JudikaturJustiz11Os104/88

11Os104/88 – OGH Entscheidung

Entscheidung
06. September 1988

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 6.September 1988 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Felzmann und Dr. Rzeszut als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Bogensberger als Schriftführer in der Strafsache gegen Friedrich E*** wegen des Vergehens der fahrlässigen Krida nach dem § 159 Abs. 1 Z 2 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 13.Juni 1988, GZ 36 Vr 3.580/86-63, sowie über die von der Generalprokuratur gegen dasselbe Urteil erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, des Ersten Generalanwaltes Dr. Scheibenpflug, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten wird verworfen. Der von der Generalprokuratur erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes wird Folge gegeben:

Das angefochtene Urteil verletzt insoweit, als es den Angeklagten des Vergehens der fahrlässigen Krida nach dem § 159 Abs. 1 Z 2 StGB auch in bezug auf den Zeitraum vom 4.April 1986 bis zum 13.Juni 1988 schuldig erkannte, das Gesetz in der Bestimmung des § 267 StPO.

Das Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, wird gemäß den §§ 288 Abs. 2 Z 3, 292 StPO in dem diesen Zeitraum betreffenden Teil des Schuldspruches wegen des Vergehens der fahrlässigen Krida nach dem § 159 Abs. 1 Z 2 StGB sowie demgemäß im Strafausspruch aufgehoben und es wird in der Sache selbst erkannt:

Friedrich E*** wird für das ihm nach dem unberührt

bleibenden Teil des Schuldspruches zur Last liegende Vergehen der fahrlässigen Krida nach dem § 159 Abs. 1 Z 2 StGB gemäß dem § 159 Abs. 1 StGB unter Anwendung des § 37 Abs. 1 StGB und unter Bedachtnahme gemäß den §§ 31, 40 StGB auf die Strafverfügung des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 7.Juli 1987, GZ 9 U 470/87-5, zu einer (Zusatz )Geldstrafe von 120 (einhundertzwanzig) Tagessätzen zu je 60 (sechzig) S, für den Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe zu 60 (sechzig) Tagen Ersatzfreiheitsstrafe verurteilt. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 3.September 1939 geborene Landarbeiter Friedrich E*** des Vergehens der fahrlässigen Krida nach dem § 159 Abs. 1 Z 2 StGB schuldig erkannt, weil er in der Zeit seit Ende 1982 bis zum 13.Juni 1988 (dem Tag der Urteilsfällung erster Instanz) in Zell am Ziller als Schuldner mehrerer Gläubiger in Kenntnis oder fahrlässiger Unkenntnis seiner Zahlungsunfähigkeit fahrlässig die Befriedigung seiner Gläubiger dadurch schmälerte, daß er neue Schulden einging und die Eröffnung des Konkurses nicht beantragte. Von einem weiteren Anklagevorwurf in Richtung des Verbrechens der Verleumdung nach dem § 297, zweiter Fall, StGB (Punkt I/ der Anklageschrift) wurde der Angeklagte gemäß dem § 259 Z 3 StPO freigesprochen. Die ihm zu Punkt II/ der Anklageschrift als Vergehen des schweren Betruges nach den §§ 146, 147 Abs. 2 StGB vorgeworfene Tat (Tatzeit Mai 1983) wurde vom Erstgericht rechtlich als Handlung im Rahmen der fahrlässigen Krida gewertet und ist daher vom diesbezüglichen Schuldspruch umfaßt.

Rechtliche Beurteilung

Gegen den schuldigsprechenden Teil dieses Urteils wendet sich der Angeklagte mit seiner ausdrücklich auf den Nichtigkeitsgrund der Z 5 a des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, mit der aber der Sache nach ausschließlich eine Rechtsrüge (im Sinn des Nichtigkeitsgrundes der Z 9 lit. a der genannten Gesetzesstelle) ausgeführt wird.

Dieser Rüge kommt keine Berechtigung zu.

