JudikaturJustiz10ObS72/15h

10ObS72/15h – OGH Entscheidung

Entscheidung
22. Februar 2016

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Fellinger als Vorsitzenden, den Hofrat Univ. Prof. Dr. Neumayr und die Hofrätin Mag. Korn sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Wolfgang Höfle (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Ing. Thomas Bauer (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei DI M*****, vertreten durch Dr. Alexander Haas, Rechtsanwalt in Seiersberg, gegen die beklagte Partei Vorarlberger Gebietskrankenkasse, Jahngasse 4, 6850 Dornbirn, vertreten durch Hoffmann Brandstätter Rechtsanwälte KG in Innsbruck, wegen Kinderbetreuungsgeld, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom 28. Mai 2015, GZ 7 Rs 23/15d 13, mit dem über Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits und Sozialgericht vom 23. Oktober 2014, GZ 42 Cgs 66/14i 8, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Für die am 12. 7. 2011 geborene L***** bezog zunächst die Mutter im Zeitraum vom 7. 9. 2011 bis zum vollendeten 30. Lebensmonat des Kindes (11. 1. 2014) das pauschale Kinderbetreuungsgeld in der Variante „30 + 6“ in Höhe von 14,53 EUR täglich. Am 2. 10. 2013 beantragte der Kläger für seine Tochter L***** das pauschale Kinderbetreuungsgeld in der Variante „30 + 6“ in Höhe von täglich 14,53 EUR für den Zeitraum ab dem 12. 1. 2014 „bis zur höchstmöglichen Bezugsdauer (11. 7. 2014)“. Der Kläger bezog zunächst vom 12. 1. 2014 bis 31. 3. 2014 das pauschale Kinderbetreuungsgeld in Höhe von täglich 14,53 EUR und war in diesem Zeitraum mit 15 Stunden pro Woche bei seinem Arbeitgeber weiterhin beschäftigt. Über Ersuchen seines Arbeitgebers arbeitete er aufgrund eines Vertretungsfalls im Zeitraum vom 1. 4. bis 30. 6. 2014 wieder vollzeitig und verzichtete daher für diesen Zeitraum auf den Bezug von Kinderbetreuungsgeld. In der Zeit vom 1. 7. bis 11. 7. 2014 betreute er wieder seine Tochter, war nur für 15 Stunden pro Woche angemeldet und bezog für diesen Zeitraum auch nur ein entsprechend vermindertes Gehalt.

Mit Bescheid vom 28. 4. 2014 lehnte die beklagte Gebietskrankenkasse den Antrag des Klägers auf Zuerkennung des Kinderbetreuungsgeldes für den Zeitraum vom 1. 7. bis 11. 7. 2014 mit der Begründung ab, das Kinderbetreuungsgeld könne gemäß § 5 Abs 4 KBGG jeweils nur in Blöcken von mindestens zwei Monaten beansprucht werden. Für den strittigen Zeitraum vom 1. 7. bis 11. 7. 2014 werde diese geforderte Mindestbezugsdauer von zwei Monaten nicht erreicht, weshalb für diesen Zeitraum auch kein Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld bestehe.

Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger, die beklagte Partei zur Zahlung des Kinderbetreuungsgeldes auch für den Zeitraum vom 1. 7. bis 11. 7. 2014 zu verpflichten. Er brachte im Wesentlichen vor, dass es durch seinen Verzicht auf das Kinderbetreuungsgeld für drei Monate nicht zu einem „Bezugswechsel“ iSd § 5 KBGG gekommen sei. Der Verzicht führe nicht dazu, dass für die restlichen Tage vom 1. 7. bis 11. 7. 2014 neuerlich die Voraussetzung des Mindestbezugs für zwei Monate erreicht werden müsse.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete insbesondere ein, nach § 5 Abs 4 KBGG könne das Kinderbetreuungsgeld jeweils nur in Blöcken von mindestens zwei Monaten beansprucht werden, wodurch eine unangemessen kurze Bezugsdauer eines Elternteils verhindert werden solle. Da es sich im vorliegenden Fall um einen Bezugswechsel handle und beim Kläger aufgrund seines Verzichts mehrere Bezugszeiträume vorlägen, müsse für jeden dieser Bezugszeiträume das Erfordernis einer zweimonatigen Bezugsdauer erfüllt sein.

