JudikaturJustiz11Os156/12v

11Os156/12v – OGH Entscheidung

Entscheidung
11. Dezember 2012

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 11. Dezember 2012 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab, Mag. Lendl, Mag. Michel und Dr. Oshidari als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Meier als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Miroslav D***** wegen des Verbrechens des schweren Betrugs nach §§ 15, 146, 147 Abs 1 Z 1, Abs 3 StGB und anderer strafbarer Handlungen, AZ 072 Hv 73/12z des Landesgerichts für Strafsachen Wien, über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil des genannten Gerichts als Schöffengericht vom 7. September 2012, GZ 072 Hv 73/12z 18, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes und die gegen das genannte Urteil erhobenen Berufungen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Höpler, des Angeklagten und seiner Verteidigerin Mag. Sporn zu Recht erkannt:

Spruch

Das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 7. September 2012, GZ 072 Hv 73/12z 18, verletzt in seinem Schuldspruch C./1./ das Gesetz in § 224a StGB.

Dieser Schuldspruch wird ebenso aufgehoben wie der Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) und in der Sache selbst erkannt:

Miroslav D***** wird von der wider ihn erhobenen Anklage, er habe bis zum 10. Mai 2012 eine falsche besonders geschützte Urkunde (§ 224 StGB), nämlich einen total gefälschten serbischen Führerschein, mit dem Vorsatz besessen, dass dieser im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechtes oder einer Tatsache gebraucht werde, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Für die dem Angeklagten weiter zur Last liegenden Verbrechen des schweren Betrugs nach §§ 15, 146, 147 Abs 1 Z 1, Abs 3 StGB und des betrügerischen Datenverarbeitungsmissbrauchs nach §§ 148a Abs 1, Abs 2 dritter Fall, 15 StGB sowie des Vergehens der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach §§ 223 Abs 1, 224 StGB wird er unter Anwendung von § 28 Abs 1 StGB nach § 147 Abs 3 StGB zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt.

Die Vorhaftanrechnung wird dem Erstgericht überlassen.

Der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft werden mit ihren Berufungen auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 7. September 2012, GZ 072 Hv 73/12z 18, wurde Miroslav D***** rechtskräftig der Verbrechen des schweren Betrugs nach §§ 15, 146, 147 Abs 1 Z 1, Abs 3 StGB (A./), und des betrügerischen Datenverarbeitungsmissbrauchs nach §§ 148a Abs 1, Abs 2 dritter Fall, 15 StGB (B./), sowie der Vergehen des Besitzes falscher oder verfälschter besonders geschützter Urkunden nach § 224a StGB (C./1./) und der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach §§ 223 Abs 1, 224 StGB (C./2./) schuldig erkannt.

Danach hat er in Wien

A./ im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit der abgesondert verfolgten Diana K***** als Mittäterin mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, und unter Verwendung falscher Urkunden, nämlich totalgefälschter Lohnbestätigungen hinsichtlich Diana K***** und teilweise auch eines totalgefälschten Führerscheins lautend auf Miroslav D***** sowie eines falschen Beweismittels, nämlich eines Meldezettels für die Adresse 1150 Wien, S*****straße 58/1/14, an der Diana K***** niemals wohnhaft war, Nachgenannte durch Täuschung über Tatsachen, nämlich die Vorgabe, Diana K***** sei eine zahlungsfähige und willige Geschäftspartnerin und stehe in einem unbefristeten Dienstverhältnis, zur Überlassung von Kraftfahrzeugen zu verleiten versucht, die diese mit einem insgesamt 50.000 Euro übersteigenden Betrag am Vermögen schädigen sollten, und zwar

1./ vom 5. Mai bis 10. Mai 2012 Mitarbeiter der B***** GmbH zur Übergabe eines Opel Astra und eines Opel Corsa im Gesamtwert von 33.976,47 Euro,

2./ am 5. Mai 2012 Mitarbeiter der M***** GmbH zur Übergabe eines Ford Fiesta im Wert von 14.300 Euro,

3./ von 27. April bis 4. Mai 2012 Mitarbeiter der P***** GmbH Co KG zur Übergabe eines Seat Leon und eines Seat Ibiza im Gesamtwert von 24.931 Euro,

4./ im April 2012 Mitarbeiter des Autohauses Be***** zur Übergabe eines Nissan Almera und eines BMW 320TD im Gesamtwert von 18.980 Euro;