Der Angeklagte ist unbestrittenermaßen in einer Landwirtschaft tätig, die ihm und drei Geschwistern zu je einem Viertel gehört und an der seine Mutter das Fruchtgenußrecht besitzt. Es steht ferner - von ihm nicht bestritten - fest, daß er (seit Ende 1982) zahlungsunfähig war und davon Kenntnis hatte, trotzdem aber - und zwar, wie sich insbesondere aus dem in der letzten Hauptverhandlung verlesenen (S 260) und als Urteilsgrundlage herangezogenen (S 266) Gutachten des Buchsachverständigen Prof.Mag. Ernst M*** (ON 53) ergibt, im eigenen Namen - im Zusammenhang mit der Landwirtschaft Bestellungen aufgab und damit neue Schulden einging. Die Beschwerdebehauptung, der Angeklagte sei keine neuen Verbindlichkeiten "für seine Person" eingegangen, ist daher rechtlich unrichtig, weil er gegenüber den Gläubigern Schuldner dieser Verbindlichkeiten war. Die Behauptung, er sei (obgleich nach der Aktenlage Miteigentümer der Landwirtschaft und betriebsführend) davon ausgegangen, daß diese Verbindlichkeiten im Hinblick darauf, daß sie im Auftrag seiner Mutter (fallweise auch seines Bruders) eingegangen wurden, nicht ihn, sondern den jeweiligen Auftraggeber "betreffen", bzw. "nicht seiner Sphäre" zuzuordnen seien, bezieht sich auf das Innenverhältnis zwischen ihm und diesen Personen und ist hier rechtlich nicht relevant. Nach den weiteren Feststellungen des Erstgerichtes (S 268, 270) war der Angeklagte im wesentlichen vom Geldfluß seiner Mutter als Fruchtnießerin abhängig, die ihn zwar jeweils zu den Bestellungen animinierte, beim Bezahlen der Verbindlichkeiten aber immer wieder Probleme schuf, wobei als Beispiel die ursprünglich als schwerer Betrug gewertete Tathandlung dienen kann, in welchem Fall der Angeklagte Futtermittel im Wert von mehr als 17.000 S bestellte und auf die Zusage seiner Mutter, den Kaufpreis vom Milchgeld bezahlen zu wollen, vertraute, welches Versprechen aber nicht eingehalten wurde. Nach dem bereits erwähnten Sachverständigengutachten, auf welches sich das Erstgericht in den Gründen seines Urteils stützte, trat der Angeklagte nach außen hin als Bauer des "G***" in Erscheinung, gab notwendige Bestellungen für den anfallenden Betriebsaufwand auf, wobei ihm aber die betrieblichen Einkünfte (im Hinblick auf das Fruchtgenußrecht der Mutter) nicht oder nur fallweise bzw. eingeschränkt zur Verfügung standen, bezog selbst keine regelmäßigen und wesentlichen Einkünfte und ist zwar nicht vermögenslos, kann aber über dieses Vermögen insbesondere aufgrund der darauf lastenden Verpflichtungen faktisch nicht frei und uneingeschränkt verfügen (S 211). Das Erstgericht vertrat somit entgegen der Meinung des Beschwerdeführers rechtlich zutreffend und ohne Rechtsirrtum die Auffassung, im Eingehen mehrfacher neuer Schulden nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit trotz aller dieser Umstände, welche in keiner Weise die Erwartung rechtfertigten, der Angeklagte könne sich darauf verlassen, daß die eingegangenen Verbindlichkeiten von seiner Mutter oder einem anderen Familienmitglied würden beglichen werden, sei eine auffallende Sorglosigkeit und damit ein fahrlässiges Verhalten im Sinn des § 159 Abs. 1 Z 2 StGB zu erblicken. Daß es dadurch im Zusammenhalt mit der - ebenfalls unbestrittenen - Nichtbeantragung des Konkurses tatsächlich zu einer Schmälerung des allen Gläubigern gemeinsamen Befriedigungsfonds kam, stellte das Erstgericht unbekämpft fest. Es beurteilte daher zu Recht den zu Punkt III/ der Anklageschrift umschriebenen Sachverhalt (unter Einbeziehung des Anklagefaktums II) als Vergehen der fahrlässigen Krida nach § 159 Abs. 1 Z 2 StGB.

Die unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war sohin zu verwerfen.

Das Urteil des Landesgerichts Innsbruck verletzt jedoch, soweit es den Angeklagten des Vergehens der fahrlässigen Krida nach dem § 159 Abs. 1 Z 2 StGB auch in bezug auf den Zeitraum vom 4. April 1986 bis zum 13.Juni 1988 schuldig erkannte, das Gesetz durch Anklageüberschreitung (§ 281 Abs. 1 Z 8 StPO) in der Bestimmung des § 267 StPO in Verbindung mit dem § 159 Abs. 1 Z 2 StGB. Denn auch wenn die Anklageschrift vom 4.April 1986 (ON 22) keinen Endzeitpunkt der Tatzeit enthält, kann sie sich äußerstenfalls auf Taten beziehen, die bis zum Tag ihrer Abfassung begangen wurden. Eine zeitliche Erstreckung des sodann vom Gericht gefällten Schuldspruchs auch auf erst darnach begangene (andere oder gleichartige) Taten des Angeklagten ist im Sinn des § 267 StPO nur zulässig, wenn in der Zwischenzeit eine entsprechende Anklageausdehnung stattfand. Dies trifft hier nicht zu. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, daß der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft in der (letzten) Hauptverhandlung vom 13. Juni 1988 den Schuldspruch des Angeklagten "im Sinn der Anklageschrift" beantragte (S 260), weil auch dadurch der von der Anklageschrift umfaßte Zeitraum nicht geändert wurde. Das Landesgericht Innsbruck hätte den Angeklagten daher ohne Anklageüberschreitung rechtsrichtig des Vergehens der fahrlässigen Krida nach dem § 159 Abs. 1 Z 2 StGB nur für den Zeitraum von Ende 1982 bis zum 4.April 1986 schuldig erkennen dürfen (vgl. Mayerhofer-Rieder, StPO2, ENr. 38 und 38 b zu § 262). Die unterlaufene Gesetzesverletzung wirkte sich - zumal dadurch der angenommene Tatzeitraum um mehr als zwei Jahre verlängert wurde und das Schöffengericht die Fortsetzung des deliktischen Verhaltens durch einen relativ längeren Zeitraum als Erschwerungsgrund heranzog - zum Nachteil des Angeklagten aus.

