JudikaturJustiz11Os134/90

11Os134/90 – OGH Entscheidung

Entscheidung
16. Januar 1991

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 16.Jänner 1991 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta, Dr. Felzmann, Dr. Rzeszut und Dr. Hager als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Paulin als Schriftführerin in der Strafsache gegen Tibor F***** wegen des Vergehens nach dem § 16 Abs. 1 SGG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Schöffengericht vom 20. September 1990, GZ 20 Vr 606/89-46, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Strasser, des Angeklagten Tibor F***** und des Verteidigers Dr. Michael Meyenburg zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird teilweise und zwar dahin Folge gegeben, daß die über den Angeklagten verhängte Freiheitsstrafe auf

2 (zwei) Monate

herabgesetzt wird.

Im übrigen wird der Berufung nicht Folge gegeben.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, im zweiten Rechtsgang ergangenen Urteil (siehe 11 Os 49/90) wurde der am 24.Dezember 1960 geborene Tibor F***** - abweichend von der in Richtung des Verbrechens nach dem § 12 Abs. 1 SGG erhobenen Anklage - des Vergehens nach dem § 16 Abs. 1 SGG schuldig erkannt und nach dieser Gesetzesstelle zu einer dreimonatigen (unbedingten) Freiheitsstrafe verurteilt. Darnach besaß er im Jänner 1989 in Bregenz dadurch den bestehenden Vorschriften zuwider vorsätzlich Suchtgift, daß er Elke A***** gestattete, 37 Gramm Heroin mehrere Tage in seiner Wohnung aufzubewahren.

Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte mit einer auf § 281 Abs. 1 Z 5 a, 9 lit. a und 11 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde und mit Berufung gegen den Strafausspruch.

Diesem Schuldspruch liegen nachfolgende, im Rahmen der Anfechtung wesentliche Feststellungen zugrunde:

Der Angeklagte wußte, daß die im Jänner 1989 aus Holland eingereiste, vorübergehend in seine Wohnung in Bregenz aufgenommene, schwer süchtige Elke A*****, die Schwester seiner Lebensgefährtin Isolde A*****, 37 Gramm Heroin zum Eigenverbrauch bei sich hatte, hatte er doch das mit dem Suchtgift gefüllte Nylonsäckchen selbst gesehen. Als Elke A***** für einige Tage Bregenz verlassen wollte, erklärte sich der Angeklagte auf intensives Bitten nach einigem Widerstreben bereit, ihr zu gestatten, das ihm nach Art und Menge bekannte Suchtgift in seiner Wohnung so zu verwahren, daß es seine Lebensgefährtin nicht finde. Hierauf legte Elke A***** das Suchtgiftsäckchen in einen Wäschekorb, ohne dem Angeklagten das Versteck zu eröffnen. Trotzdem fand aber Isolde A***** das versteckte Suchtgift und vernichtete es kurzer Hand durch Hinunterspülen im WC.

Der Angeklagte beruft sich auf den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z 5 a StPO und vertritt die Auffassung, daß die Zeugin Elke A***** im Hinblick auf ihre (in den Akten protokollierten) wechselnden und teilweise einander widersprechenden Angaben nicht ausreichend glaubwürdig sei, um den Schuldspruch auf ihre in der Hauptverhandlung abgelegte Zeugenaussage stützen zu können. Es ergeben sich aber angesichts dieses Vorbringens (aus den Akten) keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld im Urteil (mit sorgfältiger und überzeugender Begründung) zugrundegelegten entscheidenden Tatsachen, weshalb der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund nicht vorliegt.

Rechtliche Beurteilung

Die Rechtsrüge (Z 9 lit. a) wendet sich gegen die (durch entsprechende Judikaturzitate belegte) Meinung des Schöffengerichts, der Angeklagte habe an dem in seiner Wohnung verwahrten Suchtgift Besitz iS des § 16 Abs. 1 SGG erlangt, im wesentlichen mit der Begründung, daß ihm der Wille und auch die Möglichkeit gefehlt habe, über die in einem ihm unbekannten Versteck befindliche Giftmenge auch tatsächlich zu verfügen.

