JudikaturJustiz11Os148/07k

11Os148/07k – OGH Entscheidung

Entscheidung
29. Januar 2008

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 29. Jänner 2008 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp, Dr. Danek, Dr. Schwab und Mag. Lendl als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Wieltschnig als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Zoran S***** und Vasilis K***** wegen des Verbrechens nach § 28 Abs 2 zweiter und dritter Fall, Abs 4 Z 3 SMG und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 19. September 2007, GZ 8 Hv 102/07z-58, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Den Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden (jeweils in der bis 31. Dezember 2007 gültigen Fassung des SMG) Vasilis K***** und Zoran S***** des beim Versuch (§ 15 Abs 1 StGB) gebliebenen Verbrechens nach § 28 Abs 2 vierter Fall, Abs 4 Z 3 SMG (2.), Vasilis K***** überdies des Verbrechens nach § 28 Abs 2 zweiter und dritter Fall, Abs 4 Z 3 SMG

(1.) schuldig erkannt.

Danach haben am 22. Mai 2007 den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift in einer das 25-fache der Grenzmenge (§ 28 Abs 6 SMG) übersteigenden Menge

1.) Vasilis K***** aus- und eingeführt, indem er 9.236,9 Gramm Heroin (550 Gramm Reinsubstanz; US 8) in seinem Pkw versteckt über einen unbekannten Grenzübergang von der Tschechischen Republik nach Österreich schmuggelte,

2.) Vasilis K***** und Zoran S***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken als unmittelbare Täter in Arnwiesen durch Übergabe an verdeckte Ermittler der Sicherheitsbehörden in Verkehr zu setzen versucht, indem sie das zu Punkt 1.) angeführte Suchtgift bereithielten, Verkaufsverhandlungen führten und einen Teil des Suchtgiftes zu Testzwecken zur Verfügung stellten.

Rechtliche Beurteilung

Zoran S***** bekämpft diesen Schuldspruch mit einer auf Z 3, 5 und 9 lit a, Vasilis K***** mit einer auf Z 3, 5 und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Den Rechtsmitteln kommt keine Berechtigung zu.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Zoran S*****:

Aus Z 3 rügt der Beschwerdeführer, die „Strafanzeige und amtliche Berichte hinsichtlich ungenannter Zeugen" hätten nicht verlesen werden dürfen, weil dadurch „das Verlesungsverbot" umgangen worden sei. Er übersieht dabei aber, dass die gerügten Verlesungen gemäß § 252 Abs 1 Z 4 StPO einverständlich erfolgten (S 347), sodass die behauptete Nichtigkeit nicht vorliegt. Im Übrigen spricht er mit dem Vorbringen, durch die Einvernahme der Vertrauensperson und weiterer verdeckter Ermittler wäre hervorgekommen, dass „der Angeklagte eben nicht Chef im strafgegenständlichen Suchtgifthandel war", keine für die Schuld- oder Subsumtionsfrage bedeutsame Tatsache, sondern allenfalls einen Berufungsgrund an.

Undeutlichkeit im Sinne der Z 5 ist gegeben, wenn nicht unzweifelhaft erkennbar ist, ob eine entscheidende Tatsache in den Entscheidungsgründen festgestellt wurde oder auch aus welchen Gründen die Feststellung entscheidender Tatsachen erfolgt ist (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 419). Die von der Beschwerde kritisierten Konstatierungen, die vor den Tathandlungen gelegene Erhebungen österreichischer Sicherheitsbehörden, deren Kontakte zu einer Vertrauensperson sowie „über einen längeren Zeitraum hinweg erfolglose Gespräche und Verhandlungen" (US 4) zum Inhalt haben, sind jedoch weder undeutlich im Sinn des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes noch betreffen sie eine entscheidende Tatsache.

