JudikaturJustiz10ObS35/16v

10ObS35/16v – OGH Entscheidung

Entscheidung
28. Juni 2016

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Fellinger als Vorsitzenden, die Hofräte Univ. Prof. Dr. Neumayr und Dr. Schramm sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Johanna Biereder (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Susanne Jonak (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Mag. U*****, vertreten durch Mag. Nikolaus Weiser, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Wiener Gebietskrankenkasse, Wienerbergstraße 15-19, 1100 Wien, vertreten durch Dr. Heinz Edelmann, Rechtsanwalt in Wien, wegen Kinderbetreuungsgeld infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom 26. Jänner 2016, GZ 9 Rs 68/15h 34, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits und Sozialgerichts Wien vom 17. Oktober 2014, GZ 24 Cgs 126/13i 30, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision der klagenden Partei wird nicht Folge gegeben.

Beide Parteien haben ihre Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin bezog anlässlich der Geburt ihres am 23. April 2012 geborenen Sohnes L ***** von 27. Juni 2012 bis 22. April 2013 Kinderbetreuungsgeld als Ersatz des Erwerbseinkommens nach § 24a KBGG in Höhe von 66 EUR pro Tag. Aufgrund seiner seit dem Jahr 2000 bestehenden chronischen lymphatischen Leukämie-Erkrankung war der Lebensgefährte der Klägerin und Vater des Kindes von 23. April 2013 bis 22. Juni 2013 in seiner Leistungsfähigkeit so massiv eingeschränkt, dass er nicht in der Lage war, das Kind ab 23. April 2013 zu betreuen. Er befand sich im genannten Zeitraum (23. April 2013 bis 22. Juni 2013) von 26. April 2013 bis 6. Mai 2013 in stationärer Krankenhausbehandlung. In der übrigen Zeit war ihm – bedingt durch unvorhersehbare Schwankungen seines Allgemeinzustands – die Übernahme von Verantwortung für ein Kleinkind nicht möglich. Wege außerhalb des Hauses, wie sie bei der Kinderbetreuung anfallen (etwa Besuche beim Kinderarzt), und die Betreuung des Kindes bei Krankheit waren ihm nicht zumutbar. Von einem engen körperlichen Kontakt mit seinem Kind war einerseits wegen des Risikos der eigenen Infektion aufgrund seiner beeinträchtigten Immunitätslage und andererseits wegen der Fremdgefährdung des Kindes durch Übertragung von Spitalskeimen abzuraten.

Mit Bescheid vom 22. Mai 2013 lehnte die beklagte Wiener Gebietskrankenkasse den Antrag der Klägerin vom 24. April 2013 auf Verlängerung der Kinderbetreuungsgeldanspruchsdauer auf den Zeitraum von 23. April 2013 bis 22. Juni 2013 ab.

Das Erstgericht gab der gegen diesen Bescheid erhobenen Klage statt und verpflichtete die beklagte Partei zur Zahlung von Kinderbetreuungsgeld in täglicher Höhe von 66 EUR für den Zeitraum von 23. April 2013 bis 22. Juni 2013.

Der Gesetzgeber habe im Wortlaut des § 5 Abs 4a KBGG Fälle von gesundheitlichen Beeinträchtigungen nur in jenem Umfang erfasst, als sie mit einem Krankenhausaufenthalt einhergingen und dadurch zum Verlust des gemeinsamen Haushalts mit dem Kind führten. Dabei habe er offenkundig planwidrig Konstellationen nicht berücksichtigt, in denen ein Elternteil trotz Aufrechterhaltung des gemeinsamen Haushalts mit dem Kind auch außerhalb von Zeiten stationärer Krankenhausaufenthalte aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage sei, die nach der gesetzlichen Konzeption hinter dem Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld liegende Kinderbetreuung durchzuführen. Die gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Vaters und die damit verbundene Unfähigkeit zur (verlässlichen und planbaren) Erbringung von Kinderbetreuungsleistungen kämen in ihrer Bedeutung, Schwere und Auswirkung den in § 5 Abs 4a KBGG ausdrücklich genannten Ereignissen gleich. Den Ausnahmebestimmungen des § 5 Abs 4a KBGG liege wie der Bestimmung des § 5 Abs 4 KBGG über die Anzahl der Bezugswechsel und deren Mindestdauer die Absicht zugrunde, Härtefälle, die sich bei der Anwendung der die Dauer des Leistungsbezugs allgemein regelnden Bestimmungen des KBGG ergeben könnten, zu vermeiden.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei Folge und wies das Klagebegehren ab.

