JudikaturJustiz10Os127/86

10Os127/86 – OGH Entscheidung

Entscheidung
21. Oktober 1986

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 21. Oktober 1986 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Bernardini als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Friedrich, Dr.Reisenleitner, Dr.Kuch sowie Dr.Massauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr.Hinger als Schriftführer in der Strafsache gegen Atanasios F*** und Horst A*** wegen des Vergehens des versuchten schweren Betruges nach §§ 15, 146, 147 Abs 1 Z 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten A*** und die den Angeklagten F*** betreffende Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 23.Mai 1986, GZ 2 c Vr 10030/85-44, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung des Angeklagten A*** werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet. Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten A*** die durch seine Nichtigkeitsbeschwerde verursachten Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Angeklagte Horst A*** des Vergehens des versuchten schweren Betruges nach §§ 15, 146, 147 Abs 1 Z 1 StGB (Punkt 1), des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB (Punkt 2) und des Vergehens nach § 36 Abs 1 lit b WaffG (Punkt 3) schuldig erkannt, weil er in Wien (zu 1) am 4. Juli 1985 versucht hatte, mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten des Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, einen anderen durch Täuschung über Tatsachen unter Benützung einer verfälschten Urkunde zu einer Handlung zu verleiten, die diesem am Vermögen schädigen sollte, indem er gegenüber dem Angestellten der Firma "V***", Heinrich G***, vorgab ein redlicher, zahlungsfähiger und zahlungswilliger, sowie rückstellungswilliger Mieter von Videokassetten zu sein, wobei er zum Nachweis seiner Identität den Führerschein des Dragan N*** vorlegte, bei dem zuvor dessen Lichtbild entfernt und sein eigenes Lichtbild angebracht worden war, sowie die mietweise Überlassung von Videokassetten forderte, (zu 2) vor dem 4.Juli 1985 eine Urkunde, über die er nicht verfügen durfte, nämlich den Führerschein des Dragan N***, dadurch, daß er sie an sich brachte, mit dem Vorsatz unterdrückt hatte, zu verhindern, daß diese Urkunde im Rechtsverkehr zum Beweise eines Rechtes, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht werde, und (zu 3) von etwa 1978 bis 6. April 1986

eine verbotene Waffe, nämlich ein Springmesser, unbefugt besessen hatte.

Von einem weiteren Anklagepunkt wurde der Angeklagte A*** (rechtskräftig) freigesprochen.

Der weitere Angeklagte Atanasios F*** wurde von dem ihn treffenden Anklagevorwurf, die zum Punkt 1 und 2 des Schuldspruches umschriebenen Taten gemeinsam mit dem Angeklagten A*** verübt zu haben, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Gegen den Schuldspruch zu den Punkten 1 und 2 des erstgerichtlichen Urteiles richtet sich die auf die Z 5 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten A***; die Staatsanwaltschaft bekämpft hingegen ebenfalls mit Nichtigkeitsbeschwerde den Freispruch des Angeklagten F*** aus der Z 4 des § 281 Abs 1 StPO.

Rechtliche Beurteilung

Beiden Beschwerden kommt keine Berechtigung zu.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten A***:

Entgegen ihrer abschließenden Beteuerung erschöpft sich diese Nichtigkeitsbeschwerde zur Gänze in einem im Rechtsmittelverfahren gegen schöffengerichtliche Urteile nicht vorgesehenen und daher unzulässigen Versuch der Bekämpfung der erstgerichtlichen Beweiswürdigung. Nichtigkeitsgründe im Sinn der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO werden dabei nicht aufgezeigt.

