JudikaturJustiz10ObS60/22d

10ObS60/22d – OGH Entscheidung

Entscheidung
28. Juli 2022

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten Univ. Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden, die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Mag. Schober, sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dora Camba (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Alexander Leitner (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei C*, vertreten durch Mag. Claus Marchl, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Österreichische Gesundheitskasse, Haidingergasse 1, 1030 Wien, vertreten durch Dr. Anton Ehm und Mag. Thomas Mödlagl, Rechtsanwälte in Wien, wegen Familienzeitbonus, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom 29. März 2022, GZ 8 Rs 10/22g 25, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Korneuburg als Arbeits und Sozialgericht vom 24. November 2021, GZ 9 Cgs 41/21d 15, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass das Urteil zu lauten hat:

„1. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei einen Familienzeitbonus anlässlich der Geburt des Kindes I* am 9. Juni 2020 für den Zeitraum von 10. Juni 2020 bis 6. Juli 2020 in der Höhe von 22,60 EUR täglich zu gewähren und die bereits fälligen Beträge binnen 14 Tagen zu zahlen.

2. Hingegen wird das Mehrbegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei einen Familienzeitbonus auch für den 9. Juni 2020 in Höhe von 22,60 EUR zu gewähren, abgewiesen.“

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 609,67 EUR (darin 101,61 EUR USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit 418,78 EUR (darin 69,80 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

[1] Gegenstand des Verfahrens ist der Anspruch des Klägers auf Familienzeitbonus gemäß § 2 FamZeitbG für den Zeitraum von 9. Juni 2020 bis 6. Juli 2020.

[2] Der Kläger und seine Lebensgefährtin sind die Eltern der am 9. Juni 2020 geborenen Tochter I*. Die Entbindung erfolgte im Beisein des Klägers in einem Geburtshaus, in dem Schwangere, die weder im Spital noch zu Hause entbinden wollen, mit Unterstützung einer Hebamme ähnlich einer Hausgeburt entbinden können. Nach der gegen 8:40 Uhr erfolgten Geburt legte sich die Familie ins Bett und die Hebamme bereitete ihnen ein Frühstück zu. Anschließend wurde das Kind von einer Ärztin, die (nur) dazu in das Geburtshaus kam und rund 20 Minuten blieb, untersucht; die Hebamme blieb ihrerseits bis ca 14:00 Uhr im Geburtshaus, erbrachte bis dahin aber keine weiteren Betreuungsleistungen. In der Folge war die Familie alleine im Geburtshaus und d er Kläger kümmerte sich um seine Lebensgefährtin und das Kind. Da die Lebensgefährtin des Klägers zu erschöpft für die Heimfahrt war, blieb die Familie über Nacht (alleine) im Geburtshaus und begab sich erst am 10. Juni 2020 zu ihrem damaligen gemeinsamen Hauptwohnsitz in Wien. I* wurde dort unstrittig am 12. Juni 2020 auch angemeldet.

[3] Mit Bescheid vom 7. April 2021 wies die beklagte Österreichische Gesundheitskasse den Antrag des Klägers auf Gewährung eines Familienzeitbonus ab, weil die Mutter des gemeinsamen Kindes bis 10. Juni 2020 in stationärer Behandlung gewesen sei und damit die Anspruchsvoraussetzung eines gemeinsamen Haushalts iSd § 2 Abs 1 Z 4 iVm Abs 3 FamZeitbG nicht (im gesamten Anspruchszeitraum) erfüllt sei.

[4] Das Erstgericht wies die auf Zuerkennung des Familienzeitbonus für den Zeitraum von 9. Juni 2020 bis 6. Juli 2020 gerichtete Klage ab. Der Kläger habe durch die von ihm am 9. Juni 2020 erbrachten Betreuungsleistungen zwar Familienzeit (§ 2 Abs 1 Z 3 FamZeitbG) mit der Mutter und dem Kind verbracht. Es fehle an diesem Tag aber ein gemeinsamer Haushalt, weil es sich bei einem Geburtshaus ebenso wenig um eine Wohnadresse iSd § 2 Abs 1 Z 4 iVm Abs 3 FamZeitbG handle, wie bei einem Krankenhaus. Ein solcher sei erst mit der faktischen Wohnsitznahme am gemeinsamen Wohnort der Eltern und damit am 10. Juni 2020 begründet worden. Auch wenn die Voraussetzung eines gemeinsamen Haushalts daher nur am 9. Juni 2020 nicht erfüllt gewesen sei, führe das zum (gänzlichen) Anspruchsverlust, weil andernfalls die Mindestbezugsdauer von 28 Tagen unterschritten werde.