Schon aus der Konzeption der Z 1 bis 4 des § 5 Abs 4a KBGG lasse sich die Intention des Gesetzgebers erschließen, nur eng umrissene Ereignisse für eine Verlängerung des Kinderbetreuungsgeldanspruchs zuzulassen. Stets handle es sich um leicht objektivierbare Sachverhalte wie Tod (Z 1), den Aufenthalt in einer Heil- und Pflegeanstalt (Z 2) oder die Verbüßung einer Freiheitsstrafe bzw einer anderweitigen auf gerichtlicher oder behördlicher Anordnung beruhenden Anhaltung (Z 4). Auch der Wegfall des gemeinsamen Haushalts aufgrund häuslicher Gewalt biete einen anerkannten Grund, wobei dieser jedoch gerichtlich oder behördlich festgestellt werden bzw zu einem Aufenthalt im Frauenhaus geführt haben müsse (Z 3). Abgesehen vom Ableben des anderen Elternteils seien daher in jedem Fall eine behördliche oder gerichtliche Anordnung oder der ebenfalls leicht objektivierbare Aufenthalt in einer Heil- und Pflegeanstalt oder einem Frauenhaus erforderlich.

Auch die Gesetzesmaterialien sprächen für die restriktive Anwendung des § 5 Abs 4a KBGG. Mit dem ausdrücklichen Bezug auf die Definition des Begriffs „Heil- und Pflegeanstalt“ in den §§ 1 und 2 KAKuG und den Ausführungen, dass bei häuslicher Gewalt die Erstattung einer Strafanzeige allein nicht ausreichend sei, bringe die Regierungsvorlage deutlich die Grenzen der Anwendung der Bestimmung zum Ausdruck. Die Absicht des Gesetzgebers hebe sich deutlich von jener ab, die er gemäß § 5 Abs 4 KBGG über die höchst zulässige Anzahl von Wechseln des Bezugs von Kinderbetreuungsgeld zwischen den beiden Elternteilen und der Unterschreitung der Mindestbezugsdauer von zwei Monaten verfolge. Hier solle allein ein unvorhersehbares und unabwendbares Ereignis für eine nicht bloß verhältnismäßig kurze Zeit der Verhinderung ausreichen, das Kind zu betreuen, ohne eine genaue Definition zu treffen, wann ein solches Ereignis gegeben sei. Auf der Hand liege, dass die Voraussetzungen für die „Verlängerung“ des Kinderbetreuungsgeldanspruchs bei den Anspruchs-voraussetzungen restriktiver seien. Die genaue Umschreibung der Tatbestände in § 5 Abs 4a KBGG sei geeignet, eine missbräuchliche Inanspruchnahme von Kinderbetreuungsgeld hintanzuhalten und zur Verwaltungsvereinfachung beizutragen. Die taxativ aufgezählten Ereignisse ließen sich urkundlich leicht nachweisen und machten die Durchführung eines komplexen Verwaltungs- bzw Gerichtsverfahrens (mit Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens) nicht erforderlich. Nur so sei es der beklagten Partei möglich, zeitnah über Anträge auf „Verlängerung“ des Kinderbetreuungsgeldanspruchs zu entscheiden und auf unabwendbare und unvorhersehbare Ereignisse des betroffenen Elternteils mit dem Ausgleich des Einkommensverlusts zu reagieren.

Für den Bezug von Kinderbetreuungsgeld werde im Übrigen nicht vorausgesetzt, dass der beziehende Elternteil sein Kind tatsächlich selbst betreue bzw dazu in der Lage sei. Im Gegenteil räume der Gesetzgeber als Zweck des Kinderbetreuungsgeldes die Finanzierung einer außerhäuslichen Betreuung ein.

Angesichts dieser Überlegungen scheide eine analoge Anwendung des § 5 Abs 4a KBGG auf den vorliegenden Sachverhalt der gesundheitsbedingten Verhinderung des anderen Elternteils an der Kinderbetreuung aus.

Der Anregung der Klägerin, beim Verfassungsgerichtshof einen Gesetzesprüfungsantrag hinsichtlich der Bestimmung des § 5 Abs 4a KBGG zu stellen, werde nicht gefolgt. In der gesetzlichen Umschreibung der Voraussetzungen für eine Anspruchsverlängerung könne keine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes erblickt werden. Wenn der Gesetzgeber Tatbestände eng fasse, sei dies verfassungsgesetzlich nicht zu beanstanden, auch wenn das Ergebnis den Wünschen Rechtsunterworfener entgegenstehe.