Das Schöffengericht beschäftigte sich nämlich bei seiner auf die als glaubwürdig angesehene Aussage des Zeugen G*** gestützten Feststellung, daß dieser den Angeklagten A*** eindeutig als Täter wiedererkannt hatte, ausdrücklich auch mit dem Inhalt der vom Zeugen S*** verfaßten Anzeige (S 15 f), in der der Täter als dunkelhaarig beschrieben wird (wogegen der Beschwerdeführer blond ist) und erachtete diese Angaben in der Anzeige - denkmöglich und lebensnah - als auf einem Erinnerungsfehler des Zeugen S***

beruhend, der die schriftliche Anzeige erst etwa eine Stunde nach den Angaben des Zeugen G*** ihm gegenüber verfaßt hatte (US 12 ff). Mit dem Hinweis des Beschwerdeführers auf Angaben der beiden Angeklagten, welche vom Schöffengericht jedoch ausdrücklich als unglaubwürdig abgelehnt wurden (US 12), und mit der weiteren geradezu als spekulativ zu bezeichnenden Betrachtungsweise, daß eher dem Zeugen G*** als dem Zeugen S*** eine Verwechslung "zu unterstellen" sei sowie mit der Behauptung einer angeblichen Unzulänglichkeit bei der Vornahme der Konfrontation zwischen dem Zeugen G*** und dem Beschwerdeführer wird kein Begründungsmangel im Sinn der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO aufgezeigt, sondern lediglich nach Art einer Schuldberufung versucht, der leugnenden Verantwortung des Beschwerdeführers zum Durchbruch zu verhelfen.

Nichts anderes wird bei dem Versuch der Bekämpfung der erstgerichtlichen Feststellung unternommen, daß die zweite Aussage des Beschwerdeführers vor der Polizei (S 29) dazu gedacht war, die Schuld von sich auf den Mitangeklagten F*** zu schieben (US 15), in welchem Zusammenhang der Beschwerdeführer auf die Verantwortungen beider Angeklagten verweist, die jedoch vom Erstgericht - das sich in seiner Beweiswürdigung auch eingehend damit auseinandersetzte, aus welchen Gründen die Angaben des Beschwerdeführers bei seiner zweiten Vernehmung (S 29) unabhängig davon, ob dabei auf ihn Druck ausgeübt wurde oder nicht, unrichtig waren - mit ausführlicher und denkmöglicher Begründung als unglaubwürdig abgelehnt wurden (US 12 f, 16).

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten A*** ermangelt somit zur Gänze einer prozeßordnungsgemäßen Darstellung und war daher sofort bei der nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen (§ 285 d Abs 1 Z 1 StPO iVm § 285 a Z 2 StPO).

Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft:

In der (gemäß § 276 a StPO neu durchgeführten) Hauptverhandlung vom 23. Mai 1986 stellte der Staatsanwalt (u.a.) den Antrag auf Ausforschung und Vernehmung sämtlicher Beamten, die bei der Einvernahme des Angeklagten A*** (zu ergänzen: am 2.August 1985; siehe S 29) anwesend waren, zur Widerlegung der Behauptungen, daß auf diesen Angeklagten Druck (allenfalls Mißhandlung) ausgeübt worden sei (S 279).

Dieser Antrag wurde vom Schöffengericht "wegen Spruchreife" abgewiesen (S 281); die Begründung hiezu wurde im Urteil nachgeholt und ausgeführt, daß die in Rede stehende Aussage des Angeklagten A*** schon im Hinblick auf die als voll glaubwürdig angesehene Aussage des Zeugen G*** unglaubwürdig und daher nicht als Feststellungsgrundlage dienlich sei, und zwar unabhängig davon, ob diese Aussage des Angeklagten A*** unter Druck zustande gekommen sei oder nicht (US 15 f).

Den die Abweisung des Beweisantrages relevierenden Ausführungen der Verfahrensrüge (Z 4) der Staatsanwaltschaft ist vorerst entgegenzusetzen, daß sie von der falschen Prämisse ausgeht, die Aussage vom 2.August 1985 (S 29 f) habe den Angeklagten F*** gleichermaßen wie den Angeklagten A*** selbst belastet. Denn nach dem Inhalt dieser Aussage wäre F*** allein Täter gewesen, wogegen es bei A*** erst "geklingelt" habe, als der Verkäufer Bedenken gegen den von F*** vorgelegten Führerschein geäußert habe (wonach keine weitere Ausführungshandlung stattfand); nach dieser Aussage wäre der Führerschein des N*** bis dahin auch im alleinigen Besitz des Angeklagten F*** gewesen, wovon A***

lediglich gewußt habe.