Der Vollständigkeit halber sei vermerkt, daß die aufgrund einer entsprechenden Erklärung der Staatsanwaltschaft durch das Bezirksgericht Zell am Ziller (bei welchem der Z-Akt geführt wurde) mit Beschluß vom 15.September 1986 (S 3 e verso) verfügte Einstellung des Verfahrens gegen den Angeklagten nach dem § 90 StPO (§ 34 Abs. 2 StPO) "über die Anklageschrift hinaus" sich ausdrücklich nur auf Tathandlungen in Richtung des § 159 (Abs. 1) Z 1 StGB (und § 162 StGB) bezog.

Das Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, war daher in Stattgebung der von der Generalprokuratur erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes im umschriebenen Teil des Schuldspruches wegen des Vergehens der fahrlässigen Krida nach dem § 159 Abs. 1 Z 2 StGB sowie demgemäß auch im Strafausspruch aufzuheben und insoweit gemäß den §§ 288 Abs. 2 Z 3, 292 StPO in der Sache selbst zu erkennen.

Bei der dadurch notwendig gewordenen Strafneubemessung war auf die rechtskräftige Strafverfügung des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 7. Juli 1987, GZ 9 U 470/87-5, mit welcher der Angeklagte des Vergehens nach dem § 63 Abs. 1 Z 1 LMG 1975 schuldig erkannt und zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen verurteilt wurde, gemäß den §§ 31, 40 StGB entsprechend Bedacht zu nehmen, weil angesichts des korrigierten, nunmehr mit dem 4.April 1986 endenden Tatzeitraumes eine gemeinsame Aburteilung beider Straftaten in einem Verfahren möglich gewesen wäre. Hiebei waren erschwerend die einschlägige Vorstrafe (wegen versuchten schweren Diebstahls) sowie das Zusammentreffen des Vergehens nach dem § 159 Abs. 1 Z 2 StGB mit jenem nach dem § 63 Abs. 1 Z 1 LMG 1975, mildernd hingegen der Beitrag zur Wahrheitsfindung.

Nach sorgfältiger Abwägung dieser Strafzumessungsgründe und unter Bedachtnahme auf die Besonderheiten dieser Strafsache erachtete der Oberste Gerichtshof für den gedachten Fall der gemeinsamen Aburteilung beider Vergehen eine Geldstrafe im Ausmaß von 180 Tagessätzen der Schuld des Angeklagten und dem von ihr umfaßten Unrechtsgehalt der Straftaten angemessen. Nach Abzug der mit Strafverfügung des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 7.Juli 1987 bereits über den Angeklagten verhängten Geldstrafe von 60 Tagessätzen ergibt dies ein Ausmaß der hier zusätzlich festzusetzenden Geldstrafe von 120 Tagessätzen.

Die Höhe des mit 60 S bemessenen einzelnen Tagessatzes entspricht der sich aus den Akten ergebenden wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Angeklagten. Das Maß der für den Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe festgelegten Ersatzfreiheitsstrafe ergibt sich aus dem Umrechnungsschlüssel des § 19 Abs. 3 StGB. Schon angesichts des durch insgesamt fünf Vorverurteilungen getrübten Vorlebens des Angeklagten und der Fruchtlosigkeit bisher (zuletzt mit Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 28.Juli 1983, AZ 27 Vr 2068/83) gewährter derartiger Rechtswohltaten fehlt es aus spezialpräventiven Gründen an den Voraussetzungen einer (neuerlichen) bedingten Nachsicht auch nur eines Teils der verhängten Geldstrafe.

Mit seiner infolge der Strafneubemessung gegenstandslos gewordenen Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.