Das Erstgericht verpflichtete die beklagte Partei zur Zahlung des Kinderbetreuungsgeldes in der Höhe von 14,53 EUR täglich an den Kläger für den Zeitraum vom 1. 7. bis 11. 7. 2014. Es führte aus, dass das Kinderbetreuungsgeld grundsätzlich jeweils nur in Blöcken von mindestens zwei Monaten beansprucht werden könne. Der Zweck dieser Regelung bestehe darin, dass der Aufwand einer neuerlichen Prüfung, der mit der Antragstellung durch den zweiten Elternteil verbunden sei, nach Ansicht des Gesetzgebers nur gerechtfertigt sei, wenn diese Person die Leistung mindestens zwei Monate lang beanspruche. Im vorliegenden Fall habe nur ein Wechsel von der Mutter auf den Vater stattgefunden, wobei der Kläger jedenfalls Kinderbetreuungsgeld von insgesamt mehr als zwei Monaten beansprucht und auch der Zeitraum vor der Unterbrechung für sich allein länger als zwei Monate gedauert habe. Aus § 2 Abs 5 KBGG ergebe sich, dass auf den Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld verzichtet werden könne, wodurch sich der Anspruchszeitraum um den Zeitraum des Verzichts verkürze. Die Zeiten des Ruhens des Kinderbetreuungsgeldes hätten den insgesamt sechs Monate dauernden Leistungsanspruch nur für drei Monate unterbrochen, weshalb dem Kläger auch für den restlichen Zeitraum vom 1. 7. bis 11. 7. 2014 Kinderbetreuungsgeld zustehe.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei Folge und wies das Klagebegehren ab. Es sei zwar entgegen der Ansicht der beklagten Partei davon auszugehen, dass bei einer Unterbrechung des Bezugs des Kinderbetreuungsgeldes durch einen Verzicht die Mindestbezugsdauer von zwei Monaten iSd § 5 Abs 4 KBGG nicht für jeden der Bezugszeiträume (sowohl vor als auch nach der Unterbrechung) eingehalten werden müsse. Eine Verlängerung der Anspruchsdauer des Kinderbetreuungsgeldes über das 30. Lebensmonat des Kindes (bis maximal zum 36. Lebensmonat) hinaus komme aber nach § 5 Abs 2 KBGG nur für Zeiträume des tatsächlichen Bezugs von Kinderbetreuungsgeld in Betracht. Da der Kläger für einen Zeitraum von drei Monaten auf Kinderbetreuungsgeld verzichtet habe, verlängere sich der Bezugszeitraum höchstens nur bis zur Vollendung des 33. Lebensmonats des Kindes. Da die Tochter des Klägers am 12. 7. 2011 geboren sei, habe sie ihr 33. Lebensmonat am 11. 4. 2014 vollendet, weshalb kein Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld für den strittigen Zeitraum vom 1. 7. bis 11. 7. 2014 bestehe.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision nach § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig sei.

Gegen dieses Urteil richtet sich die außerordentliche Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das Ersturteil wiederherzustellen. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei beantragte in der ihr freigestellten Revisionsbeantwortung, die Revision als unzulässig zurückzuweisen bzw ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, aber nicht berechtigt.

Der Kläger macht in seiner Revision geltend, ein Verzicht auf Kinderbetreuungsgeld sei nur für volle Monate möglich. Er habe freiwillig auf drei Monate Kinderbetreuungsgeld verzichtet und habe daher bei der gewählten Variante „30 + 6“ Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld für die restlichen drei Monate. Nach der Entscheidung des Berufungsgerichts erhalte er jedoch Kinderbetreuungsgeld nur für einen Zeitraum von zwei Monaten und 20 Tagen.

Diesen Ausführungen ist Folgendes entgegenzuhalten:

1. Die Anspruchsdauer für Kinderbetreuungsgeld in der Variante „30 + 6“ ist in § 5 KBGG geregelt.

Nach § 5 Abs 1 KBGG gebührt das Kinderbetreuungsgeld bis zur Vollendung des 36. Lebensmonats des Kindes, sofern im Folgenden nicht anderes bestimmt ist.