Abgesehen davon aber beruht die Verfahrensrüge auf der Überlegung, durch die Vernehmung der bei der Vernehmung des Angeklagten A*** am 2. August 1985 allenfalls anwesenden (weiteren) Polizeibeamten hätte nachgewiesen werden können, daß dessen damalige Aussage nicht unter Druck abgelegt worden sei, woraus sich deren Wahrheit und damit die Grundlage für einen Schuldspruch auch des Angeklagten F*** ergeben hätte.

Eben diese Erwartung ist aber nicht berechtigt, denn vom Schöffengericht wird im Rahmen seiner - insoweit auch von der Staatsanwaltschaft nicht bekämpften - Beweiswürdigung dargelegt, daß diese Aussage jedenfalls ganz unabhängig davon, ob der behauptete Druck stattgefunden hatte oder nicht, unrichtig ist, weil sie den Depositionen des voll glaubwürdig befundenen Zeugen G*** über den Tathergang widerspricht.

War es aber für die Entscheidung des Schöffengerichtes unerheblich, ob auf den Angeklagten A*** bei der in Rede stehenden Einvernahme unzulässiger Druck ausgeübt wurde oder nicht, dann verfiel der Beweisantrag mit Recht der Ablehnung. Denn auch die erfolgreiche Führung des beantragten Beweises konnte somit die Beweisgrundlage nicht verändern.

Auch die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft war daher sofort bei der nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen, weil sie sich als offenbar unbegründet im Sinn des § 285 d Abs 1 Z 2 StPO erweist.

Zur Entscheidung über das vom Angeklagten A*** des weiteren erhobene Rechtsmittel der Berufung waren die Akten dem Oberlandesgericht Wien aus nachstehenden Erwägungen zuzuleiten:

In der Nichtigkeitsbeschwerde dieses Angeklagten wird, wie dargelegt, ausschließlich die Beweiswürdigung des Schöffengerichtes bekämpft. Sie war daher einer meritorischen Entscheidung des Obersten Gerichtshofes von vornherein nicht zugänglich und deshalb auch für sich nicht geeignet, dessen Zuständigkeit zur Entscheidung über die Berufung dieses Angeklagten zu bewirken (RZ 1970, 17; RZ 1973, 70 uvam).

Nach der für die Zuständigkeitsregelung des § 296 Abs 1 StPO maßgebenden ratio legis wird die grundsätzlich (§ 294 StPO) in die Kompetenz des Gerichtshofes zweiter Instanz fallende Erledigung einer Berufung aus Gründen des Sachzusammenhanges dann dem Obersten Gerichtshof übertragen, wenn entweder auch über eine den Berufungswerber betreffende Nichtigkeitsbeschwerde meritorisch abzusprechen ist, oder aus Gründen der Prozeßökonomie auch dann, wenn über eine solche Berufung in derselben Entscheidung befunden werden könnte wie über eine gegen dasselbe Urteil gerichtete, von welcher anderen Seite auch immer erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und/oder über eine weitere damit zusammenhängende Berufung (EvBl 1980/151 uam).

Keiner dieser Fälle liegt jedoch nach dem Vorgesagten bei der hier maßgeblichen Fallgestaltung vor. Die gesonderte Anberaumung eines Gerichtstages zur öffentlichen Verhandlung durch den Obersten Gerichtshof ausschließlich nur zur Entscheidung über die Berufung des Angeklagten A***, dessen Nichtigkeitsbeschwerde als nicht gesetzmäßig ausgeführt einer meritorischen Erledigung nicht zugänglich war, könnte daher mit der oben dargelegten - einschränkenden - Kompetenzregelung des § 296 Abs 1 StPO nicht mehr in Einklang gebracht werden, ganz abgesehen davon, daß in einem solchen Fall auch Gründe der Prozeßökonomie gegen eine derartige Vorgangsweise sprächen. Es war daher das diese Berufung betreffende weitere Rechtsmittelverfahren in sinngemäßer Anwendung des - durch § 219 StPO bloß in erster Instanz in seiner Anwendbarkeit begrenzten - § 58 StPO an das zur Entscheidung hierüber an sich zuständige Oberlandesgericht Wien abzugeben (vgl. erneut EvBl 1980/151 ua).