrecht, der im Extremfall auch eine "Strohmannfunktion" zugrundeliegen kann), sei es auf Grund einer Organfunktion bei einer juristischen Person oder sei es überhaupt auf Grund des Gesetzes (gesetzlicher Vertreter einer handlungsunfähigen Person, Masseverwalter). Derartige Vertreter könnten je nach dem Umfang ihrer Vertretungsbefugnis im Namen des Bankkunden (auch) der Offenbarung des Geheimnisses zustimmen (§ 23 Abs. 2 Z 3 KWG):

Wenngleich nun die bloße Zeichnungsbefugnis einer derartig umfänglichen Ermächtigung nicht gleichzuhalten ist (vgl. zu all dem Jabornegg-Strasser-Floretta, Das Bankgeheimnis, S 100 bis 102), zeigt sich aus der Sicht der einen bestimmten Straffall untersuchenden Behörde (Strafgericht oder Finanzstrafbehörde) doch sehr deutlich, daß sich nicht nur der Bankkunde selbst seiner Geschäftsverbindung mit einer Kreditunternehmung bedienen kann, um im Wege eines Bankgeschäftes (iS des § 1 Abs. 2 KWG) strafgesetzwidrig zu handeln, sondern auch ein zeichnungsbefugter Stellvertreter, der sich - im Einzelfall auch ohne Wissen und Zustimmung des von ihm vertretenen Bankkunden - seine rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten, über ein Konto zu verfügen, zunutze macht, um einen von ihm gewollten strafgesetzwidrigen Erfolg herbeizuführen: Ergibt sich somit in dem konkreten gegen einen bestimmten Verdächtigen (Beschuldigten, Angeklagten) eingeleiteten Strafverfahren ein derart beschaffener, aus dem Tatverdacht hervorleuchtender sachlicher Zusammenhang mit einer bestimmten Bankverbindung, erfaßt die Durchbrechung des Bankgeheimnisses jedenfalls auch das Konto eines persönlich in das Strafverfahren (noch) nicht involvierten Bankkunden, über das der (bisher) der Tat Verdächtige verfügen durfte (vgl. die in gewissem Sinn ähnliche Rechtslage nach dem § 139 Abs. 1 StPO im Fall einer Hausdurchsuchung).

Aus diesen Erwägungen ist der Generalprokuratur im Ergebnis zuzustimmen, wenn sie hier angesichts des Umstands, daß der erforderliche sachliche Zusammenhang zwischen dem des (strafgesetzwidrigen) Goldmünzenhandels verdächtigen und in Untersuchung gezogenen Dipl.Ing. K*** bzw. den ihm zur Last fallenden Handlungen und den ihm zur Abwicklung der nötigen Geldtransaktionen tatsächlich zur Verfügung gestandenen Bankkonten auf der Hand lag, die eingangs wiedergegebene Rechtsansicht der Ratskammer des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als gesetzwidrig erkennt, weshalb der gemäß dem § 33 Abs. 2 StPO erhobenen Beschwerde spruchgemäß stattzugeben war.

Allerdings geht die Generalprokuratur zu weit, wenn sie in ihrer Beschwerdeschrift in Auslegung der in Frage stehenden Bestimmungen des Kreditwesengesetzes vermeint, daß das Konto eines persönlich vom Strafverfahren nicht betroffenen Bankkunden immer dann ungeschützt sei, wenn die Eröffnung "zur Wahrheitsfindung in dem konkreten anhängigen Strafverfahren potentiell dienlich ist". Zwingend erforderlich ist vielmehr darüber hinaus, daß zwischen dem (offenzulegenden) Bankkonto und der wegen einer bestimmten Straftat bereits in Untersuchung gezogenen Person eine solche (rechtliche oder tatsächliche) Verbindung besteht, die - wie hier - schlüssig den Verdacht zu begründen vermag, der Betreffende (Verdächtige, Beschuldigte, Angeklagte) habe sich (auch) die aus dieser speziellen Verbindung erwachsende Verfügungsmöglichkeit bei Begehung der Straftat zunutze gemacht (in diesem Sinn auch Jabornegg-Strasser-Floretta a.a.O. S 109). Nur diese - eine ungerechtfertigte Beeinträchtigung des Bankgeheimnisses verhindernde - restriktive Interpretation trägt nämlich dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Gesamtregelung entsprechend Rechnung.

Rechtssätze
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