JudikaturJustiz11Ns55/11v

11Ns55/11v – OGH Entscheidung

Entscheidung
06. Oktober 2011

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 6. Oktober 2011 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab, Mag. Lendl, Mag. Michel und Dr. Oshidari als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Sommer als Schriftführer, in der Strafsache gegen Georg T***** wegen des Vergehens der falschen Beweisaussage nach § 288 Abs 1 und 4 StGB, AZ 161 Hv 69/11i des Landesgerichts für Strafsachen Wien, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die zur Entscheidung über einen Zuständigkeitsstreit vorgelegten Akten werden dem Landesgericht für Strafsachen Wien zur Vornahme der von § 485 Abs 1 StPO verlangten Prüfung des Strafantrags zurückgestellt.

Text

Gründe:

Am 4. Februar 2011 brachte die Staatsanwaltschaft Wien beim Einzelrichter des Landesgerichts für Strafsachen Wien einen Strafantrag gegen Georg T***** und andere Angeklagte ein (ON 13). Georg T***** wird zur Last gelegt, er habe am 14. September 2009 als Zeuge bei seiner förmlichen Vernehmung zur Sache vor der Kriminalpolizei, und zwar vor den Beamten des Bundeskriminalamts, Sonderkommission Doping, CI Franz S***** und Inspektor Thomas Sc*****, durch die Behauptung, Gerlinde M***** habe ihm nie „Blutbeutel“ bei der T***** übergeben, falsch ausgesagt.

Mit Beschluss vom 13. Juli 2011, GZ 161 Hv 69/11i 16, schied die Einzelrichterin das auch gegen Georg T***** geführte Verfahren „mangels Konnexität und aus Gründen der Verfahrensökonomie“ aus und trat das Verfahren an das zuständige Landesgericht Innsbruck ab.

Der Einzelrichter des Landesgerichts Innsbruck erachtete sich wiederum als nicht zuständig, weil sich das Verfahren im Stadium der Hauptverhandlung befinde, in jener Abteilung zu verbleiben habe, in welcher der ursprüngliche Akt behänge und eine enge sachliche Konnexität zum Verfahren AZ 161 Hv 69/11i des Landesgerichts für Strafsachen Wien bestehe und übermittelte den Akt daraufhin dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung über den negativen Kompetenzkonflikt.

Rechtliche Beurteilung

§ 485 Abs 1 Z 1 StPO verweist den mit Strafantrag angerufenen Einzelrichter des Landesgerichts im Fall seiner örtlichen oder sachlichen Unzuständigkeit auf eine beschlussmäßige Erledigung.

Nicht anders als bei der Prüfung der Anklage im kollegialgerichtlichen Verfahren nach Maßgabe der von § 212 genannten Kriterien (vgl dazu 13 Ns 1/09i), kommt es nach § 485 StPO demnach zu beschlussförmigen Aussprüchen über die Unzuständigkeit, die beim übergeordneten Gericht mit Beschwerde bekämpfbar sind. Dieses Rechtsmittel hat aufschiebende Wirkung (§ 87 Abs 3, § 485 Abs 1a StPO; vgl 13 Ns 44/09p).