[5] Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es verwies auf die zutreffende Begründung des Erstgerichts und führte ergänzend aus, dass ein medizinisch indizierter Krankenhausaufenthalt iSd § 2 Abs 3a FamZeitbG nicht vorliege und die Eltern mit dem Kind ohne weiteres schon am 9. Juni 2020 an ihren gemeinsamen Wohnsitz zurückkehren hätten können. Daran ändere auch die Rechtsprechung nichts, dass die Absicht, eine Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft auf Dauer zu führen, durch einen zeitlich begrenzten Krankenhausaufenthalt nicht wegfalle. Ein gemeinsamer Haushalt könne nämlich erst dann wegfallen, wenn er zuvor begründet worden sei, was erst geschehe, wenn das Kind dort erstmals eintreffe.

[6] Gegen dieses Urteil richtet sich die außerordentliche Revision des Klägers, mit der er die Stattgebung der Klage anstrebt.

[7] In der ihr vom Obersten Gerichtshof freigestellten Revisionsbeantwortung beantragte die Beklagte, der Revision keine Folge zu geben.

[8] Die Revision ist zulässig, weil die Vorinstanzen von der jüngeren Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Möglichkeit der anteiligen Auszahlung des Familienzeitbonus abgewichen sind. Sie ist großteils auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

[9] Zu den Anspruchsvoraussetzungen:

[10] 1. Der Anspruch auf Familienzeitbonus eines Vaters für sein Kind ist (unter anderem) an die Voraussetzung geknüpft, dass sich der Vater im gesamten von ihm gewählten Anspruchszeitraum in Familienzeit befindet (§ 2 Abs 1 Z 3 FamZeitbG) und mit dem Kind und dem anderen Elternteil im gemeinsamen Haushalt lebt (§ 2 Abs 1 Z 4 FamZeitbG).

[11] 1.1. Als Familienzeit i Sd § 2 Abs 4 FamZeitbG versteht man den Zeitraum zwischen 28 und 31 Tagen, in dem sich ein Vater aufgrund der kürzlich erfolgten Geburt seines Kindes ausschließlich seiner Familie widmet und dazu die Erwerbstätigkeit unterbricht, keine andere Erwerbstätigkeit ausübt, keine Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung und keine Entgeltfortzahlung aufgrund von oder Leistungen bei Krankheit erhält. Die Definition der Familienzeit stellt demnach ausschließlich auf die Unterbrechung der Erwerbstätigkeit durch den Vater (bzw den beziehenden Elternteil), die von ihm bezogenen Leistungen sowie darauf ab, dass er sich im relevanten Zeitraum ausschließlich der Familie widmet (10 ObS 82/21p ua).

[12] 1.2. Ein gemeinsamer Haushalt liegt nach der Definition des § 2 Abs 3 FamZeitbG dann vor, wenn der Vater, das Kind und der andere Elternteil in einer dauerhaften Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft an derselben Wohnadresse leben und alle drei an dieser Adresse auch hauptwohnsitzlich gemeldet sind, wobei eine bis zu zehn Tagen verspätet erfolgte Hauptwohnsitzmeldung des Kindes an dieser Wohnadresse nicht schadet.

[13] 1.3. Dass sich der Kläger im gesamten von ihm gewählten Anspruchszeitraum (9. Juni 2020 bis 6. Juli 2020) in Familienzeit befunden hat, bezweifelt die Beklagte nicht. Sie stellt auch nicht in Abrede, dass ab dem 10. Juni 2020 ein gemeinsamer Haushalt (samt hauptwohnsitzlicher Meldung des Vaters, der Mutter und des Kindes) vorlag und ab diesem Zeitpunkt sämtliche Anspruchsvoraussetzungen des § 2 Abs 1 FamZeitbG gegeben waren. Strittig ist in dieser Hinsicht nur, ob der gemeinsame Haushalt allenfalls schon am 9. Juni 2020, also schon im Geburtshaus, begründet wurde.