Die Revision sei zulässig, weil der Oberste Gerichtshof noch nicht zur Frage Stellung genommen habe, inwieweit die Bestimmung des § 5 Abs 4a KBGG eine Analogie zu Fällen der faktischen Verhinderung des anderen Elternteils an der Kinderbetreuung für eine „Verlängerung“ des Bezugszeitraums von Kinderbetreuungsgeld erlaube.

Rechtliche Beurteilung

Die von der beklagten Partei beantwortete Revision der Klägerin ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig; sie ist aber nicht berechtigt.

In ihrer auf Abänderung im klagestattgebenden Sinn, hilfsweise auf Aufhebung der vorinstanzlichen Entscheidungen gerichteten Revision macht die Klägerin zusammengefasst geltend, der Zweck des § 5 Abs 4a KBGG liege darin, den Einkommensentfall auszugleichen, der mit den im Gesetz vorgesehenen Härtefällen einhergehe, sprich wenn der an sich bezugsberechtigte Elternteil nicht zur Kinderbetreuung in der Lage sei und der andere Elternteil entweder selbst das Kind betreuen oder eine fremde Kinderbetreuung finanzieren müsse. Es würde einen massiven Wertungswiderspruch bedeuten, wenn bei einem unabwendbaren und unvorhergesehenen Ereignis wie im tragischen Fall der Klägerin eine Verlängerungsmöglichkeit nach § 5 Abs 4a KBGG verneint würde, zumal der Zustand des Vaters demjenigen bei einen stationären Krankenhausaufenthalt gleichkomme. Bei anderer Interpretation wäre § 5 Abs 4a KBGG im Licht des Art 7 B VG mangels sachlicher Rechtfertigung der Ungleichbehandlung und wegen der unterschiedlichen Fassung der Absätze 4 und 4a verfassungswidrig. Die Argumentation des Berufungsgerichts zur Fremdbetreuung laufe ins Leere, weil es bekanntermaßen unmöglich sei, kurzfristig eine Fremdbetreuung zu organisieren. Der Vater hätte (wegen des Bezugs von Krankengeld und einer Berufsunfähigkeitspension) die für den Kinderbetreuungsgeldbezug maßgebende Geringfügig-keitsgrenze überschritten.

Dazu ist auszuführen:

1. § 5 KBGG regelt die Dauer des Anspruchs auf Kinderbetreuungsgeld, darunter (in den Absätzen 3 – 4b) den Fall, dass beide Elternteile abwechselnd Kinderbetreuungsgeld beziehen. Abs 3 lässt einen zweimaligen Wechsel pro Kind zu. Nach Abs 4 kann das Kinderbetreuungsgeld „jeweils nur in Blöcken von mindestens zwei Monaten beansprucht werden, es sei denn, dass der beziehende Elternteil durch ein unvorhersehbares und unabwendbares Ereignis für eine nicht bloß verhältnismäßig kurze Zeit verhindert ist, das Kind zu betreuen. In diesem Fall kann ein Wechsel über das in Abs. 3 angeführte Ausmaß erfolgen“.

1.1. Mit der Novelle BGBl I 2009/116, mit der das einkommensabhängige Kinderbetreuungsgeld eingeführt wurde, wurden dem § 5 KBGG auch die Absätze 4a und 4b angefügt. Abs 4a sollte als Ausnahme von der grundsätzlichen Intention, dass eine Verlängerung des Kinderbetreuungsgeldbezugs einen Wechsel unter den Bezugsberechtigten voraussetzt, konzipiert sein. § 5 Abs 4a KBGG lautet:

„(4a) Ist ein Elternteil aufgrund eines unabwendbaren und unvorhersehbaren Ereignisses, dessen Dauer den Wegfall des gemeinsamen Haushaltes mit dem Kind bewirkt, je nach gewählter Variante ab dem 30. (§ 5 Abs. 2), 20. (§ 5a Abs. 3), 15. (§ 5b Abs. 3) oder 12. (§ 5c Abs. 3 und § 24b) Lebensmonat des Kindes am Bezug des Kinderbetreuungsgeldes für dieses Kind verhindert, so verlängert sich das Höchstausmaß der Bezugsdauer des anderen Elternteils im Zeitraum der Verhinderung auf Antrag um die Anzahl der Verhinderungstage, maximal aber um zwei Monate. Ein unvorhersehbares und unabwendbares Ereignis liegt nur vor bei:

1. Tod,

2. Aufenthalt in einer Heil- und Pflegeanstalt,

3. gerichtlich oder behördlich festgestellter häuslicher Gewalt sowie Aufenthalt im Frauenhaus aufgrund häuslicher Gewalt,

4. Verbüßung einer Freiheitsstrafe sowie bei einer anderweitigen auf gerichtlicher oder behördlicher Anordnung beruhenden Anhaltung.

