JudikaturJustiz11Os100/03

11Os100/03 – OGH Entscheidung

Entscheidung
09. September 2003

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 9. September 2003 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuch als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner, Dr. Zehetner, Dr. Danek und Dr. Schwab als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Allmayer als Schriftführer, in der Strafsache gegen Wolfgang E***** wegen des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauches von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über dessen Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung gegen das Urteil des Landesgerichtes Ried im Innkreis als Schöffengericht vom 19. Mai 2003, GZ 10 Hv 15/03w-21, nach Anhörung des Generalprokurators in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Wolfgang E***** der (jeweils mehrfach begangenen) Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauches von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (I. 1. und 3.) und der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB aF (I.2) sowie des Vergehens des Missbrauches eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 StGB (II) schuldig erkannt.

Danach hat er [in jeweils mehrfacher Tatbestandsverwirklichung] in Ried im Innkreis und an anderen Orten

I.

1. von September 1997 bis Juli 1999 mit der am 7. September 1991 geborenen, somit unmündigen Madeleine K***** wiederholt den Beischlaf unternommen, indem er zwecks Eindringens seinen erigierten Penis an deren Scheide ansetzte,

2. von September 1997 bis 30. September 1998 in wiederholten Angriffen das Mädchen auf andere Weise als durch Beischlaf zur Unzucht missbraucht, indem er sie wiederholt an deren Scheide betastete, dort küsste und ableckte sowie versuchte, mit einem Finger dort einzudringen,

3. vom 1. Oktober 1998 bis Juli 1999 in wiederholten Angriffen eine dem Beischlaf gleichzusetzende Handlung dadurch unternommen, dass er die Unmündige an deren Scheide betastete und dort zwecks Eindringens den Finger ansetzte;

II. durch die zu Punkt I. geschilderten Handlungen unter Ausnützung seiner Stellung gegenüber der seiner Aufsicht unterstehenden minderjährigen Madeleine K***** diese zur Unzucht missbraucht.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen vom Angeklagten aus § 281 Abs 1 Z 4, 5 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde versagt.

Die auf die zeugenschaftliche Vernehmung der die Unmündige nunmehr behandelnden Psychotherapeutin gerichtete Verfahrensrüge (Z 4) verkennt, dass die Tatsache, dass sich der Angeklagte nicht gegen den diesbezüglichen Antrag der Staatsanwaltschaft aussprach (S 159), keine zur erfolgreichen Geltendmachung dieses Nichtigkeitsgrundes erforderliche Antragstellung darstellt (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 313; Mayerhofer StPO4 § 281 Z 4 E 34). Der Antrag des Verteidigers auf "Einholung eines gynäkologischen Gutachtens zum Beweis dafür, dass dann, wenn die mj Madeleine Schmerzen verspürt hat, Verletzungsfolgen feststellbar sein müssten bzw zum Beweis dafür, dass die Behauptung, es sei versucht worden, in die Scheide einzudringen, objektiv widerlegt werden kann" (S 159), verfiel deshalb zu Recht der Ablehnung (S 160 und US 8), weil weder Schmerzen noch Verletzungsfolgen noch eine immissio penis vel digiti (vgl dazu Fabrizy StGB8 § 206 E 2) im Gegenstand tatbestandsrelevant sind. Die Mängelrüge (Z 5) lässt außer Acht, dass die Strafprozessordnung im Schöffenverfahren die Beweiswürdigung an sich ausschließlich und unanfechtbar den vier Tatrichtern zuweist und dem Obersten Gerichtshof nur die Festlegung der Grenzen des dabei Vertretbaren zusteht (Ratz aaO Rz 450). Die Ausführungen des Beschwerdeführers zu einzelnen Aspekten des intersubjektiven Prozesses, aufgrund dessen das Erstgericht zu seiner Überzeugung gelangte, sind daher unbeachtlich. Denn es verstößt nicht gegen die Denkgesetze, wenn etwas als erwiesen angenommen wird, was ein Zeuge - noch dazu ein 12jähriges Mädchen - bloß durch Nicken auf eine Frage bejahte. Unvollständigkeit haftet gerichtlichen Entscheidungsgründen nicht schon deshalb an, weil nicht jedes Detail der Verfahrensergebnisse im Einzelnen gesondert erörtert wird. Ob der Nichtigkeitswerber fallweise auf die Scheide des Mädchens ejakulierte, ist keine entscheidende Tatsache. Mit der Aussage der Theresia E***** (US 6, 7) hat sich das Erstgericht ebenso auseinandergesetzt wie mit den Divergenzen in den Aussagen der Minderjährigen zu den Tatzeiten (US 8). Zur Kenntnis der Kindesmutter über Vorwürfe sexuellen Missbrauches durch den väterlichen Großvater schlägt die Beschwerde im Hinblick auf die jegliche Zweifel ausräumende Abfolge in der Vernehmung (S 17 und 18 des Hauptverhandlungsprotokolles = AS 137 - 138), aus der klar erhellt, dass das Gespräch mit dem geschiedenen Mann darüber - zu dem nach Ansicht der Verteidigung früher kein Anlass bestanden hätte - erst während des laufenden Gerichtsverfahrens erfolgte (neuerlich AS 138), fehl. Die Plausibilität einzelner Vorfallsschilderungen durch die minderjährige Zeugin schließlich kann fallbezogen dahingestellt bleiben, weil sie bei der durch das Schöffengericht angestellten Gesamtbetrachtung (vgl vor allem US 5) für die Lösung der Tatfrage unerheblich ist. Warum die Angaben des Mädchens "abstrakt gehaltene Vermutungen" sein sollen, bleibt die Beschwerde aufzuzeigen schuldig. Sie war daher als offenbar unbegründet in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 Z 2 StPO; für das beantragte Vorgehen nach § 288a StPO fehlt es am Vorliegen der Voraussetzungen nach § 281a StPO), weshalb über die unter einem erhobene Berufung wegen des Ausspruches über die Strafe der Gerichtshof zweiter Instanz zu befinden hat (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung ist in § 390a Abs 1 StPO begründet.

Rechtssätze
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