Warum die Feststellung, wonach der Erstangeklagte „von der Suchtgiftschmuggelfahrt und geplanten Inverkehrsetzung konkret informiert war und sogar über zumindest einen weiteren Hintermann mitorganisierte" (US 8), mit den Ausführungen des Erstgerichtes, dass „die tatsächlichen Hintergründe, wer das Suchtgift letztlich organisierte, nicht festgestellt werden können" (US 5), in Widerspruch stehen sollte, legt die Beschwerde nicht dar. Die - vom Erstgericht tatsächlich so nicht getroffene - Einordnung des Erstangeklagten als führende Person einer kriminellen Organisation wiederum stellt - eine Strafbarkeit nach § 28 Abs 5 SMG oder § 278a StGB wurde ja nicht für begründet erachtet - keine entscheidende Tatsache dar. Diesem Umstand kommt somit allenfalls unter Strafzumessungsaspekten Relevanz zu.

Der eine Undeutlichkeit behauptenden Rüge (Z 5 erster Fall) zuwider haben die Tatrichter dem Schuldspruch nicht eine Suchtgiftmenge von 9,5 kg Heroin zugrundegelegt, sondern sind eindeutig von einer Reinsubstanz von zumindest 550 Gramm (rechnerisch richtig: 517 Gramm) ausgegangen (US 8).

Auf diese Urteilspassage ist auch die einen Mangel an Feststellungen zum Reinheitsgehalt des Heroins behauptende Rechtsrüge (inhaltlich Z 10) zu verweisen.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Vasilis K*****:

Zutreffend weist die Verfahrensrüge (Z 3) darauf hin, dass für den in der Hauptverhandlung vom 19. September 2007 - nach Umfrage (vgl aber § 229 Abs 1 StPO) - gefassten Beschluss auf Ausschluss der Öffentlichkeit (S 329) weder im Hauptverhandlungsprotokoll noch in der Urteilsausfertigung eine Begründung gegeben wurde. Unter Nichtigkeitssanktion steht jedoch nur der Mangel an sachlicher Rechtfertigung des Ausschlusses der Öffentlichkeit, nicht aber die Einhaltung von Förmlichkeiten (Danek, WK-StPO § 229 Rz 6; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 256). Soweit die Beschwerde auch die inhaltliche Unbegründetheit der erkennbar zum Schutz der verdeckt ermittelnden Beamten getroffenen Maßnahme releviert, ist ihr zu entgegnen, dass für den Obersten Gerichtshof - auch unter dem Aspekt des Schutzzweckes des § 228 StPO, nämlich der öffentlichen Kontrolle der Gerichtsbarkeit - nicht erkennbar ist, warum der zeitweilige Ausschluss der Öffentlichkeit während der Vernehmung der beiden verdeckten Ermittler einen nachteiligen Einfluss auf die Entscheidung in Ansehung der vollinhaltlich geständigen Angeklagten (S 307, 319) hätte üben können (§ 281 Abs 3 StPO). Ein diesbezüglicher Hinweis ist auch dem Rechtsmittel nicht zu entnehmen (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 743).

Der Mängelrüge (Z 5) zuwider ist die Feststellung, der Zweitangeklagte sei in Kenntnis davon gewesen, dass er Suchtgift „in großen allenfalls aber auch übergroßen Mengen nach Österreich einschmuggeln sollte" (US 6), nicht undeutlich, haben die Tatrichter den auf gesetzwidrige Ein- und Ausfuhr sowie Inverkehrsetzung von Suchtgift in einer übergroßen Menge gerichteten Vorsatz doch auf den US 8 ff unmissverständlich zur Darstellung gebracht. Einen Widerspruch (Z 5 dritter Fall) erblickt die Beschwerde in der Konstatierung, der Zweitangeklagte habe 9.236,9 Gramm Heroin netto geschmuggelt, das zumindest 550 Gramm Reinsubstanz enthalten habe (US 8), orientiert sich dabei aber nicht an der Gesamtheit der Urteilsannahmen, aus denen sich eindeutig ergibt, dass das Erstgericht von 9.236,9 Gramm Heroin brutto mit einer Heroinbase von (zumindest) 5,6 % ausging. Die einmalige Verwendung des Begriffes „netto" in der gerügten Textpassage erfolgte erkennbar irrtümlich. Die einen Mangel an Feststellungen zum Vorsatz auf Einfuhr einer übergroßen Menge Suchtgift reklamierende Subsumtionsrüge (Z 10) übergeht eben diese, die Willensausrichtung des Zweitangeklagten beschreibenden Konstatierungen (US 8 f).

Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichts Graz zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.