B./ am 10. Mai 2012 im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter mit weiteren, bislang unbekannten Personen mit dem Vorsatz, sich unrechtmäßig zu bereichern, einen anderen, nämlich Verfügungsberechtigte der U***** AG, dadurch am Vermögen geschädigt und zu schädigen versucht, dass ein unbekannter Mittäter das Ergebnis einer automationsunterstützten Datenverarbeitung durch Eingabe von Daten beeinflusste, wobei Miroslav D***** durch die Tat einen 50.000 Euro übersteigenden Schaden herbeiführte und herbeiführen wollte, indem er am 30. April 2012 ein Konto bei der U***** AG eröffnete und unbekannte Mittäter in weiterer Folge am 10. Mai 2012 durch Verwendung eingescannter gefälschter Überweisungsbelege zum Nachteil der Alfred O***** GmbH Co KG insgesamt 59.302,32 Euro dorthin überwiesen, wovon Mirosolav D***** am gleichen Tag in mehreren Angriffen 25.400 Euro behob, und er schließlich beim Versuch, weitere 9.000 Euro zu beheben, festgenommen werden konnte;

C./ seit einem nicht mehr festzustellenden Zeitpunkt bis zum 10. Mai 2012

1./ eine falsche besonders geschützte Urkunde (§ 224 StGB) mit dem Vorsatz, dass sie im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechtes oder einer Tatsache gebraucht werde, besessen, und zwar einen total gefälschten serbischen Führerschein.

2./ eine echte inländische öffentliche Urkunde, nämlich einen Meldezettel mit dem Vorsatz verfälscht, dass sie im Rechtsverkehr zum Beweis einer Tatsache gebraucht werde, indem er auf seinem Meldezettel die Wohnsitzqualität von „Nebenwohnsitz“ auf „Hauptwohnsitz“ veränderte.

Der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft bekämpfen dieses Urteil jeweils (nur) mit Berufung (wegen des Ausspruchs über die Strafe). Über diese Rechtsmittel hat das Oberlandesgericht Wien bisher nicht entschieden.

Das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 7. September 2012 steht wie die Generalprokuratur in ihrer gemäß § 23 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend ausführt im Schuldspruch C./1./ mit dem Gesetz nicht im Einklang:

Rechtliche Beurteilung

Nach § 224a StGB macht sich des Vergehens der Annahme, Weitergabe oder des Besitzes falscher oder verfälschter besonders geschützter Urkunden schuldig, wer eine falsche oder verfälschte besonders geschützte Urkunde (§ 224 StGB) mit dem Vorsatz, dass sie im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechtes, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht werde, von einem anderen übernimmt, sich oder einem anderen verschafft, befördert, einem anderen überlässt oder sonst besitzt. § 224 StGB beschränkt die Strafbarkeit in Ansehung ausländischer öffentlicher Urkunden auf solche, die durch Gesetz oder zwischenstaatlichen Vertrag inländischen öffentlichen Urkunden gleichgestellt sind.

Nach § 1 Abs 4 erster Satz FSG sind (nur) Lenkerberechtigungen, die von einer zuständigen Behörde eines EWR-Staats ausgestellt wurden, inländischen öffentlichen Urkunden gleichgestellt (vgl RIS Justiz RS0095731).

Dass die Republik Serbien Mitglied des Europäischen Wirtschaftsraumes (EWR) wäre, hat das Erstgericht zu Recht nicht angenommen. Die gegenständliche Unterstellung des Besitzes eines totalgefälschten serbischen Führerscheins unter § 224a StGB ist daher verfehlt; dessen Benutzung im Rechtsverkehr wird vom Schuldspruch nach §§ 15, 146, 147 Abs 1 Z 1, Abs 3 StGB umfasst.

Die Gesetzesverletzung gereicht dem Angeklagten zum Nachteil, sodass sich der Oberste Gerichtshof nach § 292 letzter Satz StPO veranlasst sah, den betroffenen Schuldspruch aufzuheben und mit einem Freispruch vorzugehen. Demgemäß war auch der Strafausspruch zu beheben.

Bei der dadurch erforderlich gewordenen Strafneubemessung wertete der Oberste Gerichtshof als erschwerend das Zusammentreffen von zwei Verbrechen mit einem Vergehen sowie die Mehrzahl der Angriffe und die zweifache Qualifikation beim Verbrechen des Betrugs; als mildernd hingegen den bisher ordentlichen Lebenswandel des Angeklagten, sein reumütiges Geständnis und die Tatsache, dass es teilweise beim Versuch geblieben ist.

Ausgehend von diesen Strafzumessungsgründen ist die (bereits auch vom Erstgericht) verhängte Strafe schuld und tatangemessen.

Im Hinblick auf die durch genaue Vorbereitung der Taten und wiederholten Angriffe gezeigte kriminelle Energie kommt aus spezialpräventiven Gründen eine bedingte oder teilweise bedingte Nachsicht der Strafe nicht in Betracht.

Mit ihren Berufungen waren der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung zu verweisen.