Dem muß erwidert werden, daß unter dem Begriff des Besitzes, wie er sich im Tatbild des § 16 Abs. 1 SGG - wie übrigens auch im § 36 Abs. 1 WaffG - findet, anders als im bürgerlichen Recht der Gewahrsam im strafrechtlichen Sinn zu verstehen ist (SSt. 50/43 uva). Eine derartige tatsächliche, von einem - im Urteil ersichtlich festgestellten - generellen Herrschaftswillen getragene Sachherrschaft und die sich daraus ergebende, grundsätzlich bestehende Verfügungsmöglichkeit ist jedenfalls dann zu bejahen, wenn sich die Sache mit Wissen und Willen des Täters in seiner Wohnung befindet (Kienapfel II2 Rz 71 bis 73 zu § 127 StGB). Entgegen der Beschwerde bedarf es dabei nicht der jederzeitigen genauen Kenntnis des Verwahrungsortes des Suchtgifts innerhalb dieser Wohnräume. Es war aber auch keine Feststellung darüber erforderlich, daß der Beschwerdeführer nachträglich mit der Vernichtung des Heroins durch seine Lebensgefährtin einverstanden gewesen sei, weil es sich bei dieser Vernichtung um ein Verhalten handelt, das dem laut Ersturteil dem Angeklagten angelasteten (Sach )Besitz nachfolgte.

Unter dem Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z 11 StPO schließlich bemängelt die Beschwerde, daß das Gericht das Einverständnis des Angeklagten mit der Beseitigung des Suchtgifts nicht als mildernd, hingegen einen - durch unwillige bis aggressive Reaktionen auf bestimmte gezielte Fragen des Gerichtes begründeten - schlechten persönlichen Eindruck als erschwerend berücksichtigt habe (S 260). Das Gericht habe durch Verhängung einer unbedingten Freiheitsstrafe den Umstand kompensiert, daß im Zweifel ein Schuldspruch nach dem § 12 Abs. 1 SGG nicht gefällt werden konnte, und dadurch das Strafausmaß in unvertretbarer Weise überschritten.

Damit werden aber die ersichtlich relevierten Nichtigkeitstatbestände (Z 11 zweiter und dritter Fall) nicht zur gesetzmäßigen Darstellung gebracht, weil im Fehlen einer Feststellung, die für die Strafzumessung von Bedeutung sein könnte, keine unrichtige rechtliche Beurteilung liegt, und das Gesetz auch nicht darauf abstellt, ob eine Unrechtsfolge ad hoc unvertretbar ist, sondern darauf, ob das Gericht für den Strafausspruch Kriterien heranzog, die den im Gesetz normierten Strafzumessungsvorschriften in unvertretbarer Weise widersprechen (JBl. 1989, 328 und die dort zitierte Judikatur). Die im Rahmen der Nichtigkeitsbeschwerde erhobenen Einwände können daher nur bei der Entscheidung über die (mit identer Begründung ausgeführte) Berufung berücksichtigt werden.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war sohin zu verwerfen.

Bei der nach dem § 16 Abs. 1 SGG vorgenommenen Strafzumessung wurden die große Menge des Suchtgifts Heroin als erschwerend und nichts als mildernd gewertet. Zur Begründung der Strafart und des Strafausmaßes sowie der Unanwendbarkeit der Bestimmung des § 43 StGB wies das Schöffengericht überdies auf das durch schwere (wenn auch nicht einschlägige) Straftaten getrübte Vorleben des Angeklagten und den auf Gleichgültigkeit zu den rechtlich geschützten Werten hindeutenden ungünstigen persönlichen Eindruck hin.

Mit seiner Berufung begehrt der Angeklagte die Verhängung einer Geldstrafe, in eventu einer geringeren bedingt nachzusehenden Freiheitsstrafe.

Wenngleich die vom Erstgericht herangezogenen Strafzumessungsgründe keiner wesentlichen Korrektur bedürfen, wiegt der Umstand, daß das Suchtgift offensichtlich mit nachträglicher Billigung des Angeklagten vernichtet wurde, insoweit mildernd, als dadurch die vom Konsum dieses gefährlichen Suchtgifts ausgehende Gefahr gebannt wurde. Da der Berufungswerber noch nicht wegen Verbrechens oder Vergehens nach dem Suchtgiftgesetz vorbestraft ist, konnte die Strafe spruchgemäß reduziert werden. Im Hinblick auf das getrübte Vorleben und die vom Erstgericht beschriebene Persönlichkeit des Angeklagten konnte weder eine (alternativ angedrohte) Geldstrafe verhängt noch bedingte Strafnachsicht (§ 43 StGB) gewährt werden.

Der Berufung konnte somit nur teilweise Folge gegeben werden, während ihr im übrigen der Erfolg zu versagen war.

Rechtssätze
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