Gemäß § 5 Abs 2 KBGG gebührt das Kinderbetreuungsgeld jedoch längstens bis zur Vollendung des 30. Lebensmonats des Kindes, wenn nur ein Elternteil Kinderbetreuungsgeld in Anspruch nimmt. Nimmt auch der zweite Elternteil Kinderbetreuungsgeld in Anspruch, so verlängert sich die Anspruchsdauer über die Vollendung des 30. Lebensmonats hinaus um jenen Zeitraum, den der zweite Elternteil Kinderbetreuungsgeld beansprucht, höchstens jedoch bis zur Vollendung des 36. Lebensmonats des Kindes. Als beansprucht gelten ausschließlich Zeiträume des tatsächlichen Bezugs der Leistung.

2. Nach den Gesetzesmaterialien zur KBGG Novelle 2009, BGBl I 2009/116 (ErläutRV 340 BlgNR 24. GP 9 f) soll eine Verlängerung des Bezugs des Kinderbetreuungsgeldes über das 30. (bzw in den anderen Varianten über das 20., 15. oder 12.) Lebensmonat des Kindes hinaus nur dann erfolgen, wenn die Eltern Kinderbetreuungsgeld abwechselnd tatsächlich beziehen. Daher soll es keine Verlängerung um jene Zeiträume geben, in denen kein tatsächlicher Bezug erfolgt ist. Hat zB ein Elternteil nur fünf Monate Kinderbetreuungsgeld bezogen, so kann das in keinem Fall eine Verlängerung um mehr als fünf Monate bedeuten. Es ist daher notwendig, dies auch für jene Fälle festzulegen, in denen ein Elternteil auf KBG Monate verzichtet hat. Wurden daher zB vier Monate Kinderbetreuungsgeld beantragt und auf einen Monat verzichtet, liegt effektiv ein Bezug von drei Monaten vor und kann daher auch nur eine Verlängerung um maximal drei Monate erfolgen. Dasselbe gilt für Zeiten, in denen Kinderbetreuungsgeld in voller Höhe ruht, also keine KBG Auszahlung gebührt.

3. Das Gesetz ermöglicht somit durch die Regelung des § 5 Abs 2 KBGG eine begrenzte Verlängerung der Anspruchsdauer von 30 Monaten, wenn und insoweit auch der zweite Elternteil Kinderbetreuungsgeld beansprucht. Aus dem Gesetzeswortlaut und den zitierten Gesetzesmaterialien ergibt sich eindeutig, dass diese Bezugsverlängerung nicht auf den (bloßen) Leistungsanspruch, sondern auf den tatsächlichen Leistungsbezug abstellt. Leistungsanspruch und Leistungsbezug sind somit in diesem Zusammenhang nicht gleichzusetzen. Nur der tatsächliche Leistungsbezug bewirkt die Verlängerung des Bezugs des Kinderbetreuungsgeldes über das 30. (bzw in den anderen Varianten über das 20., 15. oder 12.) Lebensmonat des Kindes hinaus (10 ObS 106/13f, SSV NF 27/63). Ruhenszeiten des Kinderbetreuungsgeldes in voller Höhe bzw Zeiten des Verzichts auf Kinderbetreuungsgeld, wenn also keine Auszahlung des Kinderbetreuungsgeldes gebührt, sind daher für die Verlängerung des Bezugs des Kinderbetreuungsgeldes über das im vorliegenden Fall maßgebende 30. Lebensmonat des Kindes hinaus nicht zu berücksichtigen.

4. Bezieht daher während der ersten 30 Lebensmonate des Kindes auch der zweite Elternteil für einen bestimmten Zeitraum Kinderbetreuungsgeld, so verlängert sich der insgesamt mögliche Bezugszeitraum um die Dauer des tatsächlichen Bezugs (zB viermonatiger Bezug durch den zweiten Elternteil; Verlängerung des Kinderbetreuungsgeldbezugs bis zum vollendeten 34. Lebensmonat). Wird dabei der Kinderbetreuungsgeldbezug des zweiten Elternteils durch Ruhen oder Verzicht unterbrochen, dann ist der Unterbrechungszeitraum bei der Verlängerung des möglichen Bezugszeitraums nicht zu berücksichtigen (zB viermonatiger Bezug durch den zweiten Elternteil; ein Monat Verzicht; Verlängerung um drei Monate bis zum vollendeten 33. Lebensmonat).

