JudikaturJustiz11Os107/02

11Os107/02 – OGH Entscheidung

Entscheidung
03. September 2002

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 3. September 2002 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuch als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner, Dr. Habl, Dr. Zehetner und Dr. Danek als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Haimböck als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Markus Herbert S***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB und weiteren strafbaren Handlungen über die Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 22. Juli 2002, GZ 032 Hv 5285/01k-51, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Beschluss (ersatzlos) aufgehoben.

Text

Gründe:

Das vom Angeklagten mit Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung bekämpfte erstgerichtliche Urteil wurde am 6. Mai 2002 dem gewählten Verteidiger zugestellt, welcher am folgenden Tag die Auflösung des Vollmachtsverhältnisses bekannt gab (ON 45). Daraufhin wurde dem Angeklagten über seinen rechtzeitigen Antrag gemäß § 41 Abs 2 StPO Rechtsanwalt Dr. Thaddäus Kleisinger beigegeben (ON 47), an den am 7. Juni 2002 eine Urteilsausfertigung zugestellt wurde (S 3n des Antrags- und Verfügungsbogens). Die Rechtsanwaltskammer Wien nahm über begründetes Ersuchen des Genannten am 10. Juni 2002 eine Umbestellung gemäß § 45 Abs 4 RAO vor (ON 49).

Mit dem angefochtenen Beschluss wies der Vorsitzende des Schöffensenates die vom neu bestellten Rechtsanwalt Dr. Robert Krepp am 8. Juli 2002 zur Post gegebene Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde (ON 50), dem das Urteil vom Erstgericht nicht neuerlich zugestellt worden war, als verspätet zurück.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen am 26. Juli 2002 erhobene Beschwerde ist begründet, weil die Rechtsmittelausführung rechtzeitig (§ 285 Abs 1 StPO) erfolgte. Die Urteilszustellung an den im Rahmen der Beigebung zuerst bestellten Verteidiger wird nämlich unwirksam, wenn in dessen Person nach der Zustellung aus den im § 45 Abs 4 RAO genannten Gründen, die hier infolge Interessenkollision gegeben waren, ein Wechsel eintritt. Die Frist zur Ausführung einer bereits angemeldeten Nichtigkeitsbeschwerde (und Berufung) beginnt in solchen Fällen erst mit dem auf die Zustellung des angefochtenen Urteils an den neu bestellten Verteidiger folgenden Tag zu laufen (vgl EvBl 1991/56, 1993/55; 14 Os 19/02). Mangels (neuerlicher) Urteilszustellung an Rechtsanwalt Dr. Krepp erfolgte die Rechtsmittelausführung jedenfalls nicht verspätet.

Der angefochtene Zurückweisungsbeschluss war daher ersatzlos aufzuheben.