Der Verlängerungszeitraum endet spätestens je nach gewählter Variante mit dem 32., 22., 17. oder 14. Lebensmonat des Kindes. Hat der verhinderte Elternteil bereits Kinderbetreuungsgeld für dieses Kind bezogen, so wird seine Bezugszeit auf den Verlängerungszeitraum des anderen Elternteiles angerechnet. Der andere Elternteil hat Beginn und (voraussichtliche) Dauer der Verhinderung des verhinderten Elternteiles bekannt zu geben und die anspruchsbegründenden Umstände nachzuweisen. Die Verlängerung nach diesem Absatz endet bei vorzeitigem Ende der Verhinderung. Der Wegfall des gemeinsamen Haushaltes mit dem Kind ist nur bei einer nicht bloß vorübergehenden Dauer des Ereignisses anzunehmen (§ 2 Abs. 6). Dem Wegfall des gemeinsamen Haushaltes mit dem Kind gleichzustellen ist der Wegfall des gemeinsamen Haushaltes mit der mit diesem Kind schwangeren Frau. Kein Anspruch auf Verlängerung besteht, sofern der nicht verhinderte Elternteil eine Ehe oder nicht eheliche Lebensgemeinschaft mit einer anderen Person als der Kindesmutter oder dem Kindesvater eingeht.“

1.2. In den Gesetzesmaterialien (ErläutRV 340 BlgNR 24. GP 10 f) wird zu hier maßgeblichen Aspekten Folgendes ausgeführt:

„Bisher führt nur der abwechselnde Bezug von Kinderbetreuungsgeld durch beide Eltern zu einer Bezugsverlängerung. Auch für besondere Härtefälle sieht das Gesetz keine Ausnahmen vor.

Bei Verhinderung eines Elternteiles soll nun unter bestimmten Voraussetzungen eine Bezugsverlängerung auch ohne Wechsel zwischen den Elternteilen möglich sein.

Eine Verhinderung liegt nur dann vor, wenn sie in Folge eines der (taxativ) aufgezählten unvorhersehbaren und unabwendbaren Ereignisse eintritt.

Die Verhinderung muss von einer derartigen Dauer sein, dass der gemeinsame Haushalt mit dem Kind als aufgelöst gilt. Die Verhinderung beginnt frühestens mit Eintritt des Ereignisses.

Sofern eine solche Verhinderung in dem festgelegten Zeitraum (zB Variante 30 plus 6 zwischen dem 30. und 32. Lebensmonat des Kindes) vorliegt, soll dem anderen Elternteil der Bezug verlängert werden. Der beziehende, nicht verhinderte Elternteil muss in der Verlängerungszeit alle vorgeschriebenen Anspruchsvoraussetzungen in eigener Person erfüllen. (...)

Die Dauer der Verlängerung wird im Hinblick auf die neue Mindestbezugsdauer mit zwei Monaten begrenzt, da davon auszugehen ist, dass der (verhinderte) Elternteil (idR der Vater des Kindes) in den überwiegenden Fällen nur die Mindestbezugsdauer in Anspruch genommen hätte. (...)

Kurzfristige Unterbrechungen der Verhinderung schaden nicht.

Als unvorhersehbare und unabwendbare Ereignisse gelten ausschließlich die im Gesetz aufgezählten Ereignisse (Z 1 bis 4).

Die Definition des Begriffs „Heil- und Pflegeanstalt“ (Krankenanstalt) ergibt sich aus den §§ 1 und 2 KAKuG.

