JudikaturJustiz11Os11/07p

11Os11/07p – OGH Entscheidung

Entscheidung
24. April 2007

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 24. April 2007 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner, Dr. Danek, Dr. Schwab und Dr. Lässig als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtanwärterin Dr. Frizberg als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Mario S***** wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht Salzburg vom 7. September 2006, GZ 035 Hv 144/06y-105, sowie über seine Beschwerde gegen einen zugleich gefassten Widerrufsbeschluss nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen - auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden - Urteil wurde Mario S***** neben anderen strafbaren Handlungen, soweit für das Nichtigkeitsverfahren relevant, des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB (Punkt A des Urteilssatzes) schuldig erkannt.

Danach hat er in der Nacht zum 5. Jänner 2006 in Hallein Walter L***** durch das Zufügen zahlreicher Messerstiche und Messerschnitte gegen den Kopf mit kompletter Abtrennung der linken großen Halsarterie, Verletzung der Leber und punktueller Eröffnung des Querdarmes rechts sowie mit Eröffnung der Bauchhöhle vorsätzlich getötet.

Die Geschworenen hatten die anklagekonform auf das Verbrechen des Mordes gerichtete Hauptfrage (1) bejaht. Die Eventualfrage nach Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung - eine Zusatzfrage nach § 11 StGB war nicht gestellt worden - blieb infolgedessen unbeantwortet.

Nur den Schuldspruch wegen des Verbrechens des Mordes bekämpft der Angeklagte mit Nichtigkeitsbeschwerde aus § 345 Abs 1 Z 5 StPO, welcher indes keine Berechtigung zukommt.

Rechtliche Beurteilung

Vorweg ist festzuhalten, dass die unter dem Aspekt des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes erforderliche Prüfung des Antrags und dessen Berechtigung ohne Bedachtnahme auf nachträgliches und ergänzendes Vorbringen stets bezogen auf den Zeitpunkt der Beschlussfassung darüber vorzunehmen ist (zuletzt 11 Os 12/07k). Die Entscheidungserheblichkeit der unter Beweis gestellten Umstände ist daher, sofern sie nicht offensichtlich ist, bereits bei Stellung des Antrages zu begründen, widrigens sich die begehrte Beweisaufnahme als unzulässiger Erkundungsbeweis darstellt.

Vorliegend lässt der Antrag des Verteidigers auf „Einholung eines Gutachtens oder einer Stellungnahme des kriminaltechnischen Dienstes oder einer vergleichbaren kompetenten Institution" zum Beweis dafür, dass sich die Spuren „auf der Kleidung" des Angeklagten mit den schweren Stich- und Schnittverletzungen des Mordopfers nicht in Einklang bringen lassen (S 283/V), nicht erkennen, welche bestimmten, gegen eine Täterschaft des Angeklagten sprechenden Tatsachen aus Spuren auf der „sichergestellten Kleidung", die nach der Aktenlage - der Beschwerde zuwider - dem Tatopfer gehörte (S 343 f; 359, 363 - 367/IV), abzuleiten seien, geschweige denn ist dies unmittelbar einsichtig. Auch die in der Beschwerde angestellten Mutmaßungen über das nach den Verletzungen des Getöteten mögliche Ausmaß eines „Blutbades" vermögen angesichts der Unsicherheit der vom Angeklagten tatsächlich getragenen Kleidung und der zugestandenen intensiven Reinigung des Tatortes durch den Angeklagten (S 35 ff; 191 ff/III) die Tauglichkeit des beantragten Beweises nicht zu begründen. Das Begehren auf „Einholung eines psychologischen Gutachtens unter Anwendung von Hypnose oder einer anderen anerkannten wissenschaftlichen Methode zur Ansprechung des ´Un- bzw Unterbewusstseins´" zum Beweis des Erinnerungsverlustes (S 284/V) wiederum steht ungeachtet des Einverständnisses des Angeklagten (S 293/V) mit dem für das österreichische Strafverfahren anerkannten Grundsatz der unverzichtbaren Dispositionsfähigkeit des Angeklagten über seine Angaben im Widerspruch und ist damit unzulässig (Kirchbacher, WK-StPO § 245 Rz 72 mwN).

Den auf den Nachweis des Ausschlusses der Zurechnungsfähigkeit des Angeklagten abzielenden Anträgen auf Einholung psychologischer und toxikologischer Gutachten (S 284/V), somit der Forderung nach Beiziehung weiterer Experten, mangelt es schon an der unabdingbaren Voraussetzung eines erfolglos gebliebenen Verbesserungsverfahrens des vorliegenden Sachverständigengutachtens nach §§ 125 ff StPO. Danach aber waren unter Berücksichtigung des toxikologischen Untersuchungsbefundes der Gerichtsmedizin Salzburg-Linz (ON 52) aus psychiatrischer Sicht keine Anhaltspunkte für eine totale Amnesie oder eine volle Berauschung des Angeklagten gegeben (ON 61, S 291 f/IV; 270 ff/V).

Die begehrte „Aushebung und Auswertung aller rund um die Tatnacht versandten SMS-Nachrichten" weist erneut bloßen Erkundungscharakter auf. Hiezu kommt, dass die begehrte Auswertung der (allenfalls) vom Angeklagten verfassten und versandten schriftlichen Nachrichten teilweise unbekannten Inhaltes (vgl S 327 = 475/IV) angesichts des ungewissen Tatzeitpunktes der Anführung jener Umstände bedurft hätte, inwieweit hiedurch ein maßgebliches, den Wahrspruch beeinflussendes Ergebnis zu erwarten gewesen wäre. Die Schlussfolgerung des sich beschwerdewidrig keineswegs auf die Fähigkeit des Angeklagten, „kohärente Sätze" zu bilden, beschränkenden Sachverständigen zu dieser Frage (s S 279/V) kann nicht mit der unsubstantiierten Behauptung, ein Psychologe könne „aus dem Inhalt von verschickten Nachrichten Schlussfolgerungen auf den Geisteszustand einer Person ziehen", angezweifelt werden.

Gleiches gilt für die begehrte Beiziehung eines „Suchtmittelexperten oder Toxikologen", weil die Beurteilungsparameter (Blutabnahme rund 24 Stunden nach der Tat: ON 52, S 129/IV, sowie die Unmöglichkeit der Einschätzung des Alkoholgenusses: S 291/IV) im Zeitpunkt der Gutachtensergänzung (S 280 f/V) nachträglich keine faktische Änderung erfuhren.

Im konkreten Fall hat der Verteidiger in seinen Anträgen somit keine der in §§ 125 f StPO beschriebenen Mängel von Befund und Gutachten dargetan, sondern lediglich - ohne nähere Begründung, inwieweit das eingeholte sowie ergänzte Sachverständigengutachten mangelhaft sei - die Beiziehung weiterer Sachverständiger zu den genannten Fragen beantragt. Die Beschwerde verstößt vielmehr mit der (vermeintlichen) Nachholung von Gründen für die Antragstellung einerseits gegen das für die Prüfung eines Zwischenerkenntnisses geltende Neuerungsverbot und bekämpft andererseits mit der Kritik an der Gutachtensannahme des Fehlens der Kriterien einer vollen Berauschung des Angeklagten der Sache nach bloß in unzulässiger Form die tatrichterliche Beweiswürdigung.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285d Abs 1, 344 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichtes Linz zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde des Angeklagten folgt (§§ 344, 285i; 498 Abs 3 StPO).

Die Kostenentscheidung ist in § 390a Abs 1 StPO begründet.