[14] 2. Nach der Rechtsprechung besteht eine „dauerhafte Wohn und Wirtschaftsgemeinschaft“ (erst) dann, wenn eine solche tatsächlich aufgenommen wird und dies in der Absicht geschieht, sie auf Dauer zu führen (RIS Justiz RS0133073; 10 ObS 148/19s SSV NF 34/23 ua). Dies ergibt sich aus den Gesetzesmaterialien (ErläutRV 1110 BlgNR 25. GP 2), in denen von einem auf Dauer angelegten Zusammenleben die Rede ist (10 ObS 82/21p mwN).

[15] 2.1. Der Oberste Gerichtshof hat zu Geburten im Krankenhaus bereits mehrfach klargestellt, dass während des Krankenhausaufenthalts von Mutter und Kind nach der Geburt (noch) kein gemeinsamer Haushalt iSd § 2 Abs 3 FamZeitbG vorliegt, sondern dieser erst nach der Entlassung aus der Geburtsklinik begründet wird (RS0132377). Dies beruht primär auf der Erwägung, dass während eines an die Geburt anschließenden Krankenhausaufenthalts der Mutter und des Kindes die Pflege und Betreuung des Kindes in erster Linie durch Leistungen der Krankenanstalt abgedeckt wird (10 ObS 101/19d SSV NF 33/48 ua). Im Normalfall erbringt der Vater während dieser Zeit keine Betreuungsleistungen, sodass der vom Gesetzgeber intendierte Leistungszweck nicht erreichbar ist (10 ObS 109/18d SSV NF 32/67 ua). Das gilt auch bei einem gemeinsamen Aufenthalt der Familie in einem Familienzimmer des Geburtskrankenhauses, weil auch dabei die medizinische Betreuung, Nahrungsversorgung (jedenfalls der Mutter) und Hilfestellungen bei der Säuglingspflege in der Regel durch das Krankenhauspersonal erbracht werden und daher keine klassische Haushaltsleistungen, mit denen ein Vater seine Partnerin nach der Geburt unterstützen soll, anfallen (10 ObS 115/19p; 10 ObS 101/19d SSV NF 33/48). Darauf aufbauend hat der Oberste Gerichtshof wiederholt betont, dass nur bei Hausgeburten oder ambulanten Geburten, wenn die Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft noch am selben Tag tatsächlich aufgenommen wird, bereits ab dem Tag der Geburt ein gemeinsamer Haushalt iSd § 2 Abs 3 FamZeitbG besteh t (10 ObS 69/20z; 10 ObS 109/18d SSV NF 32/67).

[16] 2.2. Nun ist dem Kläger zwar zuzustimmen, dass sich der vorliegende Sachverhalt von den bisher entschiedenen Fällen insofern unterscheidet, als nach den Feststellungen er –und nicht Dritte – jene Betreuungsleistungen erbrachte, die auch im Rahmen einer Hausgeburt zu erbringen wären. Der Oberste Gerichtshof hat zu § 2 KBGG auch schon ausgesprochen, dass die Wohn und Wirtschaftsgemeinschaft nicht fortwährend am selben Ort (an derselben Adresse) oder in einer „eigenen Wohnung“ stattzufinden hat (10 ObS 69/14s SSV NF 28/46). Bei seiner Argumentation, ein gemeinsamer Haushalt habe schon im Geburtshaus bestanden, übergeht der Kläger jedoch, dass die Wohn und Wirtschaftsgemeinschaft an der jeweiligen Wohnadresse auf Dauer ausgerichtet sein muss (vgl 10 ObS 82/21p, Rz 17). Nach dem Sachverhalt lag eine solche Wohn und Wirtschaftsgemeinschaft im Geburtshaus aber gerade nicht vor.