Fällt der gemeinsame Haushalt mit dem Kind weg, soll jenem Elternteil die Verlängerung zugute kommen, bei dem das Kind verbleibt und der selbst und/oder im gemeinsamen Haushalt lebende Personen, zB dessen Kinder, Opfer der Gewalt sind. Umfasst sind nicht nur die Flucht ins Frauenhaus, sondern auch Fälle des Verbleibens in der Wohnung bei einstweiliger Verfügung gegen den Täter. Keinesfalls kommt die Verlängerung dem Gewalttäter zugute. Die häusliche Gewalt muss gerichtlich oder behördlich festgestellt sein, die Erstattung einer Strafanzeige allein reicht daher nicht aus.

Unter einer anderweitigen auf gerichtlicher oder behördlicher Anordnung beruhenden Anhaltung sind zB eine länger andauernde Untersuchungshaft sowie Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme oder entwöhnungsbedürftige Rechtsbrecher zu verstehen.

Eine bloß vorübergehende Abwesenheit eines Elternteiles führt nicht zum Wegfall des gemeinsamen Haushaltes mit dem Kind (Einzelfallbeurteilung). Daher besteht die Möglichkeit des KBG Bezuges in der Zeit und liegt keine Verhinderung vor.“

2. Die Klägerin sieht in § 5 Abs 4a KBGG eine planwidrige Lücke, die ihres Erachtens durch eine analoge Anwendung der Bestimmung auf Fälle einer langdauernden gravierenden Erkrankung des betreuenden Elternteils zu schließen wäre.

3. Nach dem Gesetzeswortlaut ermöglicht § 5 Abs 4a KBGG ausnahmsweise eine Bezugsverlängerung für einen Elternteil, wenn der andere Elternteil

– aufgrund eines unabwendbaren und unvorhersehbaren Ereignisses,

– dessen Dauer nicht nur vorübergehend den Wegfall des gemeinsamen Haushaltes mit dem Kind bewirkt,

– am Bezug des Kinderbetreuungsgeldes für dieses Kind verhindert ist,

– wobei ein „unvorhersehbares und unabwendbares Ereignis“ nur dann vorliegt, wenn einer der vier im Gesetz genannten Fälle eingetreten ist.

Wie schon das Berufungsgericht dargestellt hat, werden andere Gründe, die den Bezug von Kinderbetreuungsgeld verhindern, ausdrücklich nicht erfasst, etwa das Überschreiten der Zuverdienstgrenze, der Verlust des Anspruchs auf Familienbeihilfe (§ 2 Abs 1 Z 1 KBGG) oder der Verlust der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts in Österreich (§ 2 Abs 1 Z 5 KBGG).

4. § 5 Abs 4a KBGG ist so formuliert, dass ein – die Voraussetzung für die Bezugsverlängerung bildendes – unvorhersehbares und unabwendbares Ereignis nur in den vier im Gesetz aufgezählten Fallkonstellationen (Tod; stationärer Aufenthalt; festgestellte häusliche Gewalt; behördliche Anhaltung) vorliegt. Auch in den Gesetzesmaterialien wird der taxative Charakter der Aufzählung betont.

Durch die Aufzählung, was als „unvorhersehbares und unabwendbares Ereignis“ gilt, unterscheidet sich Abs 4a deutlich von Abs 4, in dem die höchst zulässige Anzahl von Wechseln des Bezugs von Kinderbetreuungsgeld zwischen den beiden Elternteilen und der Unterschreitung der Mindestbezugsdauer von zwei Monaten geregelt ist. Abgesehen vom unterschiedlichen Regelungszweck (siehe Schober in Sonntag/Schober/Konezny , KBGG [2016], § 5 Rz 9) kommt in der Gesetzesformulierung zum Ausdruck, dass bei der Anwendung des § 5 Abs 4a KBGG die Anspruchsvoraussetzungen restriktiver sind, weil es eben nicht zu einem Wechsel der Bezugsberechtigten kommt.

4.1. Bei einer taxativen Aufzählung ist bei der Beantwortung der Frage, ob anstelle des an sich naheliegenden Umkehrschlusses ein Analogieschluss zu ziehen ist, größte Zurückhaltung angebracht ( P. Bydlinski in KBB 4 § 7 Rz 2). Analogie ist bei einer taxativen Aufzählung nur dann möglich und geboten, wenn der Gesetzeszweck in Verbindung mit dem Gleichheitsgrundsatz die Erstreckung der Rechtsfolgenanordnung einer gesetzlichen Norm auf den gesetzlich nicht unmittelbar geregelten Fall fordert (RIS Justiz RS0008841 [T7]). Dies setzt nach der Rechtsprechung voraus, dass der nicht besonders angeführte Fall alle „motivierenden Merkmale“ der geregelten Fälle enthält (RIS Justiz RS0008839 [T4]).