5. Der vorliegende Fall ist dadurch gekennzeichnet, dass die Mutter bereits bis zum (vollendeten) 30. Lebensmonat des Kindes Kinderbetreuungsgeld bezogen hat, der Bezugszeitraum durch den zweiten Elternteil daher zur Gänze nach dem 30. Lebensmonat des Kindes liegt. Auch hier kann aber nichts anderes gelten als dass die Verlängerung über das 30. Lebensmonat hinaus nur durch Zeiten des tatsächlichen Bezugs bewirkt werden kann. Ansonsten käme es zu einer Ungleichbehandlung gegenüber den Eltern, die während der ersten 30 Lebensmonate des Kindes für eine bestimmte Zeit auf Kinderbetreuungsgeld verzichten und dadurch nicht nur den Bezug für diese Zeit verlieren, sondern auch die Möglichkeit, den Bezugszeitraum um diese Zeit über das 30. Lebensmonat des Kindes hinaus zu verlängern.

Unterbricht daher der zweitbetreuende Elternteil den ursprünglich für sechs Monate geplanten Kinderbetreuungsgeldbezug für drei Monate, führt dies unabhängig davon, wann diese Unterbrechung erfolgt, dazu, dass eine Verlängerung über das 30. Lebensmonat hinaus nur maximal drei Monate, daher maximal bis zum 33. vollendeten Lebensmonat des Kindes möglich ist. Dies ist die Konsequenz daraus, dass der Gesetzgeber die mögliche Verlängerung über die Höchstbezugsdauer von grundsätzlich 30 Monaten ausdrücklich vom tatsächlichen Bezug durch den anderen Elternteil abhängig macht.

6. Im vorliegenden Fall beantragte der Kläger das pauschale Kinderbetreuungsgeld in der Variante „30 + 6“ ab 12. 1. 2014 „bis zur höchstmöglichen Bezugsdauer“. Bei ununterbrochenem Bezug hätte sein Anspruch auf Verlängerung gemäß § 5 Abs 2 KBGG am 11. 7. 2014 geendet. Der Kläger beendete jedoch diesen Verlängerungsbezug vorzeitig, indem er ab 1. 4. 2014 auf seinen Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld verzichtete. Ein Zuspruch des Kinderbetreuungsgeldes an den Kläger für den hier noch strittigen Zeitraum vom 1. 7. bis 11. 7. 2014 kommt nach zutreffender Rechtsansicht des Berufungsgerichts schon deshalb nicht in Betracht, weil dieser Zeitraum jedenfalls außerhalb des höchstmöglichen Verlängerungszeitraums für den Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld liegt. Der Umstand, dass der Kläger bis zum vollendeten 33. Lebensmonat seines Kindes faktisch Kinderbetreuungsgeld für einen Zeitraum von (erst) 2 1/2 Monaten bezogen hat, ist darauf zurückzuführen, dass ein Verzicht gemäß § 2 Abs 5 Kinderbetreuungsgeld nur für ganze Kalendermonate möglich ist und der Kläger daher im Hinblick auf seine vorübergehend wiederaufgenommene Vollzeitbeschäftigung bereits ab 1. 4. 2014 auf seinen Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld verzichtete. Voraussetzung für die Gewährung von Kinderbetreuungsgeld ist aber nicht nur der grundsätzliche Anspruch, sondern auch, dass der Bezug im gesetzlich vorgesehenen (verlängerten) Bezugszeitraum erfolgt. Dies ist hier nicht der Fall.

7. Da dem Klagebegehren somit schon aufgrund der dargelegten Erwägungen keine Berechtigung zukommt, erübrigt sich ein Eingehen auf die weiteren Ausführungen der beklagten Partei in ihrer Revisionsbeantwortung, wonach der geltend gemachte Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld im konkreten Fall auch an der Unterschreitung der zweimonatigen Mindestbezugsdauer gemäß § 5 Abs 4 KBGG scheitere.

Die Revision des Klägers musste daher erfolglos bleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Berücksichtigungswürdige Einkommens und Vermögensverhältnisse des Klägers, welche einen ausnahmsweisen Kostenzuspruch nach Billigkeit rechtfertigen könnten, wurden nicht geltend gemacht und sind auch aus der Aktenlage nicht ersichtlich.