[17] 2.3. Soweit der Kläger dem noch entgegenhält, es sei nicht auf Kalendertage, sondern ein 24 Stunden Intervall abzustellen, scheitert das schon an § 3 Abs 2 FamZeitbG, wonach der Bonus als pauschaler Betrag pro Kalendertag ausgezahlt wird. Demgemäß hielt der Oberste Gerichtshof etwa zu 10 ObS 82/21p (RZ 21) fest, dass es am (Kalender )Tag der Aufnahme in ein Krankenhaus und am (Kalender )Tag der Entlassung daraus an der Abwesenheit von der gemeinsamen Wohnung fehlt. Auch zu 10 ObS 69/20z wurde nach einer ambulanten Geburt auf den Entlassungstag als ersten Tag des gemeinsamen Haushalts abgestellt, obwohl der Aufenthalt der Mutter im gemeinsamen Haushalt (behauptetermaßen) weniger als 24 Stunden dauerte.

[18] 2.4. Als Zwischenergebnis folgt somit, dass die Voraussetzung des gemeinsamen Haushalts nach § 2 Abs 1 Z 4 FamZeitbG am 9. Juni 2020 nicht vorlagen.

[19] 3. Zur möglichen anteilsmäßigen Auszahlung

[20] Als Konsequenz dieses Ergebnisses haben sich die Vorinstanzen auf die vormals ständige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (RS0132377, RS0133088) berufen, wonach eine anteilige Auszahlung des Familienbonus ebenso ausgeschlossen ist wie eine spätere Änderung des Anspruchszeitraums (§ 3 Abs 3 FamZeitbG). Wurden die Anspruchsvoraussetzungen auch nur an einem Tag der gewählten Dauer nicht erfüllt, gebührte nach dieser Rechtsprechung gar kein Familienzeitbonus (10 ObS 69/20z; 10 ObS 177/19f; 10 ObS 115/19p ua).

[21] 3.1. In seiner Entscheidung 10 ObS 161/21f vom 29. März 2022 (im RIS veröffentlicht am 10. Mai 2022) hat sich der Oberste Gerichtshof jedoch neuerlich mit den §§ 2 und 3 FamZeitbG auseinandergesetzt und ist nach eingehender Darstellung der bisherigen Judikatur und der dazu geäußerten Kritik der Lehre von seiner früheren Rechtsprechung abgegangen (RS0133955). Die Kernaussagen dieser Entscheidung lauten:

[22] § 3 FamZeitbG enthält in seinen Absätzen 1 und 2 materiell rechtliche Regelungen über die Höhe und Dauer des Anspruchs. § 3 Abs 3 FamZeitbG ist hingegen eine verfahrensrechtliche Vorschrift über die Fristen zur Antragstellung und Festlegung der Anspruchsdauer bei Antragstellung. Aus dem für die Anspruchsberechtigung maßgeblichen § 2 FamZeitbG ergibt sich nicht zwingend, dass der Anspruch auf Familienzeitbonus materiell nicht auch für einen kürzeren Zeitraum als den nach der verfahrensrechtlichen Bestimmung des § 3 Abs 3 FamZeitbG gewählten bestehen kann. Aus § 2 Abs 1 Z 3 FamZeitbG folgt lediglich, dass sich der Vater im gesamten Zeitraum, in dem ein Anspruch besteht, in Familienzeit befinden muss, die zwischen 28 und 31 Tage beträgt. Die Festlegung eines verbindlichen Anspruchszeitraums gemäß § 3 Abs 3 FamZeitbG ist daher allein für das Verwaltungsverfahren maßgeblich, nicht jedoch für die Frage der Anspruchsberechtigung. Der gänzliche Wegfall des Anspruchs im Fall des Fehlens der Anspruchsvoraussetzungen auch nur an einem Tag des gewählten Bezugszeitraums steht überdies in Widerspruch zum Zweck der Gewährung eines Familienzeitbonus, Väter dazu zu motivieren, sich nach der Geburt des Kindes intensiv dem Kind und der Familie zu widmen. Dem FamZeitbG ist eine rechtmäßige anteilige Auszahlung des Bonus auch nicht fremd. Das ergibt sich etwa aus § 7 Abs 3 letzter Satz FamZeitbG, der den Schluss zulässt, dass im Fall der rechtzeitigen Meldung des Todes des Kindes während des Bezugszeitraums der Familienzeitbonus anteilsmäßig (bis dahin) zu Recht bezogen wurde. Zudem entspricht es weder den Intentionen des FamZeitbG noch der Richtlinie (EU) 2019/1158, den Anspruch auf Familienzeitbonus gänzlich zu verneinen, wenn sich der Vater im gesamten gewählten Zeitraum in Familienzeit befand, er also seine Erwerbstätigkeit unterbrach und sich ausschließlich der Familie widmete und bloß an einzelnen Tagen nicht alle Anspruchsvoraussetzungen vorlagen. Diese Auslegung findet auch eine Stütze im FamZeitbG, verlangt § 2 Abs 1 Z 3 FamZeitbG doch (nur), dass sich der Vater im gesamten Anspruchszeitraum in Familienzeit befindet, während § 2 Abs 1 Z 4 FamZeitbG diese Voraussetzung für den gemeinsamen Haushalt nicht formuliert.