4.2. Die vier aufgezählten Gründe haben gemeinsam, dass der „andere“ Elternteil wegen des Vorliegens dieses Grundes, der den gemeinsamen Haushalt auflöst, an der Mitwirkung an der tatsächlichen Betreuung des Kindes gehindert ist. Das Gesetz weist hier eine gewisse Ambivalenz auf, weil einerseits die persönliche Betreuung des Kindes nicht als Anspruchsvoraussetzung für den Bezug des Kinderbetreuungsgeldes normiert ist (vgl ErläutRV 620 BlgNR 21. GP 53: „Finanzielle Unterstützung [Familien-leistung] für alle Eltern … während der Betreuung ihres Kindes in den ersten drei Jahren ... . Durch die Möglichkeit, bis zu 14.600 EUR jährlich dazuverdienen zu können, soll eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf erreicht werden.“), andererseits doch Aspekte der persönlichen Betreuung eine Rolle spielen, etwa in § 2 Abs 3 KBGG (Vorrecht des betreuenden Elternteils) oder § 5 Abs 4 KBGG (Wechsel der Anspruchsberechtigung). Auch beim einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeld, das ein (teilweiser) Ersatz für den Entfall des früheren Einkommens ist, besteht ein indirekter Anreiz zur persönlichen Betreuung, weil während des Bezugs der Leistung keine Erwerbstätigkeit ausgeübt werden darf, die zu Einkommen über der sozialversicherungsrechtlichen Geringfügigkeitsgrenze führt (ErläutRV 340 BlgNR 24. GP 17).

4.3. Die in § 5 Abs 4a KBGG aufgezählten spezifischen Gründe, deretwegen der gemeinsame Haushalt aufgelöst wird, haben weiters gemeinsam, dass sie leicht feststellbar sind und damit der Vereinfachung der verwaltungstechnischen Abwicklung dienen. Dieses gesetzgeberische Ziel, das Härtefälle in Kauf nehmen muss, ist durchaus legitim (vgl RIS Justiz RS0053534; VfGH G 1355/95, V 158/95, VfSlg 14.512 uva), wenn auch der sachlichen Rechtfertigung bedürftig.

Die taxativ aufgezählten Ereignisse lassen sich urkundlich leicht nachweisen und machen die Einholung zB eines medizinischen Sachverständigengutachtens nicht erforderlich. Nur so ist es der auszahlenden Stelle möglich, zeitnah auf Verlängerungsanträge, die auf einen maximalen Bezugszeitraum von zwei Monaten angelegt sind, zu reagieren. Hätte der Gesetzgeber auch Fälle einer gravierenden länger dauernden Krankheit des betreuenden Elternteils – ohne Aufenthalt in einer Heil oder Pflegeanstalt – einbeziehen wollen, wäre ihm dieses ein Leichtes gewesen, indem er im Gesetz darauf Bezug genommen hätte. Die Annahme eines gesetzgeberischen Versehens ist schon deshalb unwahrscheinlich, weil in den Gesetzesmaterialien ausdrücklich auf die Definition des Begriffs „Heil- und Pflegeanstalt“ in den §§ 1 und 2 KAKuG Bezug genommen wird.

In der dargestellten Ermöglichung einer raschen Entscheidung über den Anspruch auf der Grundlage einer Aufzählung eindeutig nachvollziehbarer gravierender Fälle liegt eine ausreichende sachliche Rechtfertigung für die restriktive gesetzliche Regelung, weshalb auch kein Anlass zu einer Anrufung des Verfassungsgerichtshofs besteht.

5. Da der von der Klägerin geltend gemachte Grund keine Verlängerung der Anspruchsdauer rechtfertigt, hat das Berufungsgericht ihr Begehren zu Recht abgewiesen.

6. Die Kostenentscheidung beruht hinsichtlich der Klägerin auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Berücksichtigungswürdige Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Klägerin, die einen ausnahmsweisen Kostenzuspruch nach Billigkeit rechtfertigen könnten, wurden von der Klägerin nicht geltend gemacht und sind auch sonst aus der Aktenlage nicht ersichtlich. Die beklagte Partei hat gemäß § 77 Abs 1 Z 1 ASGG die Kosten ihrer Revisionsbeantwortrung ohne Rücksicht auf den Ausgang des Verfahrens selbst zu tragen.

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