Im Verfahren vor dem Einzelrichter des Landesgerichts kann es daher im Rahmen der von § 485 StPO angeordneten Prüfung der Zuständigkeit nur mittelbar zu einem Kompetenzkonflikt iSd § 38 StPO kommen. Teilt nämlich das Oberlandesgericht die mit Beschluss des Einzelrichters ausgesprochene Einschätzung der örtlichen Unzuständigkeit und hält es ein anderes Landesgericht seines Sprengels für örtlich zuständig, so überweist es die Sache dort hin. Hält es hingegen keines der in seinem Sprengel gelegenen Landesgerichte für örtlich zuständig, greift nach der Beschwerdeentscheidung allenfalls § 485 Abs 2 StPO. Zu einem von § 38 StPO erfassten Kompetenzkonflikt kommt es nachfolgend dann, wenn ein anderes Oberlandesgericht aufgrund einer Beschwerde gegen einen nach § 485 Abs 1 StPO gefassten Beschluss die örtliche Zuständigkeit aller in seinem Sprengel gelegenen Landesgerichte bezweifelt oder der Einzelrichter eines nachfolgend angerufenen, im Sprengel eines anderen Oberlandesgerichts gelegenen Landesgericht seine örtliche Unzuständigkeit sonst rechtswirksam ausspricht (vgl 13 Ns 44/09; Ratz , WK StPO § 468 Rz 10, § 476 Rz 5). Nach Anordnung der Hauptverhandlung (§ 485 Abs 1 Z 4 StPO) im Verfahren vor dem Einzelrichter des Landesgerichts kann es zu einem Kompetenzkonflikt iSd § 38 StPO kommen, wenn der Einzelrichter zur Ansicht gelangt, örtlich nicht (mehr) zuständig zu sein. In einem solchen Fall hat er nämlich, wie nach der bis 1. Jänner 2008 geltenden Rechtslage, die Hauptverhandlung abzubrechen und die Abtretung der Sache an das seiner Ansicht nach zuständige Landesgericht zu verfügen (vgl 13 Ns 44/09p; 12 Ns 82/09v).

Für die Entscheidung im vorgelegten Fall bleibt zusammenfassend festzuhalten, dass die Einzelrichterin des Landesgerichts für Strafsachen Wien die von § 485 StPO vorgeschriebene Prüfung des Strafantrags bislang nicht vornahm. Sie hat weder einen Beschluss iSd § 485 Abs 1 Z 1 bis 3 StPO gefasst, ausgefertigt und den zur Beschwerde Berechtigten zugestellt (§ 86 StPO; vgl Bauer , WK StPO § 450 Rz 5 f) noch die Hauptverhandlung angeordnet (§ 485 Abs 1 Z 4 StPO).

Der Akt war daher der Einzelrichterin des Landesgerichts für Strafsachen Wien zurückzustellen.

Rechtssätze
1
  • RS0125311OGH Rechtssatz

    21. März 2024·3 Entscheidungen

    Im Verfahren vor dem Einzelrichter des Landesgerichts kann es im Rahmen der von § 485 StPO angeordneten Prüfung der Zuständigkeit nur mittelbar zu einem Kompetenzkonflikt im Sinn des § 38 StPO kommen. Teilt nämlich das Oberlandesgericht die mit Beschluss des Einzelrichters ausgesprochene Einschätzung örtlicher Unzuständigkeit und hält es ein anderes Landesgericht seines Sprengels für örtlich zuständig, so überweist es die Sache dorthin (vgl auch §§ 215 Abs 4 erster Satz, 470 Z 3, 475 Abs 1 StPO). Hält es hingegen keines der in seinem Sprengel gelegenen Landesgerichte für örtlich zuständig, greift § 485 Abs 2 StPO. Zu einem von § 38 StPO erfassten Kompetenzkonflikt kommt es nachfolgend dann, wenn ein anderes Oberlandesgericht aufgrund einer Beschwerde gegen einen nach § 485 Abs 1 StPO gefassten Beschluss die örtliche Zuständigkeit aller in seinem Sprengel gelegenen Landesgerichte bezweifelt oder der Einzelrichter eines nachfolgend angerufenen, im Sprengel eines anderen Oberlandesgerichts gelegenen Landesgerichts seine örtliche Unzuständigkeit sonst rechtswirksam ausspricht. Nach Anordnung der Hauptverhandlung (§ 485 Abs 1 Z 4 StPO) im Verfahren vor dem Einzelrichter des Landesgerichts kann es zu einem Kompetenzkonflikt im Sinn des § 38 StPO kommen, wenn der Einzelrichter zur Ansicht gelangt, örtlich nicht (mehr) zuständig zu sein (SSt 61/14). In einem solchen Fall hat er nämlich, wie nach der bis 1. Jänner 2008 geltenden Rechtslage, die Hauptverhandlung abzubrechen und die Abtretung der Sache an das seiner Ansicht nach zuständige Landesgericht zu verfügen.