[23] 4. Auf Basis dieser Grundsätze, an denen auch im Anlassfall festzuhalten ist, gebührt dem Kläger daher ein Familienzeitbonus für jene Tage innerhalb des von ihm gewählten Anspruchszeitraums, in dem sämtliche Anspruchsvoraussetzungen des § 2 FamZeitbG erfüllt waren. Das ist hier unstrittig ab dem 10. Juni 2020 der Fall. Nur am 9. Juni 2020 fehlte es an einem gemeinsamen Haushalt iSd § 2 Abs 1 Z 4 iVm Abs 3 FamZeitbG, sodass (nur) für diesen Tag ein Anspruch auf Familienzeitbonus ausscheidet.

[24] 4.1. Die dagegen ins Treffen geführten Argumente der Beklagten überzeugen nicht. Es kann dahingestellt bleiben, ob für die Erfüllung der Anforderungen der Artikel 4, 5, 6 und 8 der Richtlinie (EU) 2019/1158 jeder Zeitraum und jede Bezahlung oder Vergütung für Arbeitsfreistellung aus familiären Gründen (insbesondere Mutterschaftsurlaub, Vaterschaftsurlaub, Elternurlaub und Urlaub für pflegende Angehörige) der bzw die vorgesehen ist und über den Mindeststandards gemäß der genannten Richtlinie oder der Richtlinie 92/85/EWG liegt, zu berücksichtigen sind (Art 20 Abs 6 RL [EU] 2019/1158) und ob Österreich die Vorgaben der Richtlinie insgesamt „übererfüllt“. Warum das einer richtlinienkonformen Interpretation der Bestimmungen des FamZeitbG, wie sie zu 10 ObS 161/21f vorgenommen wurde, entgegenstehen soll, ist nicht nachvollziehbar. Zum dortigen Kernargument , dass sich der Ausschluss der anteiligen Auszahlung des Bonus aus dem FamZeitbG selbst nicht (zwingend) ergibt und den dahingehenden Ausführungen in den Gesetzesmaterialien keine maßgebliche Bedeutung zukommt (RS0008799), äußert sich die Beklagte nicht. Auch ihre Befürchtung, die neue Rechtsprechung werde letztlich dazu führen, dass sich Väter nur mehr für kurze Zeit um die Familie kümmern, ist nicht zu teilen. Denn der Oberste Gerichtshof hat explizit festgehalten, dass der beantragte Anspruchszeitraum zwischen 28 und 31 Tagen zu betragen hat und sich der Antragsteller währenddessen auch in Familienzeit (§ 2 Abs 4 FamZeitbG) befinden muss. Zur anteiligen Auszahlung kommt es demnach nur, wenn eine der sonstigen Voraussetzungen des § 2 FamZeitbG, wie etwa der gemeinsame Haushalt, zeitweise fehlt.

5. Ergebnis:

[25] 5.1. Die außerordentliche Revision erweist sich daher insofern als berechtigt, als dem Begehren auf Zuerkennung des Familienzeitbonus für die Dauer von 10. Juni 2020 bis 6. Juli 2020 in der gesetzlich vorgesehenen Höhe (§ 3 Abs 1 FamZeitbG) stattzugeben ist. Das Mehrbegehren ist hingegen abzuweisen.

[26] 5.2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a iVm Abs 2 ASGG. Beim Familienzeitbonus handelt es sich um eine wiederkehrende Leistung iSd § 77 Abs 2 ASGG (RS0085788 [T3]).

Rechtssätze
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